Griechenlands neue Flüchtlingslager Container, warmes Wasser und Stacheldraht
Auf griechischen Inseln sind mehrere Flüchtlingslager in Bau oder schon fertig. Hier könnte im Schnellverfahren über die Schicksale der Menschen entschieden werden. Dabei stoßen die Unterkünfte schnell an ihre Grenzen.
Wer das neue Aufnahmelager auf der Insel Lesbos erreichen will, der muss motorisiert sein. Von der Inselhauptstadt Mytilini geht es in die Berge, mitten in den Wald. Nach einer halben Stunde zweigt von der Teerstraße eine Schotterpiste ab. Richtung Müllkippe.
Dahinter, von Sicherheitspersonal bewacht, entsteht gut versteckt gerade das, was bald das europäische Flüchtlingsproblem mit lösen soll: Ein riesiges Containerdorf, hinter doppeltem Stacheldraht. Ein Closed Controlled Access Centre, ein geschlossenes Lager. Bis zu 10.000 Menschen könnten hier einmal untergebracht werden.
Lefteris Papayannakis vom griechischen Flüchtlingsrat sagt dazu: Die grundsätzliche Politik der Regierung sei es, die Camps möglichst weit von der einheimischen Bevölkerung zu bauen. "Basierend auf dem griechischen Sprichwort: 'Was Du nicht siehst, das belastet Dich nicht.' Der Zugang ist beschränkt. Und auch die Möglichkeiten, sich von dort wegzubewegen", erzählt er weiter.
Kritik von Nichtregierungsorganisationen
Noch ist das Lager nicht in Betrieb. Aber auf anderen Inseln sind sie bereits fertig. Zum Beispiel auf Kos oder Samos. Nichtregierungsorganisationen bemängeln, dass die Arbeit für sie teils schwieriger geworden sei. Das liegt daran, dass nicht mehr jeder in die Camps hinein darf.
Am Eingang: eine Sicherheitsschleuse, ähnlich wie am Flughafen, mit Röntgengerät, Wachpersonal und Kameras. Bewohnerinnen und Bewohner müssen eine Chipkarte an einen Leser halten und die Schranke zusätzlich mit einem Finger-Scan freigeben. Sie würden isoliert, glauben etwa Vertreter von Ärzte ohne Grenzen auf der Insel Samos.
Kein Vergleich mehr zu Moria
Griechenlands Regierung hat die Camps dagegen immer wieder als großen Fortschritt gepriesen. Auf insgesamt fünf griechischen Inseln sind sie fertig oder noch in Bau. Finanziert von der EU mit mehreren Hundert Millionen Euro. Es ist alles wohl geordnet, kein Vergleich mehr zu Moria, dem 2020 abgebrannten Zeltlager auf Lesbos, in dem NGOs immer wieder von unhaltbaren hygienischen Zuständen gesprochen hatten.
In den jetzigen Camps steht Container neben Container, mit Warmwasser-Modulen auf den Dächern. Es gibt Gemeinschaftsküchen und -bäder, Spiel- und Sportplätze. Um Konflikte zu vermeiden, sind die Bewohnerinnen und Bewohner nach Herkunft sortiert untergebracht.
Premierminister Kyriakos Mitsotakis hat zuletzt wieder unterstrichen, wie viel Griechenland damit für die Migrationsfrage in der EU tue: "Ich möchte betonen, dass es ein komplizierter und teurer Prozess ist, diese Aufnahmezentren auf den Inseln einzurichten. Und ich möchte auch betonen, dass die finanziellen Ressourcen der EU, die für die nächsten Jahre dafür vorgesehen sind, vielleicht nicht ausreichen werden, damit wir die Aufgaben erfüllen."
Premierminister Mitsotakis zweifelt, ob die Gelder der Europäischen Union ausreichen.
"Sie haben uns alles weggenommen"
Wer es bis ins Camp geschafft hat, der fühlt sich in der Regel erstmal sicher. Etwa Selma aus dem Sudan. Sie ist auf Lesbos gelandet und im Lager Kara Tepe nahe der Inselhauptstadt Mytilini untergebracht. Wie viele Geflüchtete berichtet sie uns davon, dass sie die gefährliche Überfahrt aus der Türkei mehrfach versuchen musste. Weil die griechische Küstenwache sie zurückgestoßen hätte.
"Einmal sind wir hierher nach Griechenland gekommen und die Polizei hat uns geschnappt. Sie haben uns alles weggenommen", berichtet sie. "Und dann sind wir sechs Stunden lang auf dem Wasser gewesen. Das Boot hat so geschwankt. Dann ist eine andere Polizei gekommen, die uns geholfen hat. Und sie hat uns wieder in die Türkei gebracht."
Indizien für illegale Pushbacks
Illegale Pushbacks. Griechenlands Regierung hat immer wieder betont: Daran beteilige man sich nicht. Gleichzeitig sprechen sehr viele Indizien genau dafür: Dass Griechenlands Küstenwache Geflüchtete zurück in die Türkei drängt.
Der letzte Fall liegt laut Homepage der türkischen Küstenwache nur wenige Tage zurück. 12. Oktober: 14 irreguläre Migranten mit sieben Kindern an Bord eines Schlauchboots seien "durch griechische Einsatzkräfte zurück in türkisches Hoheitsgewässer gedrängt" und dann von der türkischen Küstenwache gerettet worden.
Lager schnell an ihren Grenzen
Selma erzählt: Sie wolle weiter nach Deutschland. So wie viele Flüchtlinge, die in Griechenland ankommen. Lefteris Papayiannakis vom griechischen Flüchtlingsrat sieht das Problem unter anderem in der griechischen Sozialpolitik. Gerade erst ist bekannt geworden, dass Tausende Asylbewerber seit April kein Geld mehr erhalten haben.
Die griechische Regierung dagegen spielt den Ball zurück nach Deutschland: Dort gebe es eine äußerst tolerante und großzügige Sozialpolitik, sagt Mitsotakis.
Was die Lager auf den griechischen Inseln angeht, so zeigt sich immer wieder, dass sie schnell an ihre Grenzen stoßen könnten. Obwohl die Ankunftszahlen derzeit überschaubar sind, sind manche der Lager regelmäßig voll. Und jetzt, mit dem Krieg in Gaza und im Libanon, fürchtet Griechenland eine neue Welle an Migrantinnen und Migranten.