50 Jahre Teilung Zyperns "Die Insel ist zu klein für diesen Konflikt"
Vor 50 Jahren brach auf der Mittelmeerinsel Zypern ein Krieg aus, der das Land in zwei Teile riss. Im Süden leben griechische, im Norden türkische Zyprer - und eine Wiedervereinigung scheint in weite Ferne gerückt.
Das Apostel-Andreas-Kloster liegt am nordöstlichsten Zipfel Zyperns. An den Wochenenden kommen hier Busse voller Pilger an, der Ort gilt als der wichtigste Wallfahrtsort der Insel für griechisch-orthodoxe Zyprer.
Apostel Andreas soll hier, wo heute das Kloster steht, einst Schiffbruch erlitten haben, so die Legende. Als er mit einem Stock gegen den Fels schlug, tat sich eine Quelle auf, die bis heute in Betrieb ist. Wer hier herkommt, hat meist einen Wunsch dabei. Sei es die Bitte um Gesundheit, um Erfolg im Beruf oder die große Liebe.
Louis Hadjiloizi ist mit seinem Sohn Kyriakos hier hergekommen. Der 58-jährige Lehrer verbindet viele Erinnerungen mit dem Ort, erzählt er. "Ich stamme aus einem der Nachbardörfer, und hier zu sein, fühlt sich für mich an wie nach Hause zu kommen."
Louis war acht Jahre alt, als 1974 auf der Insel ein Krieg ausbrach, der seine Heimat nachhaltig veränderte. Der Grundkonflikt geht noch weiter zurück.
Seit langem ethnische Konflikte
Die Bevölkerung Zyperns ist seit Jahrhunderten griechisch und türkisch geprägt. 1920 annektierte Großbritannien die Insel und heizte Konflikte zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen an, um an der Macht zu bleiben.
1960 schließlich wurde Zypern unabhängig, doch die ethnischen Probleme wurden damit nicht weniger. Es kam zu blutigen Auseinandersetzungen mit Hunderten Toten, die UN entsandten erstmals Blauhelmsoldaten auf die Insel.
1974 schließlich putschten griechisch-zyprische Offiziere gegen Staatspräsident Makarios. Ihr Ziel war eine Angliederung an Griechenland. Um die türkische Bevölkerung zu schützen, griff die Türkei als deren Schutzmacht ein. Am 20. Juli 1974 landeten türkische Soldaten auf Zypern und nahmen in der Folge den Norden ein.
Fast alle griechischen Zyprer flohen daraufhin in den Süden, die türkischen wiederum in den Norden. Dies führte zu einer ethnischen Teilung.
Eine sogenannte Demarkationslinie trennt die gesamte Insel. Der Nordteil gilt völkerrechtlich als von der Türkei besetzt, da ihre Truppen nie abgezogen wurden.
"Endlich mit den türkischen Zyprern zusammenkommen"
Das Andreas-Kloster war jahrzehntelang für die griechisch-zyprischen Pilger nicht mehr erreichbar. Erst seit 2003 gibt es offene Grenzübergänge und damit die Möglichkeit, die jeweils andere Seite zu besuchen.
Louis Hadjiloizi, der als griechischer Zyprer kurz nach der Teilung in den Süden musste, wünscht sich eine Wiedervereinigung. "Zypern ist eine so kleine Insel, wir können uns so einen Konflikt nicht leisten", erzählt er. "Wir müssen endlich mit den türkischen Zyprern zusammenkommen, wir müssen nach vorne schauen. Wir wollen keinen Krieg, keine Armeen auf unserer Insel, wir wollen Frieden."
Seit einiger Zeit hat Louis wieder Kontakt zu seinem ehemaligen Nachbarn Kemal, ein türkischer Zypriot und ein Freund seiner verstorbenen Eltern. Louis will Kemal besuchen und ihm seinen Sohn vorstellen. Nach dem Krieg und der Teilung der Insel brach bei vielen Menschen der Kontakt zu ehemaligen Nachbarn oder Freunden ab.
