Krise bei den Grünen Jugendvorstände in drei Bundesländern gehen
Die Liste der Rück- und Austritte bei den Grünen wird länger. Die Vorstände der Jugendverbände in Bayern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz wollen die Partei verlassen. In Hamburg wechselt eine Grünen-Abgeordnete die Fraktion.
Die Krise bei den Grünen nach dem schlechten Abschneiden bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und zuletzt Brandenburg spitzt sich weiter zu. Erst kündigte der Bundesvorstand der Partei um Ricarda Lang und Omid Nouripour seinen Rücktritt an, dann folgten die Vorstandsmitglieder der Grünen Jugend mit der Entscheidung, nicht nur ihre Posten aufzugeben, sondern auch die Partei zu verlassen. Und der Schwund in den Reihen der Grünen setzt sich fort.
Die achtköpfige Spitze der Grünen Jugend Bayern folgt dem Handeln des Bundesvorstands der Jugendorganisation und will geschlossen aus der Partei austreten. Als Grund nannte der Vorstand des Jugendlandesverbandes einen "Entfremdungsprozess" von der Partei "über Monate und Jahre". In einer Mitteilung heißt es: "Viele Entscheidungen, die Grüne in der Regierungsbeteiligung getroffen haben, sowie den aktuellen programmatischen, inhaltlichen und strategischen Kurs können und wollen wir nicht länger mittragen."
Als Beispiele für solche Entscheidungen nannten die Vorstandsmitglieder das Sondervermögen für die Bundeswehr, die Räumung des Braunkohleorts Lützerath, das Bürgergeld und die Reform des europäischen Asylsystems, zudem eine mangelnde Strategie gegen rechts. Zu viele Konflikte habe man mit der Partei geführt "und dabei immer wieder festgestellt, dass die Grünen nicht das linke Projekt sind, das wir uns wünschen", heißt es in der Mitteilung. "Wir glauben nicht mehr, dass wir bei den Grünen und damit auch in der Grünen Jugend so Politik machen können, wie wir uns das vorstellen."
Bis November will der Vorstand der Grünen Jugend Bayern die Geschäfte noch fortführen, dann ist eine Neuwahl geplant.
Auch Vorstand der Grünen Jugend Niedersachsen geht
Auch die Doppelspitze der Grünen Jugend in Niedersachsen zieht sich aus der Partei zurück. Die beiden Mitglieder Rukia Soubbotina und David Christner sehen "unüberwindbare Widersprüche" mit der Partei. "Wir haben in den letzten Jahren wiederholt sehen müssen, wie die Grünen immer weiter davon abrücken, die soziale Frage in den Mittelpunkt zu stellen", sagte Soubbotina. Auch hier standen unter anderem die Sanktionen rund um das Bürgergeld und die Verschärfung der Asylpolitik im Fokus der Kritik.
Doch nicht nur die Spitzen der Jugendverbände brechen den Grünen weg. Auch einzelne Mitglieder sehen ihren Weg künftig in anderen Parteien. Die Hamburger Grünen-Abgeordnete Ivy May Müller will die Fraktion der Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft verlassen und sich als Parteilose der Linksfraktion anschließen. "Ich werde nicht länger für eine Politik der Grünen geradestehen, die Abstiegsängste nicht ernst nimmt und die großen sozialen Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft nicht angeht", schrieb sie in einer Mitteilung
Rücktritt auch in Rheinland-Pfalz - "Nichts mit Ereignissen im Bund zu tun"
Auch in Rheinland-Pfalz ist die Doppelspitze der Grünen Jugend der Partei zufolge zurückgetreten. Dies "hat nach eigenen Angaben nichts mit den Ereignissen im Bund zu tun", teilten die Grünen-Landesvorsitzenden Natalie Cramme-Hill und Paul Bunjes "nach Gesprächen mit der Grünen Jugend" auf Anfrage mit. Die zeitliche Nähe dieser Vorgänge vermittle trotzdem ein anderes Bild, räumten sie ein. Die Doppelspitze der Grünen Jugend selbst ist bislang nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
"Ein falscher Schritt"
Von der "tiefsten Krise" der Partei hatte der scheidende Vorsitzende Nouripour selbst gesprochen, als er gemeinsam mit Lang den bevorstehenden Rücktritt bekanntgab. In Brandenburg und Thüringen verpassten die Grünen den Wiedereinzug in den Landtag, in Sachsen reichte es nur ganz knapp. Auch bei der Europawahl sackte die Partei um 8,6 Prozentpunkte ab. Ein "Neustart" müsse her, darin waren sich Lang und Nouripour einig.
Doch in einem Neustart durch Rückzug sehen nicht alle den richtigen Weg. Er könne den Frust vieler junger Parteimitglieder verstehen, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Julian Pahlke der Nachrichtenagentur dpa. "Ich finde den Schritt des Vorstands der Grünen Jugend aber falsch", kritisierte er. Denn eine starke Grüne Jugend werde weiter dringend gebraucht.
Auch die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katharina Dröge, hatte den angekündigten Parteiaustritt des Bundesvorstandes der Grünen Jugend angeprangert. Die Abgeordnete Renate Künast warf den Mitgliedern eine "nicht realitätstaugliche" Vorstellung von Politik vor.
Die bayerische Landesvorsitzende der Grünen, Eva Lettenbauer, zeigte sich überzeugt, die Grüne Jugend bleibe trotz der jüngsten Entwicklungen ein "kritischer und meinungsstarker Jugendverband". Und sie betonte: "Es stehen schon viele junge Menschen bereit, die Lust haben, weiter in der Grünen Jugend aktiv zu sein."