Israel am 7. Oktober Entschlossene Regierung - Zweifel bei Überlebenden
Die israelische Regierung präsentierte sich am Jahrestag des Hamas-Massakers kämpferisch und entschlossen. Doch im Land gibt es auch Zweifel und Frustration.
Am Beginn der heutigen Kabinettssitzung trug ein Regierungssekretär ein jüdisches Gebet vor, das den Segen von Gott für die Geiseln, für die Soldaten und für die Opfer der Terrorattacke der Hamas erbittet. Die eher feierliche Stimmung wechselte schnell ins kämpferische. Israels Premier Benjamin Netanyahu zeigte sich entschlossen.
"Wir werden in einer Art und Weise zurückschlagen, die der Feind noch nicht kannte und wir werden ihm einen Preis abverlangen, den er nicht kannte", verkündete Netanyahu. Israel würde siegen. "Seit diesem schwarzen Tag kämpfen wir. Das ist ein Krieg um unsere Existenz. Es ist unser Auferstehungskrieg", erklärte er weiter.
Expertin zweifelt an Regierungsdarstellung
Es sind markige Worte eines Ministerpräsidenten, der liefern muss. Denn noch ist keines der Kriegsziele erreicht. Militärexperten wie die frühere stellvertretende Nationale Sicherheitsberaterin Talia Lankri haben Zweifel an Verlautbarungen der Regierung, wonach die Hamas militärisch besiegt sei.
"Wenn es der Hamas gelingt, an diesem Tag Raketen abzufeuern, und wenn parallel dazu auch ein weitreichender Beschuss bis Haifa aus dem Norden kommt, dann ist davon auszugehen, dass bei der Hamas sowohl die Fähigkeiten als auch eine Abstimmung vorhanden sind", sagte Lankri. Die Hamas hätte immer noch die Kontrolle - und das beunruhige sie viel mehr als die Raketen, führte sie aus.
"Wir kämpfen den Kampf der freien Welt"
Als auf dem Gelände des Nova-Musikfestivals die Gedenkveranstaltung um Punkt 6.29 Uhr ihren Höhepunkt erreichte, feuerte die Hamas von Chan Yunis aus mehrere Raketen auf Israel ab. Die Armee antwortete mit heftigem Artilleriefeuer. Damit sei man einer erneuten Bedrohung aus dem Gazastreifen durch die Hamas zuvorgekommen, hieß es.
Bei der Gedenkveranstaltung in Re'im war auch Staatspräsident Izchak Herzog zu Gast. Er traf sich nach der Zeremonie mit Angehörigen der Opfer und der Entführten. Die noch im Gazastreifen verschleppten Geiseln bezeichnete das israelische Staatsoberhaupt als "Narbe der Menschheit".
Herzog hatte eine Botschaft an die verbündeten Staaten, in denen die Kritik an Israels hartem militärischen Kurs immer lauter wird. "Die Welt muss erkennen und verstehen, dass sie Israel in seinem Kampf gegen seine Feinde unterstützen muss, um den Lauf der Geschichte zu ändern." Nur so könne der Region Frieden und eine bessere Zukunft gebracht werden. "Wir kämpfen den Kampf der freien Welt", erklärte Herzog.
Frustration im Kibbuz
Auch Arrie Tzuk, ein pensionierter Polizist, hielt heute die Gedenkfeier in seinem zerstörten Kibbuz Kfar Aza ab, einer jüdischen Gemeinschaftssiedlung in Israel. Der 7. Oktober vergangenen Jahres habe jegliches Leben im Kibbuz ausgelöscht, sagte er frustriert und traurig. Und richtete dabei den Blick Richtung Gaza, denn Gaza-Stadt liegt nur wenige Kilometer entfernt.
"Wir haben hier einen kleinen Kibbuz. Ich lebte dort mit meinen drei Kindern und ihren Familien. Und jetzt gibt es hier keine Kinderstimmen mehr. Hier gibt es keine Menschen", sagte Tzuk. Sie würden in Gaza keine Waffen mehr akzeptieren, sagte er. "Sie werden keine Armee mehr haben und keine Waffen. Das wird nicht passieren", ergänzte der ehemalige Polizist.