Angriffe im Libanon Israel nimmt Finanzstruktur der Hisbollah ins Visier
Israels Armee nimmt nach eigenen Angaben neben militärischen Zielen nun vermehrt Finanzeinrichtungen der Hisbollah im Libanon ins Visier. Am späten Abend griff das Militär Vororte Beiruts an. Auch im Südlibanon gehen die Angriffe weiter.
Israels Militär weitet den Krieg im Libanon auf Finanzeinrichtungen der proiranischen Hisbollah aus. Die staatliche libanesische Nachrichtenagentur NNA berichtete von erneut heftigen Luftangriffen in den als Dahija bekannten Vororten der Hauptstadt Beirut und anderen Landesteilen. Ins Visier gerieten diesmal auch Zweigstellen der Vereinigung Al-Kard Al-Hassan, einer Art Bank der Hisbollah.
Verwaltung von Geldern für Waffen
Diese verwalte Gelder, mit den die Aktivitäten der Hisbollah finanziert würden, einschließlich des Kaufs von Waffen und der Zahlungen an Mitglieder des militärischen Flügels der Hisbollah, teilte die israelische Armee weiter mit.
"In den kommenden Tagen werden wir aufdecken, wie der Iran die terroristischen Aktivitäten der Hisbollah finanziert, indem er zivile Einrichtungen, Verbände und Nichtregierungsorganisationen nutzt", sagte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari. Er forderte alle Menschen in der Nähe von Standorten des Hisbollah-Finanzinstituts in Beirut sowie anderen Landesteilen auf, sich umgehend von dort zu entfernen. Kurz darauf schlug die Luftwaffe los.
Elf Angriffe gemeldet
Die libanesische Nachrichtenagentur NNA meldete mindestens elf aufeinanderfolgende Angriffe in Beiruts Vororten. Auch ein Gebäude in unmittelbarer Nähe des einzigen internationalen Flughafens im Land sei getroffen worden. Auf Bildern in sozialen Medien war zu sehen, wie dunkle Rauchwolken vor den Landebahnen südlich von Beirut in den Himmel stiegen. Das Hauptziel der Angriffe auf die Al-Kard Al-Hassan bestehe darin, "das Vertrauen zwischen der Hisbollah und einem großen Teil der schiitischen Gemeinschaft zu erschüttern, die diese Vereinigung als Bankensystem nutzt", zitierte das Wall Street Journal einen israelischen Geheimdienstmitarbeiter.
Einem Bericht des US-Finanzministeriums aus dem Jahr 2021 zufolge fungiert die Vereinigung unter dem Deckmantel einer Nichtregierungsorganisation (NGO) wie eine Bank der Hisbollah, die ohne Zulassung und behördliche Aufsicht Bankautomaten betreibt und Kredite vergibt.
Bisher auf militärische Infrastruktur gezielt
Zweck des Angriffs sei, die Hisbollah so zu treffen, dass sie auch nach dem Krieg nicht mehr in der Lage ist, sich wieder aufzubauen und neu zu bewaffnen, sagte ein ranghoher israelischer Militärbeamter der Zeitung vor Beginn der nächtlichen Angriffe.
Bislang hatte sich Israels Offensive im Libanon nach Angaben der Armee auf die militärische Infrastruktur der Hisbollah konzentriert, obwohl auch Wohngebäude zerstört und kommunale sowie andere zivile Infrastruktur getroffen wurde. Unter dem Krieg leidet vor allem die Zivilbevölkerung.
Gallant: "Zerstörung des Feindes entlang der Grenze"
Nach Angaben von Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant verstärkt Israel auch seine Angriffe gegen Stellungen der Hisbollah im Südlibanon. "Wir sind nicht nur dabei, den Feind zu besiegen, sondern wir zerstören ihn in allen Dörfern entlang der Grenze", sagte Gallant am Sonntag bei einem Truppenbesuch im Norden Israels. Die israelische Militärpräsenz im Grenzgebiet sei "überwältigend für die Terroristen". Kurz zuvor hatten libanesische Staatsmedien gemeldet, dass die israelische Luftwaffe binnen weniger Minuten 14 Angriffe auf das Dorf Chiam an der Grenze geflogen habe.
Die Hisbollah erklärte ihrerseits, sie habe eine israelische Aufklärungsdrohne vom Typ Hermes 450 abgeschossen. Wo der Abschuss erfolgte, wurde nicht mitgeteilt. Außerdem habe sie mehrere Raketensalven auf israelische Truppen jenseits der Grenze abgefeuert.
Die Hisbollah hat im Libanon Zehntausende Gefolgsleute, mit denen sie vor allem den Süden an der Grenze zu Israel, von Schiiten bewohnte Viertel Beiruts sowie die Bekaa-Ebene im Norden des Landes kontrolliert. Gleichzeitig gilt die Miliz als starke politische Macht im kurz vor dem Kollaps stehenden Libanon. Das Land leidet unter einer schweren Wirtschaftskrise. Die Schäden infolge der andauernden israelischen Angriffe sind massiv. Im Süden des Landes zerstörte Israels Armee laut libanesischen Sicherheitskreisen mehrere Orte fast komplett. Ganze Wohngebiete in Beiruts Vororten liegen Augenzeugen zufolge in Schutt und Asche.
Israel nennt Bedingungen für Ende des Krieges im Libanon
Einem Medienbericht zufolge hat Israel den USA seine Bedingungen für eine diplomatische Lösung zur Beendigung des Krieges im Libanon übermittelt. Dazu gehöre, dass dem israelischen Militär eingeräumt werde, "aktive Gewalt" einzusetzen, um sicherzustellen, dass die Hisbollah nicht aufrüstet und ihre militärische Infrastruktur im Süden an der Grenze zu Israel wieder aufbaut, berichtet das Nachrichtenportal Axios unter Berufung auf Regierungsvertreter aus Israel und den USA.
Israel fordere zudem, dass seine Luftwaffe im libanesischen Luftraum Handlungsfreiheit habe. Es sei höchst unwahrscheinlich, dass die USA den Bedingungen Israels zustimme, sagte einer der US-Regierungsvertreter. Beim US-Präsidialamt sowie beim US-Außenministerium waren zunächst keine Stellungnahmen zu erhalten.
US-Vermittler in Beirut
US-Vermittler Amos Hochstein führt heute in Beirut Gespräche mit dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten des Libanons, Nadschib Mikati, und dem Parlamentssprecher und Hisbollah-Verbündeten Nabih Berri, wie Regierungskreise der Nachrichtenagentur dpa bestätigten. Auch US-Außenminister Antony Blinken wird nach Angaben von Vizepräsidentin Kamala Harris in den kommenden Tagen zu Gesprächen mit den Konfliktparteien in den Nahen Osten reisen. "Wir brauchen ein Ende des Krieges", sagte Harris in einem TV-Interview. Medienberichten zufolge wird Blinken am Dienstag in Israel erwartet.