Ende von Charlie-Hebdo-Prozess "Meine Hand hat nicht gezittert"
Heute geht der Charlie-Hebdo-Prozess zu Ende. Die Gerichtszeichnungen von François Boucq erschienen jeden Tag auf der Website des Satiremagazins. Er ist ein langjähriger Freund eines der Opfer.
Seit dem 2. September hat François Boucq zwei Leibwächter. Seit Beginn des Prozesses gegen die Hintermänner und Komplizen der Attentate vom Januar 2015, auf die Redaktion der Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo und auf den jüdischen Supermarkt Hyper Cacher, begleiten sie ihn von früh bis spät. Das war dem Zeichner klar, als er sich entschied, diesen Prozess für Charlie Hebdo zu begleiten. Riss, der Redaktionsleiter hatte ihn darum gebeten:
Als er mich gefragt hatte, habe ich sofort ja gesagt. Ohne genau zu wissen, auf was ich mich da emotional einlasse. Es schien mir einfach wichtig, den Prozess zu dokumentieren. Aus vielerlei Gründen. Zu allererst wegen der Freundschaft. Einige Zeichner, die in dem Massaker getötet wurden, kannte ich sehr gut. Und dann geht es um den Wert der Karikatur, des Zeichnens.
2015 hat François Boucq, in Frankreich ein bekannter Comicautor und Karikaturist, den Prozess um Dominique Strauß Kahn für die Zeitung Le Monde gezeichnet - eher objektiv und faktisch. Der Charlie-Prozess sei damit nicht zu vergleichen, sagt Boucq. 54 Tage saß er gegenüber vom Rednerpult, schaute in die Augen der Überlebenden, der Hinterbliebenen und versuchte, ihren Schmerz über die grausamen Attentate zu Papier zu bringen.
Das war wirklich sehr bewegend. Die Aussagen der Überlebenden und Angehörigen waren für mich schwer zu ertragen. Und dann der Moment, als sie die brutalen Bilder aus der Redaktion von Charlie Hebdo gezeigt haben. Das Attentat. Das war wirklich heftig und viele haben den Saal verlassen. Aber meine Hände haben nicht gezittert. Ich bin Zeichner, und meine Arbeit gibt mir in solchen Momenten Halt.
Mehr als 450 Zeichnungen - alle in wenigen Minuten
Mehr als 450 Zeichnungen, schätzt François Boucq, hat er im Laufe des Prozesses angefertigt. Zum Beispiel Riss, den Redaktionsleiter von Charlie Hebdo, wie er mit kerzengradem Rücken vor den Richtern steht, einzig der von Boucq eingefangen Blick zeigt, wie schwer Riss seine Aussage fällt.
Es ist sehr schwierig, den richtigen Moment festzuhalten. Manche Zeugen waren sehr nüchtern. Sie haben sich nicht bewegt. Bei anderen drückte sich die Emotion in kleinen Gesten aus, wieder andere haben viel gestikuliert. Und ich muss alles, was ich sehe, in ein einziges Bild übersetzen.
Er hat die wichtigsten Momente der vielen Prozesstage in Schwarz-weiß oder farbigen Aquarellen festgehalten. Alles entstand innerhalb weniger Minuten, während der laufenden Verhandlung.
Prozess mit symbolischer Dimension
Auch die Urteilsverkündung wird François Boucq dokumentieren. Allerdings, sagt er, sollten es nicht die Urteile allein sein, die von diesem großen Terrorprozess bleiben. Die Richter urteilen über die Angeklagten und deren indirekte Beteiligung an den Anschlägen.
Für Boucq und viele andere aber hatten die mehr als 50 Prozesstage gegen die mutmaßlichen Hintermänner der Anschläge auf Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt vor allem eine symbolische Dimension. Als stetiger Kampf für die Meinungs- und Pressefreiheit, gegen Antisemitismus, gegen jegliche Form des Hasses und der Gewalt.
Das wichtigste, was wir aus diesem Prozess ziehen sollten, ist das, was zum Auftakt schon gesagt wurde. Wir schlittern in eine Zeit, in der unsere Demokratie auf eine harte Probe gestellt wird. Dagegen können wir nur ankämpfen, wenn wir alle zusammenstehen.