Soldaten marschieren bei einer Parade anlässlich des 70. Jahrestages der Gründung Nordkoreas in Pjöngjang.
faq

Krieg in der Ukraine Schickt Nordkorea Soldaten nach Russland?

Stand: 23.10.2024 16:03 Uhr

Seit Tagen kursieren Meldungen, dass Russland seine Truppen mit Nordkoreanern aufstockt. Südkoreas Geheimdienst berichtete bereits vergangene Woche davon, jetzt sehen auch USA und NATO Beweise. Russland schweigt zu den Vorwürfen.

Im Krieg gegen die Ukraine werden sowohl Moskau als auch Kiew aus dem Ausland unterstützt, zum Beispiel durch Waffenlieferungen. Den Einsatz von eigenen Truppen in der Ukraine haben westliche Länder bisher ausgeschlossen und auch auf russischer Seite war dazu nichts bekannt. Seit der vergangenen Woche sollen sich aber nordkoreanische Soldaten in Russland befinden, die im Kampf gegen die Ukraine eingesetzt werden könnten.

NATO beunruhigt: Präsenz nordkoreanischer Truppen in Russland bestätigt

Birgit Virnich, ARD Kiew, tagesthemen, 23.10.2024 22:15 Uhr

Wie viele nordkoreanische Soldaten sollen in Russland sein?

Am vergangenen Freitag berichtete der südkoreanische Geheimdienst, dass Nordkorea 1.500 Soldaten als Unterstützung für Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine entsandt hat. Die Soldaten sind laut Informationen des südkoreanischen NIS (National Intelligence Service) in russischen Schiffen zunächst nach Wladiwostok transportiert worden, wo sie mutmaßlich auf einen Kriegseinsatz vorbereitet werden.

Wie der NIS weiter berichtete, sollen die Soldaten russische Uniformen sowie falsche Identitäten erhalten haben, um ihre wahre Herkunft zu verschleiern. Insgesamt soll sich Nordkorea dazu entschieden haben, rund 12.000 Soldaten zur Unterstützung zu schicken, darunter auch Spezialeinheiten.

Der südkoreanische Geheimdienst stützt seine Informationen auf Satellitenbilder sowie Gesichtserkennungssoftware, welche man in Zusammenarbeit mit dem ukrainischen Geheimdienst eingesetzt habe. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zuvor erklärt, seiner Regierung lägen Informationen vor, wonach rund 10.000 nordkoreanische Soldaten für den Kampf in der Ukraine trainiert werden.

Inzwischen berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Yonhap, dass Nordkorea laut NIS bereits 1.500 weitere Soldaten nach Russland geschickt haben soll. Der südkoreanische Geheimdienst gab diese Informationen demnach während einer nichtöffentlichen Sitzung des südkoreanischen Parlaments bekannt. Damit wären bereits 3.000 Nordkoreaner nach Russland geschickt worden.

Wofür sollen die Nordkoreaner in Russland eingesetzt werden?

Dem NIS zufolge erhalten mittlerweile 3.000 nordkoreanische Soldaten eine Ausbildung an Drohnen und anderer Ausrüstung, bevor sie auf den Kriegsschauplätzen in der Ukraine eingesetzt werden sollen, so der südkoreanische Geheimdienstchef Cho Tae Yong. Der Geheimdienst gehe davon aus, dass sie bisher noch nicht im Kampf eingesetzt worden seien.

Der Leiter des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, sagte dem Online-Nachrichtenportal The War Zone hingegen, nordkoreanische Soldaten sollen bereits heute in der russischen Region Kursk eintreffen, um die russischen Truppen bei der Abwehr eines ukrainischen Angriffs zu unterstützen. Beide Angaben lassen sich nicht unabhängig prüfen.

Was sagen Russland und Nordkorea?

Nordkorea dementierte gestern die Entsendung von Truppen zur Unterstützung Russlands in der Ukraine. "Was die so genannte militärische Zusammenarbeit mit Russland betrifft, so sieht meine Delegation keine Notwendigkeit, sich zu solchen grundlosen, stereotypen Gerüchten zu äußern, die darauf abzielen, das Image der DVRK (Demokratische Volksrepublik Korea, Anmerkung d. Red.) zu beschmutzen", sagte ein nordkoreanischer Vertreter bei den Vereinten Nationen in einer Plenarsitzung der UN-Vollversammlung in New York.

"Seltsame, ausweichende Antworten", Ina Ruck, ARD Moskau, zzt. Kasan, zu Reaktionen des Kremls

tagesthemen, 23.10.2024 22:15 Uhr

Russland lehnte bisher eine direkte Antwort auf die Frage ab, ob nordkoreanische Truppen in der Ukraine kämpfen würden. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte aber, dass sich die Zusammenarbeit Moskaus mit Pjöngjang nicht gegen Länder wie Südkorea richte.

Wie reagiert der Westen?

