Polens neuer Ministerpräsident Tusk dürfte kein allzu bequemer Partner werden
An Tusks Haltung als Pro-Europäer gab es nie Zweifel. Auf dem EU-Gipfel wird deshalb erwartet, dass Polens neuer Ministerpräsident das Verhältnis zu Brüssel wieder kittet. Den Partnern könnte er aber einiges abverlangen.
Die Einrichtung ist immer noch die gleiche: der kreisrunde Tisch, die mit bunten Rechtecken versehene Decke und der Teppich im Saal des Europagebäudes. Hier kommen die 27 EU-Staats- und Regierungschefs auch heute wieder zusammen, unter ihnen ist Donald Tusk, erneut ist er polnischer Ministerpräsident.
Er kennt den Raum. Denn hier leitete er fünf Jahre lang die Sitzungen als Ratspräsident und amüsierte die Presse immer wieder mal mit schnippischen Sprüchen. Bei zermürbenden Nachtsitzungen zur Brexit-Scheidung fragte er einst, wie denn der spezielle Platz in der Hölle für ihre Befürworter aussehe.
EU verwehrt Milliardenzahlungen
Bei seiner zweiten großen Herausforderung - der Migrationskrise - sah Tusk zu, wie sich die EU-Staaten seit 2015 heillos zerstritten haben. Noch bis heute ringen sie um eine gemeinsame Asylpolitik. Das Führungsduo Tusk und Jean-Claude Juncker, der damalige Kommissionspräsident, galt in seinen letzten Amtsjahren vor allem als führungsschwach.
Und dennoch: An Tusks politischem Kompass als Pro-Europäer gab es nie Zweifel. Deshalb verbindet sich mit ihm die Hoffnung, dass er das kitten kann, was acht Jahre PiS-Regierung an Schaden angerichtet haben. Polens Rechtskonservative hatten die Unabhängigkeit der Justiz beschnitten und die öffentlich-rechtlichen Medien zu Propagandaorganen umgebaut. In Folge blieben Polen Milliardenzahlungen aus der EU verwehrt.
Tusk: "Keine Manöver, keine Spielereien"
Schon wenige Tage nach der Parlamentswahl Mitte Oktober demonstrierte Tusk bei Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen seinen Willen, den Dauerstreit zu beenden. Es soll also wieder frischer Wind wehen im Verhältnis Warschau-Brüssel. "Das wird die Rückkehr Polens zu Verhandlungen, zum Verhandlungstisch sein. Es wird kein Polen mehr geben, das EU-Politik von Grund auf ablehnt", glaubt Robert Biedron, Europaabgeordneter von der linken Nowa Lewica, die jetzt Teil von Tusks Regierungsbündnis ist.
Stattdessen hat Polen die Möglichkeit, mit den großen Spielern in der EU zusammenzusitzen. Das verdiene das Land auch. "Wir sind wirtschaftlich das fünftstärkste Land in der EU und dieses Gewicht sollten wir in Verhandlungen einbringen, statt alles in Frage zu stellen", meint Biedron.
Bei der Vorstellung seines Programms im polnischen Parlament hatte Tusk einen neuen Stil versprochen. Polen wolle mit seinen EU-Partnern respektvoll zusammenarbeiten - und sich damit wieder Geltung in der Europäischen Union verschaffen. "Keine Manöver, keine Spielereien, keine Versuche, die EU-Verträge gegen unsere Interessen zu verändern. Das kommt überhaupt nicht in Frage", stellte Tusk aber ebenso in Warschau klar.
Tusk will keine Kursänderung in der Grenzpolitik
In Berlin dürfte man das weniger gerne hören. Die Bundesregierung hofft darauf, weitreichende institutionelle Reformen in der Europäischen Union anzuschieben. Sie will von der Einstimmigkeit zu Mehrheitsentscheidungen übergehen, gerade auch um die EU fit für neue Mitglieder zu machen. Bis zur Europawahl im Juni soll außerdem das Europäische Asylsystem zu Ende verhandelt werden.
Tusk will sich nicht kategorisch einer gemeinsamen Migrationspolitik verweigern, aber auch keinen gänzlich anderen Kurs einschlagen. "Polens östliche Grenze wird eine dichte Grenze sein. Polens Behörden und wir alle werden uns dafür einsetzen, dass polnische und europäische Grenzen effektiv geschützt werden", sagte er bei seiner Rede in Polens Parlament Anfang der Woche. Man könne das schaffen und dabei gleichzeitig respektvoll mit anderen Menschen umgehen.
PiS-Abgeordneter: "Polens Stellung wird nicht stärker"
Das war ein Seitenhieb auf die rechtskonservative PiS, deren Migrationspolitik vor allem auf Ressentiments gegenüber Migranten aufbaut. Die ehemalige Regierungspartei bleibt gegenüber Tusk weiterhin unversöhnlich: Aus Sicht des PiS-Europaabgeordneten Ryszard Legutko wird Tusk der willfährige Gefährte sein, der politischem Druck aus Brüssel und Berlin ständig nachgeben wird.
"Mit Donald Tusk als Premier wird sich die Sprache ändern, wie man über Polen spricht. Die polnische Regierung wird gelobt werden, aber Polens Stellung wird dadurch nicht stärker", sagt Legutko. Alle wüssten, dass Tusk das machen werde, was man ihm sage. Darauf gründe sein politischer Erfolg. "Endlich hört Polen auf, das Problem zu sein. Donald Tusk wird das machen, was Brüssel von ihm verlangt."
Zunächst will Tusk aber etwas von seinen europäischen Partnern abverlangen. Beim EU-Gipfel möchte er sich dafür stark machen, dass die Unterstützung für die Ukraine nicht nachlässt.