Staatsbesuch in Serbien Wohlfühlprogramm für Xi
Chinas Staats- und Parteichef Xi reist nach Serbien und Ungarn. Kritischen Fragen muss er sich dort nicht stellen, nur einer Fülle von Investitionswünschen. Auch der Zeitpunkt der Reise ist kein Zufall.
Unübersehbar: Xi Jinping ist in Belgrad zu Gast bei Freunden. Denn auf dem Weg vom Flughafen in die serbische Hauptstadt muss Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping am Belgrader "Westtor" vorbei, einem bemerkenswert hässlichen Hochhausbau des jugoslawischen Brutalismus der 1980er-Jahre. Eine riesige rote chinesische Nationalflagge verhüllt den rechten Flügel des zweigeteilten Genex-Turms - mit einem überdimensionierten Willkommensgruß auf Chinesisch. Genex, das war der staatliche jugoslawische Import-Export-Konzern. Auch das passt.
Serbien und China verbinde eine "eiserne Freundschaft", verlautet wortgleich sowohl aus Peking als auch aus Belgrad. Die serbische Bevölkerung kennt das schon, es gehört mindestens seit 2016 zum serbischen Wortschatz. Damals hat China zum ersten Mal groß und direkt investiert in Serbien und die Stahlhütte in Smederovo gekauft, vor der Pleite gerettet und ausgebaut - 5.000 seit acht Jahren stabile Arbeitsplätze, wie Serbiens Präsident Aleksandar Vucic lobt.
China ist inzwischen Serbiens zweitwichtigster Handelspartner. 6,1 Milliarden Dollar betrug das Handelsvolumen zwischen beiden Staaten laut Vucic 2023. Auch Serbiens Exporte nach China hätten sich in den vergangenen Jahren vervielfacht, schwärmt er - von überschaubaren 6,4 Millionen Dollar 2012 auf 1,2 Milliarden Dollar im Jahr 2023.
Bitte um Investitionen
Aber da geht noch mehr, mag Vucic denken - und platziert im serbischen Staatsfernsehen "drei Bitten" an Xi Jinping; drei zukunftsträchtige Geschäftsfelder, in die China in Serbien investieren möge: Erstens Serbiens mühsam wiederbelebte Eisenbahnfabriken, weil die Nachfrage auf dem europäischen Markt nach Zügen immer größer werde, so dass weder der deutsche Siemens-Konzern noch die Schweizer Stadler Rail genug liefern könnten. Die Chinesen aber könnten das - gerne gemeinsam mit Serbien.
Zweitens auf Vucics Wunschzettel: Chinas Know-How in den Bereichen Künstliche Intelligenz und Elektromobilität, für das Serbien als Bauplatz und Einsatzort von E-Autos, E-Taxis, Flug-Taxis fungieren könnte. Da hätten die Freunde aus Peking ja schon beim Nachbarn Ungarn einiges investiert. Den Rest dann von Präsident zu Präsident, persönlich.
Aleksandar Vucic und Xi Jinping beim Handschlag im Jahr 2017: Damals besuchte Serbiens Präsident Peking.
Orban, der "Panda-Umarmer"
Xi kommt aus Frankreich, Ungarn ist die letzte Station seiner Europareise, davor liegt der Zwischenstopp in Serbien. Beide Stationen sind eher ein Wohlfühlprogramm zum Abschluss der kleinen Europa-Tournee. Serbien ist das größte der Westbalkan-Länder, die eigentlich alle gerne EU-Mitglieder wären - Serbien ist seit zwölf Jahren Beitrittskandidat. Ungarn ist seit 20 Jahren EU-Mitglied, aber pflegt unter Ministerpräsident Viktor Orban politische Freundschaften, die viele EU-Partner irritieren.
Orban gilt in China als "Panda-Umarmer", eine lockere Beschreibung für Freunde Pekings. Ungarn ist, wie Serbien, Teil der "Neuen Seidenstraße", China baut und investiert in neue Handelsrouten, Vertriebswege für die eigene Wirtschaft. Autobahnen und eine Bahn-Schnelltrasse zwischen Belgrad und Budapest gehören dazu.
Außerdem lockt die Regierung Orban verstärkt chinesische Autobauer an: Ungarn soll ein Hotspot der Autoindustrie in Europa werden und will dabei nicht nur auf die großen deutschen Autokonzerne Audi, BMW und Daimler-Benz angewiesen sein. "Gute Beziehungen zu so vielen Ländern wie möglich unterhalten", so formuliert das Orbans Stabschef Gergely Gulyás betont freundlich.
Gedenken an NATO-Bombardement
Strategische Partnerschaften, gemischte Karten für politische Poker-Runden. "Multivektor-Außenpolitik", so nennt das der serbische China-Experte Stefan Vladisavljev: ein Balancieren zwischen West und Ost, Europa und Asien. Geopolitik mit Zugeständnissen, Geben und Nehmen.
Vor einem halben Jahr hat Serbien ein Freihandelsabkommen mit China unterschrieben, im Juli soll es in Kraft treten. "Taiwan ist China und Punkt", sagt Vucic im chinesischen Staatsfernsehen, ganz auf Linie mit den Machthabern in Peking. Und erwartet im Gegenzug das Gleiche, wenn es um Kosovo geht: ehemals serbische Provinz, seit 2008 ein unabhängiges Land, das von Serbien nicht anerkannt wird - und natürlich auch nicht von China.
Aber Xi kommt nicht nur als Handelsreisender nach Belgrad. Niemand glaubt an Zufall bei dem Umstand, dass er auf den Tag genau 25 Jahre nach der Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad in der serbischen Hauptstadt landet. Im Kosovokrieg 1999 trafen NATO-Bomben, abgeworfen von Kampfbombern der US-Luftwaffe, die Botschaft. Drei chinesische Journalisten wurden dabei getötet.
Der damalige US-Präsident Bill Clinton hat sich ausdrücklich entschuldigt, die Bombentreffer seien ein Versehen gewesen, beteuerte die NATO. China hat diese Entschuldigung nicht angenommen. Beim Staatsbesuch wird auch daran erinnert werden. "Fuck NATO" und "Fuck EU" sind Graffiti, die immer wieder auffallen an Belgrader Hauswänden. Natürlich nicht am "Genex-Turm".