Wahl zur Bundesratspräsidentin Auf dem Weg zur Parteichefin wider Willen?
Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger wird die nächste Bundesratspräsidentin. Viele ihrer Parteigenossen und -genossinnen sehen sie künftig noch in anderen Rollen - auch wenn sie das selbst vielleicht gar nicht will.
Sonntag vor einer Woche im Willy-Brandt-Haus. In der SPD-Zentrale trifft sich der Parteivorstand zur gemeinsamen Klausur. Bevor es losgeht, laufen die Präsidiumsmitglieder einmal für die Kameras durch den Raum, in dem gerade die Pressekonferenz stattgefunden hat. Der Kanzler geht vorweg, ihm folgen die beiden Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil. Direkt dahinter Anke Rehlinger.
Die saarländische Ministerpräsidentin ist nah dran an der Macht. Fragt man in der Partei, wer die SPD führen könnte, falls die kommende Bundestagswahl verloren ginge, wird sehr oft ihr Name genannt. Ob Rehlinger das überhaupt will, ist den meisten SPDlern erstmal egal. Sie werde gar nicht drumherum kommen, sagt ein einflussreicher Abgeordneter.
Parteichefin in Reserve?
Rehlinger ist stellvertretende Vorsitzende der SPD. Und wenn es nach ihr geht, bleibt es wohl auch erstmal dabei. Der Plan, das Saarland gegen Berlin einzutauschen, steht in der Lebensplanung der ehemaligen Kugelstoßerin wohl nicht sehr weit oben.
Doch in den Augen vieler ihrer Genossinnen und Genossen ist Rehlinger auch so etwas wie eine Parteichefin der Reserve. Rehlinger nutzt ihren Einfluss in der Bundeshauptstadt aber nicht für die persönliche Karriere. Sie äußert sich in bundespolitischen Fragen nur sehr ausgewählt. Vor allem dann, wenn es auch einen Saarlandbezug gibt.
Pragmatismus vor Ideologie
Für die Vorstandsklausur hat die SPD einen Leitantrag geschrieben. Es geht um Soziale Gerechtigkeit, aber vor allem um die Frage, was die Politik machen könnte, um die Wirtschaft in Deutschland wieder anzukurbeln. Rehlinger war an dem Papier direkt beteiligt. Die wirtschaftliche Lage beunruhige die Menschen, sagt sie im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Darauf brauche man verlässliche Antworten. Es ist ein Satz, der typisch ist für die SPD-Politikerin.
Rehlinger lebt nicht in ideologischen Welten. Sie will pragmatisch Probleme lösen. Das Motto: Wenn es die Menschen beschäftigt, sollte es auch die Politik beschäftigen. Ein Beispiel für diese Art von Politik: Im Saarland gibt es eine starke Zulieferindustrie für die Automobilbranche. Weil die in der Transformation zum Elektroauto gerade durch schwierige Zeiten geht, steht im SPD-Papier der Vorschlag einer Kaufprämie für E-Autos. Und das, obwohl Rehlinger nie ein großer Freund einer Prämie gewesen sei, sagt sie im ARD-Interview. Aber zum jetzigen Zeitpunkt "bräuchten wir ein starkes Signal für einen Kaufanreiz".
"Zukunft durch Wandel": Diese Überschrift hat Rehlinger ihrer Bundesratspräsidentschaft gegeben. Anders als üblich plant die 48-Jährige keine große Übersee-Reise. Stattdessen will sie das deutsch-französische Verhältnis und die Beziehungen zu Polen verbessern. Ihre erste Reise im Amt wird sie daher nach Paris führen.
Lob auch aus CDU-Kreisen
Im Kollegenkreis kommt Rehlinger mit ihrer Art gut an. Die scheidende Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sagt über sie, Rehlinger sei eine zupackende Ministerpräsidentin, die bodenständig und nah bei den Menschen sei. Und auch aus CDU-Länderkreisen kommt Lob, man schätze Rehlinger insbesondere für ihren Pragmatismus. Durch die Alleinregierung im Saarland sei es ihr oft möglich, unabhängige Entscheidungen zu treffen. Man merke, dass sie es nicht nötig habe, immer der Ampellinie zu folgen.
Die Amtszeit der neuen Bundesratspräsidentin beginnt am 1. November. Ihre Genossinnen und Genossen in der SPD werden genau hinschauen, ob sich Rehlinger im hohen Staatsamt bewährt. Falls ja, bleibt sie wohl Parteichefin in Reserve. Auch wenn sie das selbst wohl gar nicht will.