Rede im Parlament Tusk will Polen zum "Anführer innerhalb der EU" machen
Der Machtwechsel in Warschau ist so gut wie vollzogen. Der neue Regierungschef Tusk hat in einer Rede im Parlament nun die Leitlinien seiner Politik umrissen, die EU spielte dabei eine große Rolle. Tusks Vereidigung steht noch aus.
Polens designierter Regierungschef Donald Tusk hat zur Einhaltung der Werte von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit aufgerufen und eine gute Zusammenarbeit seines Landes mit der EU angekündigt. "Was wirklich eine Gemeinschaft formt, sind Rechtsstaatlichkeit, die Verfassung, die Regeln der Demokratie, sichere Grenzen und ein sicheres Landesgebiet. Das sind die Dinge, über die wir uns nicht streiten dürfen", sagte Tusk bei der Vorstellung seiner Regierungspläne im Abgeordnetenhaus Sejm.
Unter seiner Regierung werde Polen durch gute Zusammenarbeit die Position eines "Anführers innerhalb der EU" erreichen, erklärte er. "Wir sind umso stärker, umso souveräner, je stärker die Europäische Gemeinschaft ist." Ein isoliertes Polen sei größten Risiken ausgesetzt. Mit etwa 37 Millionen Einwohnern ist Polen das fünftgrößte Land der EU - nach Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien.
Es sei auch ein Grund für den Sieg des proeuropäischen Dreierbündnisses bei der Parlamentswahl gewesen, dass viele Wähler in Polen sich gewünscht hätten, dass das Land in der EU eine wichtige Rolle spiele. Tusk versprach auch, er werde dafür sorgen, dass die eingefrorenen Milliarden aus dem Corona-Hilfsfonds der EU freigegeben würden.
Am Mittwoch soll Tusk vereidigt werden
Tusk hatte am Montag vom polnischen Parlament den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Seine proeuropäische Koalitionsregierung muss am Nachmittag noch eine Vertrauensabstimmung überstehen. Da sie sich auf 248 von 460 Abgeordneten stützen kann, sollte dies keine Probleme bereiten. Tusks Kabinett könnte dann am Mittwoch vereidigt werden, sodass er als neuer polnischer Ministerpräsident am EU-Gipfel in Brüssel am Donnerstag und Freitag teilnehmen könnte.
Der 66-Jährige Danziger war bereits von 2007 bis 2014 polnischer Regierungschef gewesen. Anschließend amtierte er bis 2019 als EU-Ratspräsident. Mit seiner pro-europäischen Rhetorik unterscheidet Tusk sich deutlich von der bisherigen polnischen Regierung der rechtsnationalistischen PiS-Partei unter dem bisherigen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki.
Das frühere Regierungslager hatte über Jahre mit Brüssel wegen einer umstrittenen Justizreform über Kreuz gelegen. Die EU-Kommission hat mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen das EU-Mitglied eingeleitet und blockiert einen milliardenschweren Corona-Hilfsfonds.
Tusk: "Volle Mobilisierung der freien westlichen Welt"
In seiner Rede kündigte Tusk auch an, den Westen zu mehr Unterstützung für die angegriffene Ukraine bewegen zu wollen. "Es gibt keine Alternative", sagte er. Er könne es nicht mehr hören, wenn manche westlichen Politiker von einer Ermüdung durch die Situation in der Ukraine sprechen würden.
"Wir werden laut und entschieden die volle Mobilisierung der freien westlichen Welt für die Unterstützung der Ukraine in diesem Krieg verlangen." In ein paar Stunden reise er zum EU-Gipfel nach Brüssel. Dort wolle er "anders als bisher" Wege finden, um Polens traditionelle Verbündeten von der Notwendigkeit der Hilfe zu überzeugen, sagte Tusk weiter.
Blockade an Grenze soll beigelegt werden
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gehörte Polen zu den wichtigsten politischen und militärischen Unterstützern seines Nachbarlandes. Zuletzt war es aber unter der Vorgängerregierung der nationalkonservativen PiS zu Spannungen zwischen Warschau und Kiew gekommen.
Tusk versprach in diesem Zusammenhang eine Lösung des Lkw-Streits an der polnisch-ukrainischen Grenze. Seine Koalition habe "einen Weg gefunden, den Bedürfnissen der polnischen Lkw-Fahrer so schnell wie möglich gerecht zu werden und die Grenze sofort freizugeben", sagte Tusk.
Polnische Transportunternehmen blockieren seit Anfang November mehrere wichtige Grenzübergänge zur Ukraine. Die Spediteure beklagen "unfairen Wettbewerb" durch ukrainische Unternehmen, nachdem die EU wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine eine Reihe von Auflagen für den Grenztransport ausgesetzt hatte. Wegen der Blockade war der Güterverkehr zwischen beiden Ländern zeitweise weitgehend zum Erliegen gekommen.