Die Fronten sind verhärtet
Die Grenze zieht sich durch die gesamte Insel, mitten durch die Hauptstadt Nikosia, so der alte englische Name. Auf türkisch heißt die Stadt Lefkosa, auf griechisch Lefkosia. Zwischen den beiden Teilen liegt eine Pufferzone, die bis heute von Blauhelmsoldaten der UN kontrolliert wird. Wer auf die jeweils andere Seite möchte, muss durch zwei Grenzkontrollen.
Vor rund 20 Jahren stand die Insel kurz vor einer Wiedervereinigung: Die Mehrheit der türkischen Zyprer stimmte damals dem sogenannten Annan-Plan zu, die griechische Seite lehnte ab. Heute scheint man politisch weit voneinander entfernt zu sein. Die türkisch-zyprische Regierung, die lediglich von Ankara anerkannt wird, fordert mittlerweile eine Zwei-Staaten-Lösung.
Im Interview mit dem ARD-Studio Istanbul betont Außenminister Tahsin Ertugruloglu, er sehe keinen Sinn in Verhandlungen mit der griechisch-zyprischen Seite. "Wir haben versucht, unter einem Dach zu leben. Aber unsere Partner wollten das nicht, sie haben uns rausgeworfen", so sein Fazit.
Die Fronten sind verhärtet. Denn auch auf der griechisch-zyprischen Seite erstarken nationalistische Gruppen seit Jahren. Erst bei der Europawahl im Juni holte eine rechtsextreme Partei mehr als elf Prozent der Stimmen.
"Es gibt mehr, das uns verbindet"
Für Louis Hadjiloizi ist das völlig unverständlich. Er versucht mit seinen Besuchen im Norden wieder Verbindungen zur türkisch-zyprischen Seite aufzubauen.
Dazu gehört auch sein heutiger Besuch bei einem alten Freund seiner Eltern. Kemal Mustafa Deveci ist 77 Jahre alt und arbeitete früher als Viehhirte im Dorf von Hadjiloizis Eltern. Der etwas untersetzte Mann mit strahlend blauen Augen sitzt neben Hadjiloizi auf der Couch in seinem Wohnzimmer und erzählt von früher. "Sein Vater und ich waren befreundet. Er pflügte den Acker, ich hütete meine Schafe. Er erntete Oliven und Tabak und wir aßen und tranken gemeinsam."
Über Hadjiloizis Vater und andere griechisch-zyprische Nachbarn lernte Deveci sogar Griechisch. Er spricht es bis heute - und kann es sogar lesen, was er Hadjiloizis Sohn Kyriakos direkt beweisen will. Mühelos liest er eine Passage aus einem Geschichtsbuch vor. "Jetzt bin ich richtig neidisch auf Kemal", sagt Hadjiloizi mit einem Lachen. "Weil er sowohl Türkisch als auch Griechisch spricht. Und ich nicht."
Die Familien sind erst seit kurzem wieder in Kontakt. Als Louis Hadjiloizis Mutter verstarb und in ihrem Heimatdorf beerdigt wurde, stand plötzlich Kemal Mustafa Deveci auf dem Friedhof. "Ich musste weinen", erzählt Hadjiloizi. "Plötzlich kamen alle Erinnerungen an meine Kindheit hoch. Und dass da plötzlich ein Türke auf unserer Beerdigung war, das war etwas Ungewöhnliches."
Bevor Louis Hadjiloizi sich verabschiedet, gibt es von Kemal Mustafa Deveci noch ein Ständchen auf der Flöte - ein zypriotisches Lied, das beide Volksgruppen vereint. Für die beiden Männer steht ohnehin fest, dass es eine Lösung für ihre Insel geben muss. Sie glauben: Es gibt mehr, das sie verbindet als sie trennt.