Hisbollah-Sprecher Mohammed Afif bei einer Pressekonferenz.
analyse

Schiitenmiliz im Libanon Wie geschwächt ist die Hisbollah?

Stand: 29.10.2024 14:31 Uhr

Auch nach dem Tod ihres Anführers Nasrallah gibt sich die Hisbollah kämpferisch. Geschwächt ist die Schiitenmiliz dennoch: durch Angriffe Israels und durch mangelnde Unterstützung. Nun ist von Verhandlungsbereitschaft die Rede.

Von Martin Durm, SWR, zzt. Beirut

Die jüngste Pressekonferenz der Hisbollah am vergangenen Dienstag ging irgendwie ziemlich daneben. Sie wurde aus nachvollziehbaren Gründen im Livestream übertragen. Nur ein paar tollkühne arabische Journalisten waren vor Ort in Beiruts südlichem Stadtteil Dahyieh, der jede Nacht bombardiert wird und wo das Führungspersonal der Schiitenmiliz stets damit rechnen muss, durch einen Luftangriff getötet zu werden.

"Wir werden siegen", versicherte Hisbollah-Sprecher Mohammed Afif den Medienvertretern - als plötzlich das Gerücht übersprang, eine israelische Kampfdrohne sei im Anflug. "Herr Afif, was meinen sie dazu?", rief verunsichert ein Reporter. "Der Widerstand steht fest", antwortete der Hisbollah-Sprecher, drehte sich um und rannte davon.

Geschwächt, aber nicht gebrochen

Der Auftritt - viele tausendmal in den sozialen Netzwerken geteilt - war eine echte Lachnummer in einem Land, wo es gerade nicht viel zu lachen gibt. Keine Frage, die Hisbollah ist nicht mehr das, was sie mal war: Der Tod ihres Führers Hassan Nasrallah traf sie ins Mark, die tödlichen Luftangriffe auf Dutzende Kommandeure haben sie massiv geschwächt. Aber gebrochen ist sie nicht.

Das bekommen die israelischen Truppen, seitdem sie in den Südlibanon einmarschierten, täglich zu spüren. "Das ist eine klassische Guerillasituation", sagt Heiko Wimmen von der International Crisis Group in Beirut: "Die Israelis gehen da rein und laufen in Hinterhalte, die sicher über Jahre hinweg vorbereitet wurden. Offenbar können die Kämpfer der Hisbollah auch ohne zentrale Führung, auch ohne Kommunikationsstrukturen den Israelis schmerzhafte Schläge zufügen."

Die Hisbollah-Milizionäre, vertraut mit dem unwegsamen, bergigen Terrain, eingegraben in Bunker und Tunnel, meiden langwierige Gefechte. Sie tauchen auf, feuern, werfen Handgranaten und verschwinden wieder. Das israelische Außenministerium listet namentlich 42 Soldaten auf, die seit dem 1. Oktober im Südlibanon und im nordisraelischen Grenzgebiet gefallen sind. Dazu kommen die täglichen Raketenangriffe, die selbst in Haifa und Tel Aviv immer wieder hunderttausende Israelis in die Schutzräume zwingen.

Neuer Anführer und ein bitteres Gefühl

Es scheint, als erhole sich die Hisbollah nun wieder von Nasrallahs Tod und dem Verlust ihrer militärischen Kader. Was ihren Anhängern allerdings zusetzt, ist das bittere Gefühl, immer einsamer da zustehen: "Alle sind mit Israel", ereifert sich ein ergrauter Hisbollah-Milizionär: "Deutschland, Amerika, Frankreich - wir kämpfen jetzt gegen 30 bis 40 Länder." Auch die arabischen Staaten stünden zu Israel: "Saudi-Arabien, Bahrain, Katar, die Emirate, Jordanien …alles Verräter." Was aber am Schlimmsten sei, sagt er und bittet vorsichtshalber darum, seinen Namen bloß nicht zu nennen: "der Iran. Der Iran lässt uns auch im Stich und wagt nicht, die offene Konfrontation mit Israel zu riskieren."

Manchmal ist es aufschlussreicher, auf das Fußvolk zu hören als auf die offiziellen Durchhalteparolen von Hisbollah-Funktionären. Heute hat die Hisbollah Nasrallahs bisherigen Stellvertreter Naim Kassim zum neuen Anführer ernannt. Der 71-Jährige hat längst nicht das Charisma seines Vorgängers, er gilt als spröde und verkopft.

Signale für Verhandlungsbereitschaft?

Einige Medien haben in den vergangenen Tagen berichtet, er sei mittlerweile in Teheran, um dem Schicksal Nasrallahs zu entgehen. Allerdings scheint die abgetauchte Führung der Schiitenmiliz nun mit einem Mal über Umwege so etwas wie Verhandlungsbereitschaft zu signalisieren. Ali Hamdan, der Sprecher der schiitischen Amal-Partei, erklärt im Interview mit der ARD, die Hisbollah bestehe nun nicht mehr darauf, erst nach einem Waffenstillstand in Gaza die Angriffe auf Israel einzustellen. Unter Nasrallah war das noch ein ehernes Junktim. Aber das gelte nun nicht mehr, versichert Hamdan.

Die Amal gilt als gemäßigte Kraft im schiitischen Lager, pflegt aber engen Kontakt mit der Hisbollah: "Sie haben uns das Mandat übertragen, an den Verhandlungstisch zu gehen und die ganze Sache zu lösen", sagt der Amal-Sprecher.