EU und Migration Flüchtlingsinsel Zypern - Geschäft mit Migranten
Die kleine Mittelmeerrepublik Zypern muss im Verhältnis zur Einwohnerzahl die meisten Asylanträge in der EU entgegennehmen. Viele Migranten flüchten über die sogenannte grüne Grenze. Für Schlepper ist das ein lukratives Geschäft.
Nur wenige Kilometer von der zyprischen Hauptstadt Nikosia entfernt liegt das riesige Flüchtlingslager Pournara. Vor vier Jahren wurde es eröffnet, damals war es für etwa 1.000 Migranten geplant. Schon Ende letzten Jahres waren es doppelt so viele, wie die EU-Kommission berichtet.
Dicht gedrängt leben vor allem Flüchtlinge aus Afrika und dem arabischen Raum in Containern. Der Zutritt ist nur mit Begleitung der Verwaltung und mit langwieriger vorheriger Genehmigung möglich. Doch auch wenn sich die Lage in den letzten Monaten gebessert haben soll, sind die Zustände immer noch erschreckend. Keiner hier will erkannt werden. Auch Namen dürfen nicht genannt werden.
Riesiges Netzwerk von Schleppern
Schließlich beginnt ein junges Paar zu erzählen. Sie seien aus Pakistan in die Türkei gekommen, hätten sich dort ein Studentenvisum für Nordzypern besorgt und seien dann nach wenigen Tagen in den griechisch-zyprischen Süden der Insel geflohen und hätten dort Asyl beantragt.
Sie sagen, es gebe ein riesiges Netzwerk von Schleppern, in fast jeder Stadt im nördlichen Teil der Insel. Der Kontakt sei sehr schnell herzustellen, sagen sie. Eine Flucht über die sogenannte grüne Grenze könne dann jederzeit für wenige hundert Euro arrangiert werden.
Ein Blick auf Hütten, welche von einem Zaun mit Stacheldraht im Flüchtlingslager in Pournara in Zypern eingezäunt sind.
Über die grüne Grenze ins Traumziel Europa
Die sogenannte grüne Grenze trennt Zypern in einen griechisch-zyprischen und in einen türkischen Teil. Wer es schafft, diese von Nord nach Süd zu überqueren, ist in der EU - dem Traumziel für viele Flüchtlinge. Und auch wenn die Republik Zypern kein Mitglied des Schengen-Raums ist, sehen viele das Land als eine Art Sprungbrett nach Deutschland, Frankreich oder Italien.
Für Menschen aus Afrika oder Asien gebe es keinen leichteren, billigeren und ungefährlicheren Weg in die EU, sagt der Migrationsforscher Gerald Knaus in einem Interview mit der "Frankfurter Rundschau". Die Insel sei eine "Nahtstelle einer neuen einzigartigen Zuwanderungsbewegung".
Ein großer Markt für Schmuggler
Nikos Trimiklinotis beobachtet als Professor an der Universität Nikosia diese Entwicklung schon sehr lange. Regelmäßig veröffentlicht er mit seinem Team Studien, in denen es um die Flüchtlingsproblematik auf der Insel geht.
Trimiklinotis sagt, die Zahl der Flüchtlinge aus dem Nordteil sei sehr hoch, genauso wie der Profit, den die Schmuggler daraus schlügen. Es sei ein "schmutziges Geschäft auf dem Rücken der Ärmsten".
Und jetzt, da viele andere Fluchtrouten blockiert seien, gehe der Preis immer weiter nach oben. Indirekt macht er die Verwaltung im türkischen Teil der Insel dafür mitverantwortlich. Sie tue zu wenig, so Trimiklinotis, um die Schmuggler an ihrem Geschäft zu hindern, sie mache es ihnen zu einfach, mit ihren Kunden die Grenze zu überqueren.
Das System dahinter
75 Prozent der Flüchtlinge kämen aus dem türkischen Teil über den Landweg, sagt Trimiklinotis. Nur wenige wählten den sehr gefährlichen Seeweg. Prozentual hat die kleine Inselrepublik mit ihren etwa 920.000 Einwohnern die höchste Zahl von Asylanträgen in der EU.
Nikos Trimiklinotis erklärt das System dahinter: Im türkischen Teil der Insel gebe es sehr viele Universitäten. Von den 400.000 Einwohnern seien ein Viertel Studenten. "Baby-Universitäten" nennt Trimiklinotis diese etwas verächtlich.
Die Studiengebühren seien im Vergleich relativ niedrig. Einmal eingeschrieben, kämen Migranten - meist über Istanbul - in den Nordteil der Insel. Dort blieben sie allenfalls einige Tage. Denn sofort nach der Ankunft beginne die Suche nach einer Passage in den griechischen Teil.
Und da kämen die Schleuserbanden ins Spiel. Für etwa 500 Euro gäbe es ein Gesamtpaket: Planung, Übertritt, Asylantrag. Je nach politischer Lage werde die Grenze manchmal mehr, manchmal weniger kontrolliert. Sie sei auf alle Fälle durchlässig, sagt der Forscher.
Da die Türkei die Republik Zypern als Staat nicht anerkenne, seien direkte Verhandlungen über dieses Flüchtlingsproblem nicht möglich. Solange die Teilung Zyperns andauere, stehe das Tor zur EU weit offen.
Machtlos gegen Schmuggler
Die Polizei in Zypern hat nach eigenen Angaben erst im Juni einen Schleuserring zerschlagen. Die Schleuser sollen gefälschte Aufenthaltsdokumente an Migranten verkauft haben.
14 Mitglieder des Schleuserrings seien festgenommen worden. Experten wie Trimiklinotis sagen, dies sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Schmuggler würden sich schnell neu organisieren. Letztlich müsse eine politische Lösung her. Davon sei man aber weit entfernt.
Ziel: Das europäische Festland
Die wenigsten Flüchtlinge wollen auf Zypern bleiben. Auch das pakistanische Paar aus dem Flüchtlingslager Pournara will weg, am liebsten nach Frankreich oder Deutschland.
2.500 Euro haben sie investiert, die Schmugglerroute dann unbeschadet überstanden. Nun hoffen sie, bald das Lager verlassen zu können. Sie bemerken aber auch, dass das Klima gegenüber Flüchtlingen auf der Insel immer rauer wird.
Erst vor wenigen Wochen habe es in Limassol an der Südküste rechtsextreme Ausschreitungen gegen Migranten gegeben. Die Frau sagt uns zum Schluss, dass es hart sei. "Aber man muss das aushalten, wenn du Sicherheit willst."