Jahrestag "Charlie Hebdo"-Anschlag "Wir zeichnen, was wir wollen"
Der Stift ist noch immer spitz: Acht Jahre ist der islamistische Anschlag auf "Charlie Hebdo" her. Zum Jahrestag widmet sich das Satiremagazin dem Aufstand im Iran und nimmt das Regime aufs Korn. Teheran reagierte empört.
Vor kreischend gelbem Hintergrund hockt eine gigantische Frau in Gebärstellung. Splitternackt. Und in ihre Vagina wandern kleine Zwerg-Ajatollahs. Das ist das Titelbild der neuesten "Charlie Hebdo"-Ausgabe. Darunter steht: "Mullahs, geht dahin zurück, wo ihr herkommt."
30 weitere Karikaturen haben die Macher abgedruckt - allesamt Einsendungen aus einem Wettbewerb, den die Redaktion ausgerufen hat, sagte Laurent Sourisseau, der unter seinem Pseudonym Riss bekannt ist.
"Viele dieser Zeichnungen zeigen Frauen, wie sie die Rollen umdrehen", erklärte der publizistische Leiter des Satiremagazins. "Frauen, die Mullahs steinigen, oder die Mullahs mit dem Lasso einfangen, als wären es Rinder." In diesen Zeichnungen werde deutlich, dass die Angst endlich das Lager wechseln soll.
Teheran bestellt französischen Botschafter ein
300 Einsendungen aus aller Welt hat die Redaktion erhalten. Viele Exiliraner haben sich beteiligt, aber auch einige besonders Mutige, die nach wie vor im Iran leben. Das Regime in Teheran hat bereits reagiert. Die Veröffentlichung dieser Karikaturen sei unschicklich und beleidigend. Man erlaube der französischen Regierung nicht, solche Grenzen zu überschreiten.
Teheran kündigte an, das französische Forschungsinstitut IFRI im Iran zu schließen. Außerdem wurde der französischer Botschafter in Teheran einbestellt. Die französische Außenministerin Catherine Colonna wiederum reagierte kühl. "Es ist doch der Iran, der schlechte Politik macht, der Gewalt gegen das eigene Volk ausübt" sagte sie im Fernsehsender LCI.
Sie wolle in Erinnerung rufen, dass in Frankreich Meinungsfreiheit herrscht - im Gegensatz zum Iran. "Unsere Justiz wacht über diese Meinungsfreiheit, auch das ist dem Iran fremd. Und: In unserem Recht gibt es keinen Straftatbestand der Gotteslästerung", erklärte Colonna.
Iran: Paris setzt Islamfeindlichkeit nichts entgegen
Der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Nasser Kanaani, machte dennoch Frankreichs Regierung verantwortlich und forderte eine Erklärung. Die französischen Behörden täten nichts gegen Islamfeindlichkeit und gegen die - seiner Auffassung nach - andauernde "Aufstachelung zum rassistischen Hass" gegen Muslime.
Karikaturist Riss hingegen stellte in einem Interview mit dem Sender France Info fast amüsiert fest, dass man die Ajatollahs nur mit ihren eigenen Waffen schlage: "Ich erinnere daran, dass es 1993 auch Mullahs waren, die dazu aufgerufen haben, den mit einer Fatwa belegten Autor der Satanischen Verse, Salman Rushdie, zu karikieren." Es sei eine politische Waffe der Mullahs, die "Charlie Hebdo" nun nutze, und sie gegen die Mullahs selbst richte.
"Wir dürfen zeichnen, was wir wollen"
Riss steht seit dem Attentat im Januar 2015, das er nur knapp überlebte, unter permanentem Polizeischutz. Die Konfrontation mit der iranischen Theokratie scheut er dennoch nicht.
Als diese Woche die Internetseiten der Satirezeitschrift von Hackerangriffen lahm gelegt wurden, zeigt sich Riss unerschrocken. "Das ist ja nicht das erste Mal", sagte der Karikaturist. Das sei nichts Neues. "Wir dürfen zeichnen, was wir wollen. Auch wenn das den Mullahs nicht passt."