Krieg im Nahen Osten Zypern - Drehkreuz für Evakuierungen
Seitdem Israel auch im Libanon einen Bodeneinsatz gestartet hat, versuchen noch mehr Menschen das Land zu verlassen. Dabei kommt der Mittelmeerinsel Zypern wegen ihrer Lage eine wichtige Rolle zu.
Vergangenen Montag, am Flughafen von Larnaka in Zypern: Ein Flugzeug aus dem Libanon landet, die aussteigenden Passagiere sind Australier und Australierinnen.
Auch Adam Siama ist gerade hier angekommen und erklärt einem Reporter der Nachrichtenagentur Reuters: "Die Situation im Libanon ist momentan nicht gerade gut. Unschuldige Menschen sitzen in ihren Häusern fest, es ist sehr furchterregend, beängstigend. Wir sind, ehrlich gesagt, froh, dass wir Australier sind. Ohne Australien hätte uns das ein Vermögen gekostet."
Während viele Staaten, darunter Deutschland, Frankreich oder Spanien, die Ausreise seiner Bürgerinnen und Bürger direkt aus dem Libanon organisiert haben, nutzen nun Länder wie Australien die Mittelmeerinsel Zypern als Drehkreuz für die Evakuierungen. Inzwischen sind mehrere hundert australischer Staatsbürger auf diesem Weg in dem EU-Land angekommen.
Strategisch wichtiger Knotenpunkt in der Region
Allein schon aufgrund seiner geographischen Lage ist die Republik Zypern für Evakuierungen in westliche Länder besonders geeignet. Der Flug von Libanons Hauptstadt Beirut nach Larnaka dauert rund 40 Minuten.
Die zyprische Regierung sieht sich auch deshalb in einer besonderen Rolle für die Region und hat bereits vergangene Woche, am 1. Oktober, ihren nationalen Estia-Plan aktiviert, kurz nach Beginn von Israels Bodenoffensive im Libanon.
Der Estia-Plan unterstützt bei der Aufnahme und Rückführung von Menschen aus Drittstaaten, die Krisen- und Kriegsgebiete verlassen wollen und über Zypern in ihre Heimatländer zurückfliegen. Dafür hat Zypern umfassende Vorkehrungen getroffen, etwa durch die Einrichtung von Betten und sanitären Einrichtungen in Schulen, Zelten oder Militärgebäuden.
Ein zweiter Plan namens Nafkratis ist ebenfalls aktiv und soll sowohl die Evakuierung von EU-Bürgern als auch Drittstaatlern gewährleisten und darüber hinaus mögliche Flüchtlingsströme auf dem Seeweg bewältigen.
Doch bisher bleiben laut UNHCR größere Migrationsbewegungen auf dem Seeweg zwischen Libanon und Zypern aus. Vereinzelt bieten Luxusbootbetreiber zehnstündige Überfahrten auf Yachten an, die zu hohen Preisen im vierstelligen Bereich Interessierte aus dem Libanon nach Zypern bringen.
Zahlreiche Staaten nutzen Estia-Plan
Auf dem Flugweg hingegen haben neben Australien bisher auch die Slowakei, Portugal und China Menschen aus dem Libanon über Zypern ins Heimatland gebracht. Das griechische Militär flog vergangene Woche sowohl griechische als auch zyprische Staatsbürger zunächst nach Larnaka, bevor es die griechischen Staatsbürger weiter mit nach Athen nahm.
Großbritannien hatte vergangene Woche rund 700 Soldaten auf die Mittelmeerinsel entsandt, um für mögliche Evakuierungen ausgestattet zu sein.
Die deutsche Bundeswehr hat inzwischen Personal im einstelligen Bereich nach Zypern geschickt, um dort das Auswärtige Amt zu unterstützen, wie ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr auf Anfrage mitteilte. Ob die Bundeswehr Evakuierungen über Zypern plant, beantworte er aus Gründen der militärischen Sicherheit nicht.
Für die Daueraufgabe der "Nationalen Krisenvorsorge" halte man aber "ständig Kräfte sowie Planungs- und Durchführungskapazitäten in Deutschland" bereit. Ohne konkret auf Zypern einzugehen, heißt es aus dem Auswärtigen Amt, man prüfe alle Optionen, wie Deutsche bei der Ausreise aus dem Libanon unterstützt werden können.
Erfahrung mit Evakuierungen und Fluchtbewegungen
Auf der Plattform X erklärt der zyprische Außenminister Constantinos Kombos: "In Bezug auf das, was gerade in unserem Teil der Welt passiert, steht Zypern bereit, die Rolle als sicherer Hafen und humanitärer Akteur in der Region einzunehmen, wie wir das schon taten."
Kombos bezieht sich damit auf die vorherigen zwei Male, die der Estia-Plan durch die zyprische Regierung aktiviert wurde. Erstmalig ist der Estia-Plan am 10. Oktober 2023 in Kraft getreten, kurz nach dem Überfall der Hamas auf Israel. Ende April dieses Jahres wurde er erneut aktiviert, um Menschen aus 29 Nationen aus dem Sudan über Zypern nach Hause zu bringen.
Doch bereits 2006, während des einmonatigen Kriegs zwischen Israel und der Hisbollah, wurden 60.000 Menschen aus dem Libanon über Zypern in Sicherheit gebracht. Seitdem gilt, Zyperns Rolle als Drehkreuz des Nahen Ostens hat sich bewährt.