BSW und Wagenknecht Die Sache mit dem Regieren
Von Null auf die Regierungsbank in nicht mal zwölf Monaten: Das könnte dem BSW in drei Bundesländern gelingen. Doch wie steht Gründerin Wagenknecht dazu? Zum Verhandlungsergebnis in Thüringen findet sie deutliche Worte.
Es ist kein wirkliches Geheimnis, dass Sahra Wagenknecht vor allem ein Ziel hat - und das heißt: Bundestagswahl. Für sie war immer klar, dass sie in keinem der Bundesländer selbst kandidiert, sondern dass sie die Chefin einer möglichst großen BSW-Fraktion im nächsten Bundestag sein will.
Gelungen sind ihr die bisherigen Wahlerfolge in drei Bundesländern mit einer teilweise drastischen Kritik an der Außen- und Verteidigungspolitik der Bundesregierung und der Union. Also mit Themen, die nach europäischer und bundesstaatlicher Ordnung nicht in den Ländern entschieden werden.
Das aber interessiert Wagenknecht wenig. Sie hat die Zustimmung vieler Menschen im Wahlkampf erlebt, sie lässt sich für ihre außenpolitischen Positionen auf ihrem Social-Media-Kanälen feiern. Man kann wohl davon ausgehen, dass einer politischen Strategin wie Wagenknecht bewusst ist, dass laute Kritik an der sowieso schon gescholtenen Ampel-Regierung das BSW für Wählerinnen und Wähler attraktiver macht als die Regierungsbeteiligung in Ländern mit überschaubarem Einfluss auf die Bundespolitik.
Brandenburg: "Sehr guter Kompromiss"
Dass das BSW - in Absprache mit Wagenknecht - in Brandenburg so deutlich auf die SPD zugeht, scheint die Ausnahme von der Regel zu sein. Dort hat Wagenknecht schon in den vergangenen Wochen immer wieder darauf hingewiesen, dass sie ein Zweierbündnis nur mit der SPD deutlich attraktiver für das BSW findet. Das jetzt vorliegende Papier für eine Koalition in Brandenburg bezeichnet Wagenknecht als "sehr guten Kompromiss" und sagt, dass sie sich freue, "dass wir in Koalitionsverhandlungen eintreten".
Sie betont aber eben auch, dass sich in diesem Papier eine deutliche Kritik an den Raketen-Stationierungen wiederfindet. Ihr Credo in der für das BSW so wichtigen Frage von Krieg und Frieden hat sich also durchgesetzt.
Andere Lage in Thüringen
Und in Thüringen? Dort agiert für das BSW Katja Wolf. Die Fraktions-Chefin des BSW im Erfurter Landtag genießt nicht nur politische Achtung, sie gilt auch als "wild entschlossen", mitzuregieren. Doch ihre möglichen Koalitionspartner, CDU und SPD, signalisierten ihr in den vergangenen Wochen, dass man nicht zum Erfolg käme, wenn man weiter das Gefühl habe, man hinge am Gängelband von Frau Wagenknecht.
Die Thüringer Lösung ist ein Papier, dass jetzt vorliegt, mit dem schönen Namen "Mut zur Verantwortung. Thüringen nach vorne bringen" - und das bei den strittigen außenpolitischen Themen zu Waffenlieferungen an die Ukraine oder der Stationierung von amerikanischen Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden lediglich beschreibt, dass man sich nicht einig ist. "We agree to disagree" soll in Thüringen die Lösung sein für Koalitionen auf Landesebene, die sowieso keinen oder nur sehr beschränkten Einfluss auf deutsche Außen- oder Verteidigungspolitik haben. Jedoch: Das wird Sahra Wagenknecht nicht gefallen.
"Ein umso größeres Problem"
Offenbar kannte Wagenknecht das Thüringer Papier nicht, bevor es in Erfurt vorgestellt wurde. Nur gut zwei Stunden nach dem Durchbruch in Erfurt sagt die BSW-Chefin im fernen Saarland: "Ich bedaure, dass der in Thüringen abgesegnete Text weit hinter dem zurückbleibt, was wir in Brandenburg erreicht haben."
Und sie betont: "Natürlich müssen wir in diesen Koalitionsverhandlungen Rückgrat beweisen, weil unsere Wählerinnen und Wähler große Erwartungen in uns gesetzt haben. Ich finde es deshalb ein umso größeres Problem, wenn CDU und SPD das Gefühl bekommen, dass wir uns wichtige, fundamentale Positionen so leicht wegverhandeln lassen. Dann wird es natürlich auch in den Verhandlungen zu landespolitischen Themen nicht leicht werden." Das klingt nach einer Drohung und so soll es wohl auch sein.
Wagenknecht zieht sich mit ihrer Zustimmung zur SPD-BSW-Koalition in Brandenburg auf die Position zurück, dass sie nach Sachthemen entscheidet, ob das BSW in Koalitionen eintritt oder nicht. Eine komfortable Position. In Thüringen dagegen glaubt man, dass man ohne das Placet der mächtigen Parteigründerin aus dem Saarland agieren und zukünftig regieren kann. Das wird noch zu Konflikten führen.