Internationale Treffen Der Kanzler vor der Gipfelkette
Olaf Scholz hatte nur wenig Zeit, seine Rolle als Bundeskanzler in der Weltpolitik zu finden. Mit dem EU-Rat, dem NATO-Gipfel und G7 wartet eine Reihe internationaler Treffen auf ihn. Heute gibt er eine Regierungserklärung ab.
Brüssel. Elmau. Madrid. Auch wenn die Reise nur einmal wirklich in die Berge geht: Es ist eine stattliche Gipfel-Kette, die Olaf Scholz vor sich hat. Morgen das Treffen der EU-Staats- und Regierungschef, in der kommenden Woche NATO-Gipfel in Spanien. Dazwischen wird der deutsche Bundeskanzler besonders im Mittelpunkt der Weltöffentlichkeit stehen. In bayerischer Berg- und Schlosskulisse ist er Gastgeber der G7-Gruppe, der sieben wichtigsten demokratischen Industrienationen.
Augen, Kameras und Mikrofone sind auf den Mann gerichtet, dessen bisheriges außenpolitisches Handeln auch Skepsis ausgelöst hat. Ein Beispiel: Lange hatte es gedauert, bis Scholz zuließ, die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zu stoppen. Nicht einmal den Namen des vor allem im Osten der EU umstrittenen Projektes hatte er in Interviews oder bei Pressekonferenzen in den Mund nehmen wollen. Immer wieder wurde er aufgefordert, doch endlich nach Kiew zu reisen. Doch dieser Kanzler lässt sich nicht gerne auffordern.
Deutschland als "Führungsmacht"?
Olaf Scholz ist kein Novize im internationalen Geschäft. Als Erster Bürgermeister Hamburgs reiste er nach China, Indien oder Südamerika. Später ging es als Bundesfinanzminister in der Regierungsmaschine zu großen internationalen Konferenzen von Bali bis Washington. Und doch: das Bundeskanzleramt ist noch einmal eine ganz andere Liga. Scholz hat obendrein in Kriegs- und Krisenzeiten wenig Spielraum, seine eigene Rolle auf der politischen Weltbühne zu finden. Zu groß sind die Erwartungen an den Regierungschef eines nicht nur wirtschaftlich so starken Landes.
Lars Klingbeil, Vorsitzender der Kanzlerpartei, hat die Ambitionen selbst hochgeschraubt. In einer Grundsatzrede bei der Friedrich-Ebert-Stiftung forderte er eine Neuausrichtung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. Deutschland müsse seine jahrzehntelange Zurückhaltung aufgeben und "den Anspruch einer Führungsmacht haben".
Führungsmacht: Ist das auch der Plan des Bundeskanzlers? Möglich. Beim G7-Gipfel will Scholz ein politisches Projekt voranbringen, das er schon als Finanzminister angeschoben hat: den sogenannten Klimaklub. "Er steht allen Ländern offen, die sich auf bestimmte Mindeststandards beim Klimaschutz festlegen", so Scholz kürzlich bei der Hannover Messe. Der Preis für klimaschädlichen CO2-Ausstoß soll innerhalb des Klubs möglichst gleich sei. Kann ein solches Vorhaben gelingen? Viele Fragen sind offen, jedoch ist es ein erkennbarer Versuch, Führung zu zeigen.
Beim Thema militärische Unterstützung für die Ukraine löste Scholz dagegen einen anderen Eindruck aus: in der Ukraine, im Osten der EU, bei der Union im Bundestag, aber auch in Teilen der eigenen Ampel-Koalition. Zwar hatte er kurz nach Kriegsbeginn eine kraftvolle Zeitenwende-Rede gehalten. Danach wollte sich der Nebel um deutsche Waffen-Lieferungen nicht so richtig lüften. Scholz beschränkte sich lange Zeit auf die Botschaft: Wir tun genug - und zwar abgestimmt mit unseren Partnern. Am Montag veröffentlichte die Bundesregierung eine vollständige Liste der bisherigen und geplanten Lieferungen. Ebenfalls bestätigte der ukrainische Verteidigungsminister, dass die Panzerhaubitze 2000 im Arsenal des Landes angekommen sei.
Es ist davon auszugehen, dass der Kanzler überzeugt ist, seit Beginn des Kriegs dem richtigen Plan zu folgen. Es wäre keine untypische Selbsteinschätzung. "Scholz ist der Meinung, dass es in den meisten Themengebieten eigentlich nur einen echten Experten gibt: Scholz." So beschreibt es Mark Schieritz in seinem jüngst erschienenen Buch. Er charakterisiert den SPD-Mann als einen Politiker, der akribisch methodisch und strukturiert arbeite. Gleichzeitig halte er große Reden für überschätzt, schreibt Schieritz.
"Sicher hapert es an der Kommunikation"
Doch Scholz wird nicht erspart bleiben, die eigene Politik besser zu erklären. Bei der Präsentation des Friedensgutachtens 2022 sieht Christopher Daase vom Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung die Bundesregierung auf einem "relativ guten Weg". Man halte auch "das, was oft als Zögern kritisiert wird, für nicht ganz verkehrt". Dennoch: "Sicher hapert es an der Kommunikation."
An großen Aufgaben auf der Weltbühne mangelt es nicht: Nach welchen Vorstellungen will Scholz die Europäischen Union reformieren, damit sie überhaupt in der Lage ist, ein Land wie die Ukraine aufzunehmen? Wie lässt sich die Weizenblockade in der Ukraine überwinden? Wie überzeugt die NATO die Türkei, einer Mitgliedschaft von Schweden und Finnland zuzustimmen? Die Gipfel-Kette dürfte für Olaf Scholz kein Spaziergang werden.