Antrag von Abgeordneten Wie läuft ein Parteiverbotsverfahren ab?
Kommt es zu einem Verbotsverfahren gegen die AfD? Der Bundestag wird sich mit dieser Frage auseinandersetzen müssen. Doch der Weg nach Karlsruhe wäre noch lang.
Nur das Bundesverfassungsgericht kann verbieten
Nur das Bundesverfassungsgericht kann in Deutschland eine politische Partei verbieten. Und das auch nur wenn ein entsprechender Antrag in Karlsruhe vorliegt. Dieser Antrag müsste dann auch zulässig und in der Sache begründet sein. Nur die Bundesregierung, der Bundestag oder der Bundesrat können den Antrag für das Verbot einer bundesweit organisierten Partei stellen.
Ob das geschieht oder nicht, ist also zunächst immer eine politische Entscheidung innerhalb des jeweiligen Verfassungsorgans.
Vorlage im Bundestag
Im Bundestag wurde dafür zunächst nur der allererste Schritt getan: Eine kleine Gruppe von Abgeordneten unterschiedlicher Fraktionen hat dafür gesorgt, dass das Thema auf die Tagesordnung kommt, also beraten wird. Laut Geschäftsordnung des Bundestages sind für eine solche Vorlage im Parlament fünf Prozent der Abgeordneten notwendig.
Bei aktuell 736 Abgeordneten braucht es also mindestens 37 davon. Wohlgemerkt nur für diesen allerersten Schritt: Dafür zu sorgen, dass sich der Bundestag mit dem Thema überhaupt befasst.
Beschluss des Bundestages
Wenn im Bundestag das Thema auf der Tagesordnung steht, wird diskutiert: Soll das Verfassungsorgan Bundestag einen entsprechenden Verbotsantrag tatsächlich stellen? Das ist dann die oben erwähnte politische Entscheidung. Beschließen kann der Bundestag diesen Schritt aber nur mit einfacher Mehrheit; also mit der Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. Weil Enthaltungen nicht gezählt werden, müssen mehr Abgeordnete mit "ja" als mit "nein" stimmen.
Die kleine Gruppe von Abgeordneten, die die Vorlage angestoßen hat, würde dafür also wohl kaum reichen: Die AfD-Fraktion allein ist zahlenmäßig stärker. Man müsste also eine große Anzahl weiterer Abgeordneter überzeugen.
Verbotsantrag in Karlsruhe
Sollte eine Mehrheit im Bundestag für die Stellung eines Verbotsantrags stimmen, wäre dieser Beschluss aber noch nicht "der" Verbotsantrag in Karlsruhe. Beim Bundesverfassungsgericht müsste vielmehr ein ausführlicher prozessualer Verbotsantrag eingereicht werden. Der muss dann die Belege aufführen, aus denen sich ergeben soll, dass die jeweilige Partei verfassungswidrig ist. Das Grundgesetz fordert: "Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig".
Die Antragsschrift müsste also genug Beweise liefern, um die Verfassungsrichter zu überzeugen, dass dies auf die AfD zutrifft. Der erste Schritt dazu: Eine Arbeitsgruppe aus Politikern und Juristen trägt mögliche Beweise zusammen und bewertet sie juristisch. Das jüngste Verbotsverfahren gegen die damalige NPD hat gezeigt: In diese Antragsschrift fließt nochmal viel Zeit und Arbeit. Ein Verbot setzt voraus, dass die Partei "staatsfern" ist. Mögliche Beweise für eine Verfassungswidrigkeit, die durch den Einsatz von V-Leuten, also bezahlten Informanten innerhalb der Partei, zustande kamen, scheiden darum aus. Auf sie kann kein Verbotsantrag gegründet werden.
Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht
Ist die Antragsschrift zulässig, vereinfacht gesagt also: formell korrekt, dann wird das Bundesverfassungsgericht in die inhaltliche Prüfung einsteigen: Dabei kommt natürlich auch die Partei, um die es geht, zu Wort. Die vorgelegten Belege werden sondiert, Sachverständige zur Stellungnahme aufgefordert, mündlich verhandelt und danach über ein Urteil beraten. Im NPD-Verfahren hat all das mehrere Jahre bis zu einem Urteil im Jahr 2017 gedauert.
Allerdings war es seinerzeit auch das erste Mal seit den 1950er-Jahren, dass Karlsruhe sich inhaltlich mit einem Verbotsantrag auseinandergesetzt hat. Seinerzeit mussten also nochmal die verfassungsrechtlichen Anforderungen ganz neu abgesteckt werden. Das ist nun nicht mehr nötig. Denkbar also, dass ein weiteres Verfahren etwas schneller voranginge.
Ausschluss der AfD aus der Parteienfinanzierung?
Vereinzelt wird aktuell auch diskutiert, ob man der AfD - statt sie durch Karlsruhe verbieten zu lassen - auch "nur" die staatliche Finanzierung und die steuerliche Begünstigung streichen lassen könnte. Das Grundgesetz sieht diese Möglichkeit ausdrücklich vor. Allerdings ist die inhaltliche Voraussetzung hierfür die gleiche wie für ein Verbot der Partei: Man müsste ihr erstmal eine inhaltliche Verfassungsfeindlichkeit nachweisen. Also dass sie nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet ist, "die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden".
Der Unterschied der beiden Verfahren ist lediglich: Für ein umfassendes Verbot wäre zusätzlich eine gewisse Wirkmacht der jeweiligen Partei notwendig. Nur Parteien, die das Potenzial haben, ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch umzusetzen, können verboten werden. Für den Ausschluss aus der staatlichen Finanzierung bedarf es dieser zweiten Voraussetzung nicht: Er ist auch bei verfassungsfeindlichen Kleinstparteien möglich.
Der rechtliche Knackpunkt liegt aber auch hier bei der ersten Voraussetzung. "Ist die Partei inhaltlich verfassungsfeindlich?" Und genau das müsste bei einem Antrag auf Finanzierungsausschluss der AfD erstmal genauso wie bei einem Verbotsverfahren geklärt werden. Der Gedanke, "falls ein Verbot scheitert, reicht es vielleicht noch für einen Ausschluss aus der Parteifinanzierung", geht im Falle der AfD daher wohl fehl.