Die USA sind das erste NATO-Land, das die Angaben des südkoreanischen Geheimdienstes konkret bestätigt. Nordkoreanische Soldaten seien in Russland, dafür gebe es Beweise, sagte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin heute. Was sie da genau machten, sei aber noch unklar. "Das müssen wir noch herausfinden", so Austin.

Auch die NATO sprach inzwischen von Beweisen für die Entsendung. Verbündete hätten die Stationierung nordkoreanischer Truppen bestätigt, erklärte NATO-Sprecherin Farah Dakhlallah am Mittwoch in Brüssel. Der Nordatlantikrat werde in Kürze über eine Reaktion beraten, sagte sie.

NATO-Chef Mark Rutte erklärte bereits am Montag nach einem Telefonat mit dem südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk Yeol auf der Social-Media-Plattform X, dass eine Entsendung von Truppen durch Nordkorea in die Ukraine den Konflikt erheblich eskalieren würde.

Die EU hat eine Beteiligung nordkoreanischer Truppen am Krieg in der Ukraine bisher nicht bestätigt, äußerte sich aber besorgt.

"Sollten sich die Berichte über die Verlegung von Soldaten von Nordkorea nach Russland bestätigen, würde dies eine weitere Eskalationsstufe und eine deutliche Zunahme der Zusammenarbeit bedeuten", sagte auch ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel. "Dies zeigt nur, wie entschlossen Russland ist, seine illegalen Aktionen gegen die Ukraine zu eskalieren, und dass Russland absolut nicht daran interessiert ist, nach friedlichen Lösungen zu suchen."

Wieso hat Deutschland Nordkoreas diplomatischen Vertreter einbestellt?

Die Bundesregierung übermittelte der nordkoreanischen Regierung die Sorgen wegen Berichten über die mögliche Entsendung von Soldaten in den Krieg gegen die Ukraine. "Wir würden einen solchen Schritt natürlich als Eskalation betrachten", sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Offiziell bestätigt hat Deutschland die Präsenz nordkoreanischer Soldaten in Russland bisher nicht.

Das Auswärtige Amt reagierte aber mit einer Einbestellung des nordkoreanischen Geschäftsträgers auf die Berichte. "Die Unterstützung des russischen Angriffskriegs durch Nordkorea bedroht auch die Sicherheit Deutschlands und die europäische Friedensordnung unmittelbar", teilte das Ministerium auf der Plattform X mit. Sollten die Berichte zutreffen und Nordkorea damit den russischen Angriffskrieg auch mit Truppen unterstützen, "wäre dies gravierend und ein Verstoß gegen das Völkerrecht".

Die nordkoreanische Botschaft wird derzeit nicht von einem Botschafter geleitet, sondern von einem sogenannten Geschäftsträger. Die Einbestellung des Botschafters oder Geschäftsträgers eines Landes gilt in der Diplomatie als ein scharfes Mittel des Protests.

Was könnte sich an Südkoreas Ukraine-Hilfen ändern?

Als Reaktion auf die mutmaßliche Entsendung nordkoreanischer Soldaten nach Russland erwägt die südkoreanische Regierung direkte Waffenlieferungen an die Ukraine. Es würden diplomatische, wirtschaftliche und militärische Maßnahmen gegen verschiedene Szenarien einer militärischen Zusammenarbeit zwischen Nordkorea und Russland vorbereitet, verlautete aus dem Präsidialamt in Seoul. Dazu gehöre auch die Lieferung tödlicher Waffen an die Ukraine, falls sich die Lage verschlechtern sollte. Südkorea, ein führender Rüstungsproduzent, liefert der Ukraine bislang nur Ausrüstung - etwa zur Minenräumung.

Den möglichen Kurswechsel begründete Südkorea damit, dass Nordkorea sich im Gegenzug für Truppenentsendungen hochmoderne russische Technologie aus Russland sichern könnte, um sein Atomraketenprogramm aufzurüsten. Moskau könnte der Führung in Pjöngjang zudem helfen, ihr veraltetes konventionelles Waffenarsenal zu erneuern und ein weltraumgestütztes Überwachungssystem zu erwerben. All dies würde für Südkorea eine gravierende Sicherheitsbedrohung darstellen.

Welche Beziehung haben Russland und Nordkorea?

Nordkorea unterstützt den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bereits massiv mit Waffen und Munition. Einem Bericht des südkoreanischen Geheimdienstes zufolge liefert das international weitgehend isolierte Land vor allem Artilleriegeschosse und Kurzstreckenraketen. Nordkorea und Russland dementieren diese Waffenlieferungen.

In den vergangenen Monaten hatte Nordkorea seine militärische Kooperation mit Russland nochmal intensiviert. Erst im Juni unterzeichneten Moskau und Pjöngjang einen Vertrag über eine allumfassende strategische Zusammenarbeit, der auch einen gegenseitigen Beistand für den Fall eines Angriffs durch einen Drittstaat beinhaltet.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 23. Oktober 2024 um 15:00 Uhr.