Ampel-Regierung Warum die FDP oft dagegen ist
Verbrenner-Aus, Waffenrecht, Haushalt: Die FDP wirkt wie eine "Dagegen-Partei" in der Regierung. Doch der Streit in der Ampel zeigt auch: Es geht um was - nicht nur für die FDP.
Wenn der bayerische FDP-Politiker Daniel Föst im Bundestag ans Rednerpult tritt, kann sich Bauministerin Klara Geywitz (SPD) auf etwas gefasst machen: Kaum ein Abgeordneter fordert so offensiv mehr Anstrengungen für den schwächelnden Wohnungsbau wie der FDP-Mann Föst.
Aber auch der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck hat einen Gegenspieler aus den Reihen der Ampelkoalition: den Hamburger Liberalen Michael Kruse, der die Pläne Habecks für ein weitgehendes Verbot von Gas- und Ölheizungen schon mal als "Verschrottungsorgie" geißelt. Nicht zu vergessen die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die im vergangenen Jahr zu den härtesten Kritikerinnen der Ukraine-Politik der Bundesregierung gehörte.
Harmonisch geht anders
Wohnungsbau, Energiepolitik, Verteidigung - das sind nur drei Beispiele, in denen FDP-Politiker ganz eigene Akzente in der Ampelkoalition setzen. Dazu kommen die aktuellen Diskussionen um den Bundeshaushalt, das Verbrenner-Aus auf EU-Ebene, die Beschleunigung von Verkehrs-Infrastrukturprojekten oder eine Verschärfung des Waffenrechts. Harmonisch geht anders.
Dabei steht für die FDP viel auf dem Spiel. Für sie war der Weg in die Ampel am weitesten, wie auch Sozialdemokraten und Grüne zugestehen. Vor der Bundestagswahl 2021 hatte FDP-Chef Christian Lindner noch auf eine Koalition unter Führung der Union gesetzt, sich dann aber für das Bündnis mit SPD und Grünen entschieden - aus "staatspolitischer Verantwortung", wie er sagte.
Politisch ist das der Partei bislang nicht gut bekommen, wenn man sich die Ergebnisse der Landtagswahlen anschaut: In Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein flog die Partei aus der Regierung, in Niedersachsen und Berlin sogar aus dem Parlament.
Droht das Image als "Dagegen-Partei"?
Als Konsequenz aus den Niederlagen will Parteichef Lindner das eigene Profil schärfen. Die FDP müsse Garant für eine Politik der Mitte sein - "mögen andere über Verbote, neue Steuererhöhungen oder neue Schulden nachdenken". Innerhalb der Koalition wird das häufig als Blockadehaltung wahrgenommen. Und auch in der FDP warnen manche vor dem Image einer "Dagegen-Partei".
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai begegnet diesem Vorwurf offensiv: "Wenn schwachsinnige Positionen vorliegen, dann sagen wir Nein." Dort wo Themen in die falsche Richtung liefen, sei es vielmehr Pflicht der FDP, dies innerhalb der Koalition auch klar zu sagen.
Keine weitere Verschuldung
Und dabei geht es aus Sicht der Liberalen um Grundsätzliches: um solide Finanzen, eine wachstumsfreundliche Wirtschaftspolitik und das Verhältnis von Staat und Markt. Auch der Leitantrag für den Bundesparteitag Ende April in Berlin soll sich dieser Thematik widmen.
Mit der Verschiebung des Kabinettsentwurfs zum Bundeshaushalt hat Lindner als Finanzminister deutlich gemacht, dass er den weiteren Weg in die Verschuldung stoppen will: "Ich werde das Problem, dass wir ein strukturelles Defizit haben, lösen", sagte Lindner im Bericht aus Berlin. Zwar könne der Staat mit deutlich steigenden Steuereinnahmen rechnen, doch die Ausgabenwünsche der Ministerien würden noch stärker steigen - das sei mit ihm nicht zu machen.
