Nach Bootsunglück im Mittelmeer Küstenwache nimmt mutmaßliche Schleuser fest
Nach dem schweren Bootsunglück vor der griechischen Küste sind neun Überlebende festgenommen worden. Sie sollen Hunderte Menschen auf einen rostigen Kutter gepfercht haben, der auf dem Weg nach Italien gesunken war.
Einen Tag nach dem schweren Bootsunglück im Mittelmeer mit mindestens 78 Toten hat die griechische Küstenwache neun Überlebende festgenommen. Sie sollen als Schleuser agiert haben. Wie der staatliche Rundfunk (ERT) berichtete, wird den aus Ägypten stammenden Männern unter anderem die Bildung einer kriminellen Organisation vorgeworfen. Sie sollen dem Staatsanwalt der Hafenstadt Kalamata vorgeführt werden. Dieser werde entscheiden, wie es weitergehe, hieß es.
Es wird befürchtet, dass beim Untergang des Fischkutters am Mittwoch rund 50 Seemeilen südwestlich der griechischen Halbinsel Peloponnes Hunderte Migranten ums Leben gekommen sind. Die Küstenwache konnte 104 Menschen retten, 78 Tote wurden bislang geborgen. Den Großteil der Opfer scheint der rostige, gut 30 Meter lange Fischkutter mit sich in die Tiefe gerissen zu haben. Insgesamt könnten sich zwischen 500 und 700 Menschen an Bord befunden haben, wie die Behörden unter Berufung auf die Befragung Überlebender und Schätzungen der Kapazität des Bootes bekannt gaben.
Leichen werden in Athen untersucht
Bis zum Freitag sollen die Überlebenden in ein Flüchtlingslager nahe Athen gebracht werden. Die meisten Passagiere stammen laut Küstenwache aus Syrien, Afghanistan und Pakistan. Die geborgenen Toten wurden bereits im Laufe des Donnerstags nach Athen gebracht, wo versucht werden soll, die Leichen unter anderem mit Hilfe von DNA-Proben zu identifizieren.
Nach neuesten Erkenntnissen der Küstenwache startete der Fischkutter vor einigen Tagen aus Ägypten, machte dann einen Stopp im libyschen Tobruk und nahm weitere Menschen auf. Danach nahmen die Schleuser Kurs auf Italien. Migranten sollen den Organisatoren des Unglücksboots nach eigenen Angaben pro Kopf zwischen 5000 und 6000 Euro gezahlt haben.
Offenbar Massenpanik an Bord
Medienberichten zufolge soll es an Bord zur Massenpanik gekommen sein, als die Maschinen des alten Kutters ausfielen. Das übervolle Schiff sei daraufhin aus dem Gleichgewicht gekommen, gekentert und sofort gesunken. Überlebende gaben an, dass viele Passagiere nicht schwimmen konnten und auch kaum einer eine Schwimmwesten trug. Auch hätten sich die Menschen unter Deck so schnell nicht ins Freie retten können. Unter ihnen seien viele Frauen und bis zu 100 Kinder gewesen, hieß es.
Die griechische Küstenwache und auch vorbeifahrende Frachter hätten der Besatzung des Boots per Funk wiederholt Hilfe angeboten, sagte ein Sprecher der Behörde. Die Besatzung hätte das Angebot jedoch ausgeschlagen mit der Begründung, man wolle Italien erreichen. Weil sich das Boot in internationalen Gewässern befand, konnten die Beamten erst eingreifen, als der Kutter in der Nacht zum Mittwoch in Seenot geriet und kenterte.
Zahlreiche Menschen waren auf dem Fischerboot, das später vor Südgriechenland kenterte und sank.
Auch die EU-Grenzschutz-Agentur Frontex wusste um das gefährdete Boot. Seine Kollegen hätten das Boot am Dienstag entdeckt und den Behörden gemeldet, sagte Frontex-Chef Hans Leijtens der "Süddeutschen Zeitung". Er selbst sei direkt nach Griechenland geflogen, um zu klären, was genau passiert sei.
Scholz und Faeser reagieren bestürzt
Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich angesichts des Unglücks bestürzt. "Das ist bedrückend und ruft uns alle mal mehr dazu auf, alles dafür zu tun, dass Menschen nicht diese gefährlichen Fluchtrouten wählen", sagte der SPD-Politiker. Er wünsche sich eine Lösung mit Hilfe eines gemeinsamen und solidarischen "Systems des Umgangs" mit der Migration in Europa.
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezog Stellung: "Wir dürfen angesichts dieser Not nicht abstumpfen, sondern müssen beharrlich weiter daran arbeiten, legale Migrationswege zu schaffen und Migrationsabkommen zu schließen, die Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit achten", sagte sie. Wenn Menschen nach klaren Kriterien nach Deutschland kämen, zerstöre das auch das Geschäftsmodell der Schleuser.