
Leitantrag zum Parteitag Linke debattiert über "Diätendeckel"
Die Linke debattiert über einen freiwilligen Gehaltsverzicht. Ein von der Parteiführung favorisierter "Diätendeckel" scheint nach Recherchen des ARD-Hauptstadtstudios nicht mehrheitsfähig.
In die Linke treten gerade viele neue Menschen ein - und damit verschieben sich offenbar auch die politischen Prioritäten. Ein ganz neues Thema kommt auf: Es wird über das eigene Geld diskutiert.
Angestoßen haben das die neuen Parteichefs Ines Schwerdtner und Jan van Aken. Sie fordern einen sogenannten Diätendeckel. Abgeordnete könnten dann nur noch einen bestimmten Teil ihrer Einnahmen behalten. Der Rest müsste an die Partei abgeführt werden. Schwerdtner hatte auf ihrer Homepage angekündigt, auch als Abgeordnete nur 2.850 Euro netto von ihrer Abgeordnetendiät behalten zu wollen.
"Ein richtig gutes Zeichen"
Bei jungen Mitgliedern kommt das an. Am Rande einer Gedenkveranstaltung in Schönhausen (Elbe) sagt Linken-Mitglied Jasmin Blume dem ARD-Hauptstadtstudio: "Ich glaube, das ist ein richtig gutes Zeichen. Sehr, sehr hohe Diäten führen natürlich auch zu einem Luxusleben und damit auch zu abgehobener Politik." Auch Neu-Mitglied Dustin Wulff sieht das so. Gerade im Hinblick auf soziale Gerechtigkeit sei es essenziell, auf nicht Notwendiges zu verzichten.
Ringen um Formulierungen für den Parteitag
Doch viele in der Partei sehen das nicht so. Es ist ein Streit ums Geld entbrannt, der auch den Parteitag in Chemnitz erreicht und dem neuen Führungsduo seien ersten parteiinternen Konflikt beschert. Im ursprünglichen Leitantrag für den Parteitag ist davon die Rede, dass Abgeordnete einen Teil ihrer Diäten an Sozialfonds der Partei spenden sollten. Schon das ist weit weg von Schwerdtners 2.850 Euro netto.
Doch selbst diese Formulierung ist nicht mehrheitsfähig. Im Parteivorstand am Donnerstag wird die Begrenzung zunächst gestrichen. Schon vorher hat das ARD-Hauptstadtstudio alle Bundestagsabgeordneten der Linken angeschrieben und gefragt, was sie von der Idee von Parteichefin Schwerdtner halten. Bis Freitagnachmittag 16 Uhr stellt sich fast niemand hinter die konkrete Diäten-Begrenzung auf 2.850 Euro. Viele antworten mit einem offenbar abgestimmten, wortgleichen Zitat. Man sei nicht in der Politik, um Karriere zu machen, sondern um mit Herzblut etwas in der Welt zu verändern. Grundsätzlich sei die Idee einer Gehaltsbegrenzung gut, aber erstmal müssten nun viele Detailfragen geklärt werden.
Die Abgeordnete Anne Zerr schreibt dem ARD-Hauptstadtstudio, man habe den Austausch über mögliche Modelle begonnen. "Dabei sind wir uns einig darin, unser Nettoeinkommen an dem bundesdeutschen Durchschnitt von 2.950 Euro netto zu orientieren." Der Abgeordnete Luke Hoß schreibt, er begrenze sein Abgeordnetengehalt auf 2.500 Euro netto.
Anonyme Kritik
Damit ist er aber eine Ausnahme. Mehr als 11.000 Euro brutto beträgt die Abgeordnetendiät aktuell. Nicht alle sehen ein, dass sie auf noch größere Anteile als die schon heute übliche Mandatsträgerabgabe in Höhe von rund 1.680 Euro und eine freiwillige dreistellige Abgabe für einen Fraktionsverein verzichten sollen. Noch will aber niemand öffentlich die Parteiführung angreifen. Anonym sind aber einige bereit zu sprechen. Eine Regelung wie von Parteichefin Schwerdtner vorgeschlagen könne dazu führen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr verdienten als die Abgeordneten, das könne nicht sein. Außerdem mache die Begrenzung anfällig für Nebenjobs. Wer vor seiner Abgeordneten-Tätigkeit Facharbeiter oder Pflegekraft gewesen sei, verschlechtere sich finanziell.
Im Parteivorstand am Donnerstag gibt es keine Mehrheit für den konkreten Vorschlag der Parteichefs. Stattdessen wird ein Kompromiss erarbeitet. Das Vorhaben wird auf die lange Bank geschoben. Die neue Formulierung im Leitantrag lautet nun: "Wir wollen unsere Glaubwürdigkeit stärken, indem wir eine Gehaltsbegrenzung für Europa-, Bundes-, und Landtagsabgeordnete einführen. Dafür (…) entwickeln wir Konzepte. Zur Umsetzung dieser Konzepte schlägt der Parteivorstand bis spätestens 2027 Änderungen der Bundessatzung vor, die dem Bundesparteitag vorgelegt werden."