Steigende Zinslast
Es ist ein wichtiges Signal, gerade angesichts der steigenden Zinsen. Wirkte es wegen Minuszinsen bis vor anderthalb Jahren noch so, als wäre Schuldenmachen für den Staat ein Geschäft, hat sich die Belastung des Haushalts für die Schuldenfinanzierung inzwischen vervielfacht. Dabei sind die Schulden im regulären Staatshaushalt das eine. Hinzu kommen noch die milliardenschweren Sondervermögen für die Bundeswehr, die Energiepreisbremsen und Klimaschutzmaßnahmen.
Sie alle wurden von Lindner so gestaltet, dass die Schuldenbremse des Grundgesetzes formal eingehalten werden konnte. Dafür ist der FDP-Finanzminister vielfach gescholten worden, unter anderem vom Bundesrechnungshof. Würde er nun den Ausgabewünschen seiner Kabinettskollegen vollständig nachkommen, hätte er sich die trickreichen Umgehungen des Haushalts in seinem ersten Amtsjahr auch sparen können.
Doch es geht nicht nur um Lindners Reputation und die Höhe der Zinszahlungen. Aus Sicht der FDP und vieler Ökonomen sind Schulden außerhalb von Krisenzeiten kein geeignetes Mittel, um die Wirtschaft anzukurbeln. Genau darauf kommt es aus Sicht von Lindner aber jetzt an - auch aus politischer Sicht: Eine Wiederwahlchance habe die Ampelkoalition nur, wenn Deutschland wieder auf die wirtschaftliche Erfolgsspur zurückkomme, sagt Lindner. Steuererhöhungen wären dagegen Gift fürs Wachstum.
Technologieoffenheit in der Klimapolitik?
Schließlich zeigt sich auch in den oft kleinteilig wirkenden Diskussionen um das Verbrenner-Aus oder um Öl- und Gasheizungen eine grundsätzliche Thematik. "Mein Rat ist, dass wir die Klimaziele ernsthaft verfolgen, aber bei den Technologien generell offen sind", sagt Lindner. Auch ein Expertenrat der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina plädierte im Einklang mit der Position der FDP jüngst für Technologieoffenheit in der Klimapolitik.
Weniger Verbote, stattdessen ein Rahmen, in dem die Wirtschaft nach kreativen Lösungen suchen kann - das stößt auch in der Wirtschaft auf viel Gegenliebe. BDI-Präsident Siegfried Russwurm springt den Liberalen denn auch beim Streit zwischen Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) bei: "Was die Infrastruktur in Deutschland angeht, ist es völlig unangemessen, Bahn gegen Straße auszuspielen - wir brauchen beides."
FDP kann auf den Kanzler setzen
Bei strittigen Themen wie diesen kann die FDP häufig auf die Unterstützung durch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zählen. So stellte sich Scholz nach der jüngsten Kabinettsklausur in Meseberg hinter die Position der FDP zum Verbrenner-Aus. Die EU-Kommission werde einen Vorschlag machen, "wie E-Fuels nach 2035 eingesetzt werden können".
In einem Gespräch mit Lindner und Vizekanzler Habeck soll Scholz kürzlich auch klar gemacht haben, dass - wie im Koalitionsvertrag vereinbart - weder die Schuldenbremse angetastet noch Steuern erhöht werden sollten.
Die Nähe des Kanzlers zu solchen FDP-Positionen dürfte inhaltlich begründet sein, aber auch mit taktischen Erwägungen zusammenhängen: Es gilt, die FDP bei der Stange zu halten - schließlich stehen für die Liberalen in diesem Jahr noch drei kritische Landtagswahlen an: Im Mai in Bremen, im Oktober in Bayern und Hessen. Debatten über ein mögliches Auseinanderbrechen der Koalition kann Scholz da überhaupt nicht gebrauchen. Lieber Diskussionen innerhalb der Ampel, bei denen die drei Regierungsparteien ihre Positionen gegenüber den eigenen Anhängern herausstellen können. Und keine Partei braucht dies gerade mehr als die FDP.