Streit um EU-Milliardenhilfe Brüssel und Polen kommen sich näher
Die EU-Kommission will der neuen Regierung Polens einen finanziellen Vertrauensvorschuss geben: Unter Auflagen sollen 5,1 Milliarden Euro aus dem europäischen Corona-Wiederaufbaufonds freigegeben werden.
Die EU-Kommission und Polen sind im Streit um bislang blockierte Milliardengelder für Warschau einen Schritt weitergekommen. Die Brüsseler Behörde genehmigte Polens Plan für seine fast 60 Milliarden Euro umfassenden EU-Corona-Hilfen. Davon sollen 34,5 Milliarden Euro in Form von Darlehen und 25,3 Milliarden Euro in Form von Zuschüssen gewährt werden, wie die Kommission mitteilte.
Damit entspannt sich die Lage in einem länger andauernden Streit. Polen hatte seinen Aufbauplan im Mai 2021 eingereicht. Um Geld aus der sogenannten Aufbau- und Resilienzfazilität (RRF) der EU zu erhalten, mussten Mitgliedsstaaten einen Plan mit Investitions- und Reformvorhaben vorlegen.
"Super-Meilensteine" bleiben unverändert
Wie die Kommission mitteilte, sind drei sogenannte "Super-Meilensteine" im Zusammenhang mit Reformen im überarbeiteten polnischen Plan unverändert geblieben. Dies bedeute, dass keine Auszahlung nach einem Zahlungsantrag im Rahmen der Sonderfazilität möglich ist, bevor Polen die drei Meilensteine zufriedenstellend erfüllt hat.
Zu diesen sogenannten "Super-Meilensteinen" gehören unter anderem die Stärkung der Unabhängigkeit der polnischen Justiz und bestimmte Schritte im Kampf gegen die Korruption.
PiS verlor die Wahl und hat keinen Koalitionspartner
Die EU-Staaten haben laut der Kommissionsmitteilung vier Wochen Zeit für eine Entscheidung. Für einen Beschluss ist eine qualifizierte Mehrheit nötig, also mindestens 15 der 27 Mitgliedstaaten, die zusammen für mindestens 65 Prozent der europäischen Bevölkerung stehen.
Diese Zustimmung werde es Polen erlauben, 5,1 Milliarden Euro als Vorfinanzierung zu erhalten, so die Kommission. Die bisherige polnische Regierungspartei PiS lag wegen ihrer umstrittenen Justizreform mit Brüssel über Kreuz. Sie verlor bei der Wahl am 15. Oktober jedoch die absolute Mehrheit und hat keinen Koalitionspartner.
Tusk noch keinen Auftrag zur Regierungsbildung
Die Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit war eines der zentralen Wahlversprechen des früheren Regierungschefs und ehemaligen EU-Ratspräsidenten Tusk. Er will an der Spitze der liberal-konservativen Bürgerkoalition die neue Regierung stellen.
Allerdings hat Tusk bisher keinen Auftrag zur Regierungsbildung von Präsident Andrzej Duda erhalten. Der Staatschef beauftragte stattdessen die amtierende Regierungspartei PiS. Es gilt allerdings als unwahrscheinlich, dass die PiS die nötige parlamentarische Mehrheit zustande bekommt.
In Brüssel rechnen einige damit, dass Tusk bereits zum nächsten EU-Gipfel Mitte Dezember wieder im Amt sein könnte. Als hoch symbolisches Zeichen der Wiederannäherung hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Tusk Ende Oktober in Brüssel empfangen. Dieser hatte nach dem Treffen bekundet, er wolle "das Geld sichern, das auf Polen wartet".