Zerstörtes Gebäude im Süden Beiruts
reportage

Angriffe auf Ziele in Beirut Eine Stadt im Krieg

Stand: 21.10.2024 01:10 Uhr

Detonationen, Misstrauen, Gerüchte - und ein ständiges Surren der Drohnen. Der Krieg hat längst Beirut erfasst. Und bringt die Menschen der Stadt an ihre Grenzen.

Rein wettermäßig gesehen war es ein schönes Wochenende in Beirut. Der Himmel blau und wolkenlos, ideale Flugbedingungen für die israelischen Kampf- und Beobachtungsdrohnen. Von morgens bis abends kreisten sie über der Stadt und aus den südlichen Vororten Beiruts waren Detonationen zu hören. Es waren die schwersten Luftangriffe seit etlichen Tagen.  

Je nach Windrichtung lösen sich die schwarzen Pilze in graue Rauchschwaden auf, ziehen ab übers Meer oder stadteinwärts. Ein israelischer Armeesprecher ließ verlauten, die Streitkräfte hätten bei den Angriffen Waffendepots der Hisbollah getroffen und ihre finanzielle Infrastruktur angriffen.

Es ist die übliche Erfolgsmeldung, die auf solche Bombardierungen folgt. Der libanesische Ministerrat nennt zum Wochenbeginn andere Zahlen: Seit Kriegsausbruch fast 2.500 Tote, 11.500 Verletzte, 1,3 Millionen Vertriebene, viele davon gestrandet auf den Straßen Beiruts oder in schäbigen Lagern.  

 

"Man will uns nicht haben"

"Wir leben noch, aber was sollen wir hier",  sagt Mariam. Wie so viele Schiiten ist sie mit ihren Kindern aus dem schwer umkämpften Süden in die Hauptstadt  geflohen. "Wir sind fremd hier", sagt sie, "man will uns nicht haben."  

Es ist Krieg, er hat auch Beirut erfasst. Und man geht im sunnitischen Stadtviertel Hamra die Straße hinunter, vorbei an Flüchtlingen und Friseursalons, Lebensmittelläden und Handyshops und hört vor allem den Stadtlärm, sieht die absurde Geschäftigkeit von Leuten, die trotz allem versuchen, sich und ihre Familien irgendwie durch den Alltag zu kämpfen.

Man gerät in hitziges Menschengedränge, weicht Autos aus, Scootern, schaut gelegentlich hoch, weil das ständige Surren der israelischen Drohnen an den Nerven zerrt. Und man hat noch die Stimme von Omeima Farah in den Ohren, Direktorin des Malteserordens, der im christlichen Osten Beiruts Hunderte Vertriebene medizinisch versorgt.  

Konflikte in der Stadt

Es gebe immer wieder Konflikte zwischen denen, die in Beirut leben, und denen, die jetzt hier Zuflucht suchten. "Man darf ja nicht vergessen", sagte Omeima, "die Leute, die vertrieben worden sind, haben Furchtbares durchgemacht, sie kommen hier an, sind voller Wut, zerbrechen an ihrer Trauer." 

Misstrauen vor den Fremden geht um, Gerüchte von Überfällen und Raubzügen, viele Christen in Ostbeirut, viele Sunniten in Westbeirut fühlen sich vom Zustrom der Schiiten aus dem Süden bedroht. "Geht nachts nicht mehr aus dem Haus", empfehlen alteingesessene Nachbarn.  

Kein Wasser, kein Strom

Der Wohnblock gegenüber dem ARD-Studio ist zwölf Stockwerke hoch. Er stand lange Zeit leer, galt als nicht bewohnbar und einsturzgefährdet. Jetzt sind alle Stockwerke mit Flüchtlingsfamilien belegt. Es gibt da drin kein Wasser und keinen Strom. Nachts blitzen Taschenlampen auf, Lichtkegel huschen über Wände hinweg und es sieht aus, als würden gleich gegenüber die Vertriebenen aller israelisch-arabischen Kriege ihre trostlosen Schattenspiele aufführen.  

     

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk in der Sendung "Informationen am Morgen" am 21. Oktober 2024 um 06:19 Uhr.