Streit um den Haushalt Grün-gelbe Beef-Briefe
Die Grünen sorgen sich offenbar, dass für ihre Herzensprojekte nicht genügend Geld da ist. Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner sind darüber aneinandergeraten - in einem ungewöhnlichen Briefwechsel.
Als Finanzminister muss man ständig auf der Hut sein. Alle wollen immer nur mehr Geld von einem.
So geht es auch Christian Lindner. Der hat wegen Zeitenwende und Energiekrise eh schon so viele neue Schulden aufnehmen müssen wie kein Finanzminister vor ihm. Seine Lust, noch weiter in die Miesen zu gehen, hält sich in Grenzen.
Doch seine Kabinettskolleginnen und Kollegen interessiert das wenig. Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat schon angemerkt, dass die Bundeswehr künftig deutlich mehr Geld brauche. Auch die FDP hat mit der Aktienrente ein teures Projekt durchgesetzt. Die Grünen plagt offenbar die Sorge, dass nun für ihre Herzensprojekte kein Geld mehr da ist.
"Sehr geehrter Kollege"
Vizekanzler Robert Habeck hat dem Finanzminister deshalb einen Brief geschrieben. Die Regeln zur Einhaltung der Schuldenbremse seien vereinbart und würden von grüner Seite nicht in Frage gestellt, heißt es darin. Es seien aber alle gefordert, neue und alternative Wege zu finden, um vereinbarte politische Projekte möglich zu machen. Da dafür noch keine Vorschläge auf dem Tisch lägen, könne man die Eckwerte für den Haushalt 2024 so auch nicht akzeptieren.
Habeck schlägt Lindner vor, über den Abbau umweltschädlicher Subventionen und die Verbesserung von Einnahmen zu beraten. Übersetzt heißt das zum Beispiel: Abschaffung der Pendlerpauschale und Steuererhöhungen.
Aber es ist nicht nur der Inhalt, mit dem Habeck auf Konfrontation mit Lindner geht. Eigentlich duzen sich die beiden Minister. Im Brief redet Habeck Lindner aber nur mit einem distanzierten "Sehr geehrter Kollege" an. Das sei zumindest ungewöhnlich, heißt es aus Koalitionskreisen.
Ironie und Belehrungen
Dass der Finanzminister das ähnlich empfindet, zeigt seine schriftliche Antwort. Auf zwei Seiten geht der FDP-Politiker auf die Vorschläge Habecks ein. Sein Brief ist gespickt mit ironischen Anspielungen. Zunächst schreibt Lindner, er habe mit Erleichterung aufgenommen, dass die Grünen geführten Ministerien das Grundgesetz nicht in Frage stellten. Eine Anspielung auf Habecks Anerkennung der Schuldenbremse.
Dann folgt eine Belehrung in Staatsrecht: Die politischen Vorhaben des Koalitionsvertrages seien verfassungsrechtlich nachrangig gegenüber der Einhaltung des Grundgesetzes. Die dort verankerte Schuldenbremse sei für den Staat zudem ökonomisch weise. Auch Habecks Wunsch nach Beratungen über "Einnahmeverbesserungen" weist Lindner zurück.
Für die FDP-geführten Ministerien dürfe er feststellen, dass Steuererhöhungen oder sonstige Mehrbelastungen ausgeschlossen seien. Geboten dagegen "Ideen, zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands". Auch in seiner Grußformel am Schluss geht Lindner ironisch auf Habeck ein. Er grüße "freundlich als Ihr Kollege" - eine Anspielung auf Habecks "Sehr geehrter Kollege".
Die Torte ins eigene Gesicht
Natürlich sind solche Kämpfe im Vorfeld von Haushaltsverhandlungen normal. Es ist nur nicht üblich, dass sich Minister solche Briefe schreiben. So etwas wird üblicherweise der Staatssekretärsebene überlassen. Minister telefonieren eher miteinander.
Der Politikwissenschaftler Thorsten Faas hält das Ganze für einen ungewöhnlichen Vorgang. "Die Briefe über die Öffentlichkeit so zu spielen und einen solchen ironischen Ton anzuschlagen ist nicht üblich", sagt Faas dem ARD-Hauptstadtstudio.
Auch im Haushaltsausschuss des Bundestages scheint man interessiert zugeschaut zu haben: Erklärlich sei der Habeck-Brief nur durch Unerfahrenheit und Missmanagement. Aus Koalitionskreisen heißt es, der Wirtschaftsminister habe gedacht, er könne Lindner unter Druck setzen. Das habe aber nicht funktioniert - und so sei die Torte für Lindner in Habecks Gesicht gelandet.
Auch Unterstützung für Habeck
Aber der grüne Vizekanzler bekommt auch Unterstützung aus der Koalition. Der linke SPD-Abgeordnete Sebastian Roloff sagte dem ARD-Hauptstadtstudio, auch aus Sicht der SPD müssten die Koalitionsvorhaben - insbesondere die sozialpolitischen Themen - wie verabredet umgesetzt werden. "Da verstehe ich, dass der Wirtschaftsminister beim Blick auf die Haushaltseckwerte nicht zufrieden ist."
Lindner dürfe gern an der Einnahmenseite schrauben, wenn er feststelle, dass er Projekte nicht finanziert bekomme: "Sich nur dagegenzustellen ist keine zukunftssichernde Politik."