Ungarns Außenpolitik Orbans autokratisches Netzwerk
Ein Auftritt unter Gleichgesinnten: Ungarns Premier Orban hat mit Georgiens Regierung den umstrittenen Wahlsieg gefeiert. Es ist ein weiterer Schritt auf Orbans Weg zu einem Netzwerk in der gesamten Region.
"Herr Premierminister, sind Sie stolz auf sich, dass Sie hierher gekommen sind, um eine gefälschte Wahl zu legitimieren?" - Dies rief ein ungarischer Aktivist mitten hinein in die Zeremonie zur Begrüßung von Ungarns Premier Viktor Orban.
Der verstand offensichtlich, er lächelte mit gesenktem Blick, während er neben seinem georgischen Amtskollegen Irakli Kobachidse auf dem roten Teppich die Ehrengarde in Tiflis abschritt - zu sehen auf einem Video, das georgische und internationale Medien verbreiten.
Propaganda-Echo
Schon am Abend zuvor war Orban von Demonstranten ausgebuht worden, die auf dem Weg zum Protest gegen das offizielle Ergebnis der Parlamentswahl waren. Die regierungsnahen Medien verbreiten jedoch, was Orban bei einer Pressekonferenz mit Kobachidse in der Staatskanzel in Tiflis erzählte.
Er sprach von Kobachidse als einem guten Freund. Die Parlamentswahl sei frei und demokratisch verlaufen. Das habe er sich von ungarischen Wahlbeobachtern vor Ort beschreiben lassen - während die internationalen Wahlbeobachter unter Leitung der OSZE zahlreiche Unregelmäßigkeiten beschrieben und die Zentrale Wahlkommission nun verkündete, einen Teil der Stimmen neu auszählen zu wollen.
Doch Orban fuhr fort: Die Wähler in Georgien hätten sich für Frieden entschieden, aus Georgien werde nun keine zweite Ukraine. Es war ein Echo anti-westlicher Propaganda von Georgien bis Moldau, wonach die EU und die USA die Nachbarstaaten Russlands in einen Krieg treiben wollten.
Nicht im Namen der EU
Orban versprach EU-Investitionen in Infrastruktur und auch einen EU-Beitritt Georgiens bis zum Ende des Jahrzehnts - zwar hat Ungarn derzeit die rotierende EU-Ratspräsidentschaft inne. Doch EU-Außenbeauftragter Josep Borrell und andere Politiker aus der EU stellten in den vergangenen Tagen mehrfach heraus, dass er nicht im Namen der EU spreche.
Orban redete Nachfragen dazu von Journalistinnen nicht nur weg. Er beschrieb die Unstimmigkeiten innerhalb der EU auch als einen Konflikt zwischen liberalen und konservativen Parteien, bei dem Konservative als Anti-Demokraten abgestempelt würden.
Autokraten unter sich
In diesem grob beschriebenen Konflikt zählt Orban eine zunehmende Zahl an illiberalen bis autoritären und diktatorischen Kräften in der Region zu seinen Partnern. So unternahm er seine umstrittene Reise nach Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft nicht nur nach Russland und China, sondern auch nach Aserbaidschan.
Dessen Präsident Ilham Alijew Präsident unterstützt ebenfalls die Regierungspartei in Georgien. Die drei Staaten Ungarn, Aserbaidschan und Georgien forcieren zusammen mit Rumänien ein ambitioniertes EU-Projekt: die Verlegung eines Kabels durch das Schwarze Meer, mit dem Strom nach Europa transportiert werden soll.
Investments in den Wiederaufbau Bergkarabachs
Energie in Form von Gas liefert Aserbaidschan derzeit schon nach Georgien und Südeuropa. Ungarn zeigt sich erkenntlich mit Investitionen. Im Juni verkündete Ungarns staatlicher Energiekonzern, einen Anteil von fünf Prozent an einem aserbaidschanischem Gasfeld im Kaspischen Meer kaufen zu wollen.
Darüber hinaus will sich Ungarn nach Angaben seines Außen- und Handelsministers Peter Szijjarto am Wiederaufbau der Gebiete in Bergkarabach beteiligen, die Aserbaidschan im Krieg 2020 und 2023 zurückerobert hatte.
Angespanntes Verhältnis zu Armenien
Die dort beheimatete armenische Bevölkerung floh fast vollständig nach Armenien. Inzwischen mehren sich Berichte, wonach beim Wiederaufbau auch armenische Wahrzeichen wie Kirchen und Friedhöfe beschädigt und teils zerstört werden.
Das Verhältnis zu Armenien ist ohnehin angespannt, seit Ungarn 2012 einen aserbaidschanischen Soldaten in sein Heimatland ausgeliefert hatte, der wegen Mordes in Ungarn zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Der Soldat hatte 2004 bei einem NATO-Treffen einen armenischen Soldaten mit einer Axt erschlagen. Bei seiner Rückkehr nach Aserbaidschan wurde er als Held gefeiert.
Netzwerk von China bis Europa
Zur Türkei pflegt Orban wiederum ein gutes Verhältnis. Er nimmt immer wieder an den Treffen der Turk-Staaten teil, einem geostrategischem Projekt von Präsident Recep Tayyip Erdogan, das sich von der Türkei über Zentralasien in Richtung China erstreckt. Auch hier geht es um die Infrastruktur der Zukunft und ein Netzwerk autoritär geführter Staaten zwischen Asien und Europa.
Orban ist in diesem Netz ein Knotenpunkt, wie eine Recherche des ungarischen Investigativjournalisten Szabolcs Panyi zeigt. Was er herausfand: Ein Darlehen in Höhe von 500 Millionen Euro, das Orban im September der rechtsaußen stehenden Regierungspartei VMRO-DMNE in Nordmazedonien überbrachte, kommt eigentlich aus China. Orban war demnach nur der Überbringer.
Chinesische und Russische Interessen
Orban strebe seit langem eine Expansion seines regionalen Einflusses an, ordnet Panyi diese Außenpolitik ein. "Es ist schwer zu sagen, inwieweit diese Expansion tatsächlich den Interessen Orbans und Ungarns dient, da viele dieser Manöver auch mit der russischen und chinesischen Einflussnahme und mit Klientelbildung in Einklang stehen."
Im Falle Nordmazedoniens - aber auch in Montenegro gebe es ähnliche Anzeichen - handele Orban bis zu einem gewissen Grad auf Chinas Geheiß. An anderen Orten, wie etwa in Bosnien, sei seine Außenpolitik auf russische Interessen ausgerichtet, so Panyi.
Ultrakonservative unter sich
Georgiens Regierungspartei Georgischer Traum fühlt sich mit Orbans Politik offensichtlich sehr wohl und verwendet Versatzstücke seiner Propaganda. Premier Kobachidse nahm im April in Budapest an der Conservative Political Action Conference (CPAC) teil, einem Treffen ultrakonservativer Politiker aus zahlreichen Ländern. Orban war Hauptredner des Treffens.
Der Besuch Orbans in Tiflis stärkt die Regierungspartei. Dagegen entfalten die Aufrufe aus der Ferne von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie von Ministern und Abgeordneten aus mehreren EU-Staaten keine solche Wirkung für die Opposition.