Stimmung in der Ampel Im Streitmodus
Vor dem Koalitionsausschuss am Sonntag ist die Stimmung in der Ampel gereizt - und die Liste der Streitthemen lang. Vor allem die Grünen und die FDP sticheln gegeneinander - oder teilen aus, wie Robert Habeck. Mit Kalkül?
Robert Habeck ist hier eigentlich nur Gast. Der Bundeswirtschaftsminister steht im Saal des Kulturzentrums "mon ami" in Weimar zwischen Katharina Dröge und Britta Haßelmann. Die beiden Fraktionschefinnen der Grünen haben ihre Abgeordneten zur Klausur nach Thüringen eingeladen.
Habeck verspricht, das Statement zum Auftakt nicht kapern zu wollen. Und macht dann genau das. 50 Sekunden redet er, dann platzt es aus ihm raus: "Es kann nicht sein, dass in einer Fortschrittskoalition nur einer für den Fortschritt steht, und die anderen für die Verhinderung."
Der Wirtschaftsminister wirkt angegriffen, fühlt sich missverstanden. Das Verbot von neuen Öl- und Gasheizungen in Neubauten werde sozial abgefedert. Für untere und mittlere Einkommen werde der Umstieg auf eine Wärmepumpe nicht teurer als eine neue Gasheizung. Alles mitgedacht, alles geplant und vor allem: alles so mit den Koalitionspartnern vereinbart.
Grüne greifen FDP und Scholz an
Dass sich die FDP daran nicht mehr erinnern will, bringt Habeck auf die Palme. Und hier in Weimar bei der Grünen-Fraktion kann er das deutlicher sagen als zu Hause in Berlin als Vizekanzler der Ampel. Sein zweiter Ausbruch am Abend im Interview mit den tagesthemen: wohl kalkuliert.
Bei den Grünen kommt das gut an. Nicht nur Habeck ist genervt, dass die Wärmewende in der Koalition plötzlich wieder infrage steht und beim Klimaschutz nicht sehr viel vorangeht. Als Bremser sehen die Grünen vor allem die FDP und Bundesverkehrsminister Volker Wissing, der unter anderem die Klimaziele im Verkehrsbereich nicht einhält. Vom SPD-Kanzler wünschen sie sich mehr Führung. Olaf Scholz solle sich in der EU klar zum Verbrenner-Aus bekennen.
Klingbeil mahnt
Bei der SPD sind solche Ratschläge alles andere als willkommen. Aber Parteichef Lars Klingbeil teilt im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio die Analyse der Grünen: "Der öffentliche Streit der letzten Tage, das gegenseitige Vorhalten, das ist nicht das, was wir gerade brauchen, um das Land voranzubringen." Die Ampel müsse "in einen anderen Arbeitsmodus kommen", mahnt Klingbeil.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert geht hingegen zum Gegenangriff über: Er sieht Habeck unter Druck. "Aber ich glaube, man sollte mit dem Druck nicht so umgehen, dass man jetzt einfach in alle Richtungen deswegen koffert", so Kühnert.
Die FDP bleibt dagegen bei ihrer Kritik an den Heizungsplänen von Habeck und Bauministerin Klara Geywitz (SPD). Fraktionschef Christian Dürr lässt wissen, er halte Habecks geplante Förderprogramme für nicht finanzierbar. Allein auf die Wärmepumpe zu setzen, sei auch falsch. Nach einer Einigung klingt das nicht.
Fortschritt oder Stillstand?
Dabei ist die Ungeduld der Grünen bei der Klausur in Thüringen jede Minute zu spüren. Fraktionschefin Dröge mahnt, in der Koalition müsse sich endlich wieder etwas bewegen. Das klingt nicht nach Fortschrittskoalition, sondern eher Stillstandskoalition.
Die Grünen nutzen die Aufmerksamkeit ihrer Klausur, um den Ton zu setzen für den Koalitionsausschuss am Sonntag. Doch das ist auch ein Risiko. Schließlich ist Bundeskanzler Scholz dafür bekannt, auf Druck von außen eher abwehrend zu reagieren.
Dröge will die klaren Worte aus Weimar als Einladung an SPD und FDP verstanden wissen, mehr miteinander zu arbeiten statt gegeneinander. Dem ARD-Hauptstadtstudio sagt sie, sie gehe davon aus, dass der Bundeskanzler das ähnlich sieht und auch er wolle, dass die Koalition als Team zusammenarbeitet.
Rückbesinnung auf "Team Ampel"
Plötzlich sprechen die Grünen bei ihrer Klausur vom "Team Ampel" und betonen die Gemeinsamkeiten in der Gesellschaftspolitik. Grünen-Parteichefin Ricarda Lang verweist im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio auf die gemeinsamen Beschlüsse der Koalition wie das sogenannte Deutschlandticket oder die Wahlrechtsreform.
Sie hofft, dass das auch beim Klimaschutz hilft: "Wir haben da ein paar große Knoten, die sich in der letzten Zeit angestaut haben. Jetzt ist es doch an der Zeit, die Knoten zu durchschlagen."
Viele Knoten vor Koalitionsausschuss
Ob der Knoten auch bei den Heizungen durchschlagen wird, ist offen. Noch ist nicht klar, ob die Wärmewende beim Koalitionsausschuss überhaupt auf der Tagesordnung stehen wird. Auf jeden Fall wollen SPD, Grüne und FDP das Thema Planungsbeschleunigung besprechen.
Während die Grünen vor allem Schienen und Stromnetzte schneller planen und bauen wollen, pocht die FDP auf das gleiche Tempo beim Straßenbau. Der Kompromiss, auch den Brückenbau zu beschleunigen, liegt seit Monaten auf dem Tisch.
Nur eines betonen alle drei Koalitionspartner: Haushaltsverhandlungen werden am Sonntagabend nicht geführt. Und damit werden auch Themen wie den Grünen so wichtige Kindergrundsicherung vertagt. Der Konfliktstoff geht der Ampel nicht aus.