EuGH zu afghanischen Frauen Europa darf die Augen nicht verschließen
Der EU hat entschieden, dass afghanische Frauen jetzt ein Recht auf Asyl ohne Einzelfallprüfung haben. Das ist mutig, findet Gigi Deppe - gerade in Zeiten, in denen Parteien Zulauf haben, die Migration bekämpfen wollen.
Es ist in diesen Tagen eher unpopulär, für das Recht auf Asyl zu sein. Da scheint es geradezu bemerkenswert, dass das oberste Gericht der EU sich so deutlich dafür ausspricht, einer bestimmten und grundsätzlich auch großen Gruppe von Menschen hier sicheren Schutz zu gewähren.
Das Elend der afghanischen Frauen beschreibt der Gerichtshof so deutlich und ungeschminkt, dass klar wird - hier waren sich alle auf der Richterbank einig: Diese Frauen brauchen Schutz, und zwar dringend.
Zwangsheirat, Misshandlungen, Arbeitsverbote
Tatsächlich sind die Nachrichten aus Afghanistan furchterregend und deprimierend. Der Gerichtshof zählt sie noch einmal auf: Dass junge Frauen teils noch als Kinder zwangsverheiratet werden. Dass sie keine Möglichkeit haben, sich zu wehren, wenn gewalttätige Ehemänner sie misshandeln.
Dass sie ihren Körper und insbesondere auch ihr Gesicht verhüllen müssen, sich nur unter erschwerten Bedingungen in der Öffentlichkeit bewegen dürfen, kaum Zugang zur Gesundheitsversorgung haben. Ganz zu schweigen von den Arbeitsverboten und dem Ausschluss aus weiterbildenden Schulen.
Ein Signal an alle Behörden der EU
Die Frauen in Afghanistan werden als Gruppe verfolgt, sagt der EuGH. Da müssen keine aufwendigen Beweise geführt werden. Sie haben Schutz zu bekommen. Punkt. Wobei die eine Richterin und die vier Richter andeuten, die Lage in Afghanistan könnte auch mal wieder besser werden. Derzeit sei es aber notwendig, die Frauen zu schützen. Ein klares Signal an alle Behörden und Gerichte in der EU.
Nun wird es das Gros der Afghaninnen nicht nach Europa schaffen. Die Entscheidung betrifft vor allem diejenigen, die schon hier sind und um einen sicheren Aufenthaltsstatus kämpfen. Und das ist auch sehr wichtig: Frauen, die zu uns kommen, fallen typischerweise weniger auf und werden hierzulande besser akzeptiert als die vielen allein reisenden jungen Männer.
Das zeigt das Beispiel der Ukrainerinnen. Trotzdem ist das Urteil des EuGH mutig in einer Zeit, in der in ganz Europa Politiker gewählt werden, deren vorrangigstes Ziel es ist, jegliche Migration zu bekämpfen. Europa hat sich zu Menschenrechten bekannt, sagt das Gericht, und das füllen wir mit Leben.
Eine Entscheidung, die gut tut
Ja, die europäischen Gesetze sind so zu verstehen, dass wir den Afghaninnen beistehen wollen. Auch wenn die Frauen in ihrer Heimat vielleicht einzelne Maßnahmen aushalten könnten, etwa, dass sie sich verschleiern müssen - wenn wir alles zusammenzählen, ist es ganz klar: Dieser Teil der afghanischen Bevölkerung wird eindeutig verfolgt.
Die Entschiedenheit, mit der sich die Luxemburger Richterin und ihre vier Kollegen für die Unterdrückten einsetzen, tut gut. Sicher, Migration vernünftig zu steuern, ist eine schwierige Aufgabe. Aber trotzdem darf die Menschlichkeit nicht verloren gehen, die zum Kern des Rechtsstaates gehört. Vor dem Elend der Frauen in Afghanistan darf Europa nicht die Augen verschließen.