Debatte um Verschärfung Was die Streitpunkte beim Waffenrecht sind
Nach der Amoktat von Hamburg will Bundesinnenministerin Faeser das Waffenrecht verschärfen - und zwar stärker, als ohnehin schon geplant. Der Koalitionspartner FDP bleibt bei seiner Kritik. Was sind die Knackpunkte?
Bundesinnenminister Nancy Faeser hat nach den tödlichen Schüssen von Hamburg angekündigt, ihren Entwurf zur Änderung des Waffengesetzes noch einmal zu überprüfen. Im Raum steht eine weitere Verschärfung.
Was Faeser beim Waffenrecht plant
Bundesinnenministerin Faeser will, dass künftig bei jedem Antragssteller für eine Waffenbesitzkarte überprüft wird, ob dieser "psychologisch geeignet ist". Das sagte die SPD-Politikerin in den tagesthemen.
Die Prüfung, die derzeit nur für Unter-25-Jährige vorgesehen ist, müsse in Zusammenarbeit mit den Gesundheitsbehörden erfolgen. "Wir wollen, dass künftig die Waffenbehörde nicht nur bei den Sicherheitsbehörden und der örtlichen Polizei abfragt, sondern auch bei den Gesundheitsbehörden", sagte Faeser. Auch sollten nicht nur Antragsteller bis 25 Jahre ein ärztliches oder psychologisches Gutachten vorlegen müssen, sondern künftig auch ältere Menschen.
Faeser kündigte zudem an, auch ein Verbot von halbautomatischen Pistolen prüfen zu lassen. Damit geht sie über einen Entwurf für eine Verschärfung des Waffenrechts hinaus, den ihr Ministerium erst im Januar erarbeitet hatte.
Dem Entwurf zufolge sollen besonders gefährliche halbautomatische Schusswaffen, die optisch Kriegswaffen ähneln, für Privatleute verboten werden. Halbautomatische Pistolen gehörten bislang nicht dazu, anders als etwa Sturmgewehre.
Schon jetzt allerdings müssen solche halbautomatischen Gewehre, die so aussehen, dem Bundeskriminalamt zu Prüfung vorgelegt werden. In einem sogenannten Feststellungsbescheid wird dann bescheinigt - oder auch nicht - dass es sich dabei nicht um eine Kriegswaffe handelt.
Für den Erwerb und den Besitz von Schreckschuss-, Reizgas- oder Signalwaffen soll nach den Plänen aus dem Bundesinnenministerium künftig der sogenannte Kleine Waffenschein inklusive Sachkundenachweis verlangt werden. Auch für Armbrüste soll ein Kleiner Waffenschein Vorschrift werden.
Faeser begründete die Pläne mit dem Auffliegen einer offenbar militanten "Reichsbürger"-Gruppe und den Silvester-Krawallen in Berlin. Sie berief sich zudem auf die Anschläge von Halle und Hanau.
Warum die Debatte jetzt wieder aktuell ist
Auslöser der Diskussion ist eine neuerliche Amoktat. In Hamburg erschoss der 35-jährige Philipp F. am Donnerstagabend sieben Menschen und sich selbst. Acht Menschen wurden verletzt, zum Teil lebensgefährlich. Die Tatwaffe laut Polizei: eine halbautomatische Pistole, mit der F. mehr als 130 Mal schoss. Die Waffe soll F., ein Sportschütze, seit wenigen Monaten legal besessen haben.
Als Extremist war Philipp F. nach Angaben aus Sicherheitskreisen nicht bekannt. Die Waffenbehörde soll ihn aber im Februar aufgesucht haben. Die Behörde hatte einen anonymen Hinweis auf eine mögliche psychische Erkrankung von F. erhalten. Doch damals habe es keine relevanten Beanstandungen gegeben, sagte Ralf Martin Meyer, Polizeipräsident Hamburg. Die rechtlichen Möglichkeiten seien damit ausgeschöpft gewesen.
Warum die FDP beim Waffenrecht bremst
Während der grüne Koalitionspartner die gleichen Forderungen wie Faeser erhebt, gibt es bei der FDP Vorbehalte. Ihre Politiker verweisen auf den Koalitionsvertrag. Dort haben die Ampelparteien verabredet, das Waffenrecht zunächst zu evaluieren und bestehende Kontrollmöglichkeiten "effektiver" auszugestalten. Auf die ausstehende Evaluation verwies Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) bereits im Januar, als Faesers erster Entwurf bekannt wurde. Diese Evaluation müsste zunächst erfolgen. Man müsse die bestehenden "strengen Waffengesetze" besser durchsetzen, so Buschmann gegenüber der "Augsburger Allgemeinen".
Nach der Tat von Hamburg äußern sich Parteikollegen ähnlich. FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle sagte der Funke Mediengruppe: "Ohne präzise Aufarbeitung der Hintergründe verbieten sich Forderungen nach gesetzgeberischen Konsequenzen." Schon heute sei im Waffenrecht "unmissverständlich" geregelt, dass psychisch kranke Menschen keine Schusswaffen besitzen dürfen. Als FDP bleibe man skeptisch, so Kuhle in der tagesschau.
Vize-Parteichef Wolfgang Kubicki sagte dem Fernsehsender Welt: "Die natürliche Reaktion, zunächst alles verbieten zu wollen, verbietet sich. Das ist eine menschlich nachvollziehbare Reaktion, aber sie hilft im Zweifel nicht weiter."
Was Experten zu einer Verschärfung sagen
Jochen Kopelke, Vorsitzender der Deutschen Gewerkschaft der Polizei (GdP), drängt auf schnelles Handeln. Es brauche unverzüglich eine Verschärfung, so Kopelke gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Dafür müsse keine Evaluation bisheriger Reformen abgewartet werden. Die GdP spricht sich für mehr Personal in den Behörden und eine bevorzugte Prüfung von möglichen Waffenbesitzern in den Gesundheitsämtern. Auch solle der Privatbesitz von Waffen beschnitten werden.
Anders sehen es viele Jagd- und Sportschützen. Friedrich Gepperth, Vorsitzender des Interessenverbände "Forum Waffenrecht", lehnt eine Verschärfung des Waffengesetzes ab. Bestehende Kontroll- und Entzugsmöglichkeiten müssten nur angewandt und vollzogen werden müssen, heißt es in einer Mitteilung des Forums. So hätte die Hamburger Waffenbehörde dem Täter bereits nach geltendem Recht eine "psychologische Begutachtung aufgeben" können. Die Hürden dafür seien "denkbar niedrig", so Gepperth.
Wie es nun weitergeht
In Hamburg gehen die Ermittlungen weiter, dabei dürfte es auch um die Frage gehen, ob die Tat hätte verhindert werden können. Auch die politische Diskussion hat gerade erst begonnen. Bislang steht das Thema Waffenrecht allerdings nicht auf der Tagesordnung im Innenausschuss des Bundestages. Die SPD-Innenminister der Länder hat Faeser hinter sich. Nach einem Treffen mit Faeser in Bremen sprachen sie sich für ein schärferes Waffenrecht in Deutschland aus.