Schiffsunglück in Griechenland Wer trägt die Verantwortung?
Wenige Tage nach dem verheerenden Bootsunglück vor der griechischen Küste beginnen jetzt die Ermittlungen: Wer trägt die Schuld am Sinken des Bootes? Und wer sind die Hintermänner der Schleuser?
Kassem und sein Freund Mahmoud sind von Deutschland nach Kalamata gekommen. Kassem sucht seine Frau - sie war auf dem gesunkenen Boot. Mahmoud unterstützt ihn. "Wir haben unsere Information abgegeben, was wir an Fotos und alles andere an Information haben", sagt Kassem. Man habe ihnen gesagt, man werde es mit dem, was über die Lebenden und die Leichen bekannt ist, abgleichen. "Aber bis jetzt hat uns keiner was mitgeteilt."
Die letzte Nachricht hat Kassem von seiner Frau bekommen, kurz bevor sie in Libyen auf das Boot gestiegen ist. Seitdem hat er nichts mehr von ihr gehört.
Viele Vermisste bleiben vermutlich verschollen
Es gibt zwar inzwischen von der griechischen Regierung eine Telefonhotline für Angehörige, um die geborgenen Opfer des Unglücks leichter zu identifizieren. Aber viele der Vermissten werden wahrscheinlich gar nicht erst gefunden. Nur 104 Menschen konnten lebend gerettet werden. 78 wurden tot geborgen.
Die meisten der 500 bis 700 Menschen, die auf dem Schiff gewesen sein sollen, sind wohl zusammen mit ihm untergegangen. Viele Frauen und Kinder sollen unter Deck gewesen sein.
Überlebende des Bootsunglücks schlafen in einem Lagerhaus im Hafen der Stadt Kalamata.
Widersprüchliche Aussagen zur Küstenwache
Unterdessen geht der Streit weiter, wie es zu dem Unglück kommen konnte. Denn es ist direkt vor den Augen potenzieller Helfer passiert. Vor allem die Rolle der griechischen Küstenwache ist unklar.
Mehrere gerettete Migranten haben berichtet, dass die griechische Küstenwache versucht habe, ihr Boot in Schlepptau zu nehmen. Ein Geretteter, der seinen Namen nicht nennen will, beschreibt die Situation so: "Die griechische Küstenwache kam auf uns zu. Sie warfen uns ein blaues Seil zu. Wir haben das Schiff daran festgemacht. Sie begannen, unser Schiff abzuschleppen." Dadurch sei das Schiff ins Wanken gekommen und gesunken.
Die griechische Küstenwache und die griechischen Behörden weisen die Vorwürfe vehement zurück. "Wir haben das Schiff nicht in Schlepptau genommen", so Regierungssprecher Ilias Siakantaris. "Es gab ein Tau, um es zu stabilisieren, um näher heranzukommen, um zu sehen, ob sie Hilfe brauchen. Sie sagten, sie wollten keine Hilfe, sondern nach Italien, und sind weitergefahren."
Irgendwann, so lautet die Version der Küstenwache, habe sich das Boot nicht mehr bewegt. Die Migranten an Bord hätten von einem Maschinenschaden gesprochen. Wenig später sei das Boot gekentert und innerhalb kürzester Zeit gesunken. Im Moment steht also Aussage gegen Aussage. Wie es zu dem Unglück kam, ist weiter unklar.
Mutmaßliche Schleuser festgenommen
Festgenommen wurden allerdings bisher neun Männer: Sie waren unter den Geretteten des Unglücks und sollen als Schleuser agiert haben. Sie sollen nun der Staatsanwaltschaft vorgeführt werden. Einer hat bereits zugegeben, Geld dafür erhalten zu haben, während der Überfahrt Arbeiten am Schiff vorzunehmen.
Es wird vermutet, dass die Männer Teil eines großen Schleuserrings sind. Der soll in den vergangenen Monaten bis zu 18 solcher Fahrten von Libyen nach Italien organisiert haben. Ein lukratives Geschäft: Gerettete haben angegeben, dass sie 5000 bis 6000 Euro pro Kopf für einen Platz auf dem Boot bezahlt haben.
Die griechischen Behörden haben nun die europäische Polizeibehörde Europol um Hilfe gebeten, um an die Hintermänner des Schleuserrings zu kommen. Es wird vermutet, dass sie vor allem in Italien und Ägypten sitzen.