Austritte bei der Grünen Jugend Gehen oder bleiben?
Der komplette Vorstand der Grünen Jugend ist unzufrieden aus der Partei ausgetreten. Für die noch verbliebenen Mitglieder stellt sich nun die Frage, ob sie sich anschließen. Ein Besuch an der jungen Parteibasis.
Es sind sieben neue Gesichter, die zum Neumitgliedertreffen der Grünen Jugend in Düsseldorf kommen. Seit gerade mal zwei Wochen ist Sonja Bonhage Mitglied. Sie möchte sich politisch engagieren, hat sich informiert, welche Partei für sie die richtige ist und hat dann aber eine klare Entscheidung getroffen: Es sind die Grünen. "Klimapolitik, soziale Gerechtigkeit, die Gleichstellung der Frauen - das sind alles Themen, die mir sehr wichtig sind und deshalb bin ich bei der Grünen Jugend", sagt Bonhage.
Die Anfang-20-Jährige sitzt in einer Reihe mit weiteren interessierten Neu-Grünen. Es ist ein karger Büroraum, an den Wänden hängen Plakate grüner Politik. Paul Rainer Pansky erklärt, was es heißt, bei der Grünen Jugend zu sein, wo sich Mitglieder engagieren können, wie der Parteialltag so abläuft. Er weiß, wovon er spricht: Pansky ist Sprecher der jungen Düsseldorfer Ortsgruppe.
Für ihn sind die Grünen weiterhin die richtige Partei. Er ist froh und stolz, dass gerade in diesen Zeiten, in denen die Grünen bundesweit an Zuspruch verlieren, sich Menschen für die Partei entscheiden und engagieren wollen. "Hier in Düsseldorf zum Beispiel zeigt sich auch in der Kommunalpolitik, wie eine Zusammenarbeit zwischen der Jugendpartei und der Mutterpartei funktionieren kann", erzählt Pansky. Hier werde auf junge Mitglieder gehört, es gebe einen Einfluss.
Enttäuschung über Politik der Partei
Auf Bundesebene haben die zehn Vorstandsmitglieder den aber vermisst. Allen vorweg verkündeten die Bundessprecherinnen Katharina Stolla und Svenja Appuhn gemeinsam mit ihren Co-Vorsitzenden, dass sie von der Politik der Mutterpartei so enttäuscht seien, dass die einzige Lösung der kollektive Rücktritt und Austritt sei.
Die Grünen machten im Endeffekt eine andere Politik, als sie sie gerne machen wolle, sagte Stolla dem ARD-Hauptstadtstudio. Sie sei nicht politisch aktiv geworden, um immer wieder schlechte Kompromisse mittragen zu müssen. "Vor allem für eine Politik geradezustehen, die ich persönlich falsch finde."
Es habe schon einen langen Entfremdungsprozess von der Hauptpartei gegeben, so Stolla. Der Asylkurs sei ihnen zu hart, der Klimaschutz zu inkonsequent geregelt. Dass eine ursprüngliche Friedenspartei immer wieder neuen Waffenlieferungen und einem Sondervermögen zustimmt, halten einige auch für diskussionswürdig.
"Den Frust im Bundesvorstand kann ich verstehen"
In Düsseldorf diskutieren auch Pansky und die Düsseldorfer jungen Grünen über Themen und die Entscheidung des jungen Bundesvorstandes. "Den Frust im Bundesvorstand kann ich verstehen", sagt Pansky. "Ich bin aber der Meinung, dass es ein Schritt in die falsche Richtung ist und dass man eigentlich konstruktiv weiter in der Partei arbeiten sollte."
Wenn nicht die Jungen die grünen Werte in der Partei hochhalten, wer soll es in Zeiten von Koalitionsstreit und Realpolitik sonst tun, fragen sie sich in Düsseldorf. Denn von der Friedens- und Klimapartei ist in der Ampelkoalition nicht viel übrig geblieben, finden sie. Ein konstruktives Arbeiten an den Themen und Fragestellungen sei aber in der Partei eher möglich als außerhalb.
Die Flinte ins Korn zu werfen sei da nicht die Lösung, meint Pansky: "Deswegen ist es umso wichtiger, nicht nur auf der Straße sondern eben auch in den Parlamenten und auch in der Partei selbst Stärke zu zeigen und für den richtigen Kurs der Grünen Partei einzustehen."
Neuer Instagram-Auftritt sorgt für Aufsehen
Den richtigen Kurs wiederzufinden, darauf vertrauen Stolla und ihr Vorstandsteam allerdings nicht mehr. Sie gehen sogar einen Schritt weiter und treten nicht nur aus, sondern gründen auch eine neue linke Bewegung. Für den Noch-Vorstand der Grünen Jugend sei es "Zeit für was Neues". Genauso heißt eine neue ins Leben gerufene Instagram-Seite. Darauf sind seit gestern ein Videotrailer und einige Zitattafeln zu sehen. Es scheint schon länger ihr Plan gewesen zu sein, diesen Weg einzuschlagen - der Auftritt war offenbar vorbereitet.
"Wir merken von Tag zu Tag deutlicher, dass es dringend eine politische Kraft braucht, die Schluss damit macht, wie aktuell Politik gemacht wird", heißt es in einem ihrer Postings. Es brauche "eine politische Kraft, die dafür kämpft, die Wirtschaft endlich in den Dienst des Menschen zu stellen".
Unter den ausgetretenen Mitgliedern befinden sich auch ehemalige junge Grüne, wie die Ex-Bundessprecherin Sarah-Lee Heinrich. Sie schreibt: "Ich möchte endlich Politik machen, die tatsächliche Perspektiven geben kann. Für einen neuen Gesellschaftsentwurf begeistern." Angeschlossen hat sich auch der aktuelle Landesvorstand der niedersächsischen und bayerischen Grünen Jugend.
In Düsseldorf sorgt der neue Instagram-Auftritt bei der Grünen Jugend für Aufsehen. Lilli Hampeter ist seit zwei Jahren Mitglied der Jugendorganisation und will sich nicht anschließen: "Es war für mich weniger überraschend, weil schon länger in der Grünen Jugend viel darüber geredet wurde, wie die Partei sich positioniert und dass sie nicht mehr links genug sei, was ich auch zum Teil teile. Aber ich teile nicht den Umgang damit, dass man sich von der Partei löst. Weil ich glaube, dadurch hat man weniger Einfluss auf die Politik."
Experte skeptisch bei Erfolgsaussichten
Es bleibt trotzdem die Frage, ob die Abspaltung des Bundesjugendvorstandes erst der Anfang war? Werden ihnen noch weitere Parteilinke folgen? Parteienforscher Uwe Jun, der sich viel mit Zersplitterung des Politiksystems befasst, ist da eher skeptisch.
"Wir haben jetzt eine erfolgreiche Abspaltung mit dem BSW gesehen von der Partei Die Linke. Aber normalerweise sind solche Abspaltungen und Neugründungen in der Regel nicht erfolgreich und tun sich ganz schwer. Und das ist auch in diesem Fall nicht sehr wahrscheinlich, dass es sich hier um eine erfolgreiche Neugründung handelt."
Aber Jun ergänzt: "Wir wissen natürlich noch viel zu wenig über das geplante Vorhaben und was am Ende sie genau einbringen wollen und wie sie das Ganze aufstellen wollen." Es ist ein Versuch, der aber auch die Grüne Jugend zu spalten scheint und die Frage stellt, welcher Weg der richtige ist: Gehen oder bleiben?