Mutmaßliches Visa-Betrugssystem EU fordert Antworten von Warschau
Wurden durch polnische Konsulate unrechtmäßig Visa ausgestellt, auch Schengen-Visa? Das wollen die EU und Deutschland genauer wissen und fordern Aufklärung von der Regierung in Warschau. Die wies die Vorwürfe zurück.
Die EU-Kommission und die Bundesregierung haben Polen zur Aufklärung in der Affäre um möglichen Visa-Betrug gedrängt. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson forderte in einem Brief an die polnischen Behörden "Klarstellungen" und setzte dafür eine Frist bis zum 3. Oktober, wie eine Sprecherin der Kommission sagte. Die Innenkommissarin habe dazu eine Reihe detaillierter Fragen an Warschau gerichtet. Die EU-Kommission nannte die Betrugs- und Korruptionsvorwürfe "sehr besorgniserregend". Zu befürchten sei ein Verstoß gegen EU-Recht.
Die Regierung in Warschau wies die Vorwürfe als "absurd" zurück. Dennoch setzt der Visa-Skandal die rechtskonservative polnische Regierung wenige Wochen vor der Parlamentswahl im Oktober massiv unter Druck. Polnische Beamte sollen gegen Bezahlung Tausende bis Hunderttausende Visa vor allem in Asien und Afrika illegal vergeben haben. Darunter sollen auch Schengen-Visa gewesen sein. Die EU-Kommission nannte die Betrugs- und Korruptionsvorwürfe "sehr besorgniserregend".
Bundesregierung erwartet "schnelle Aufklärung"
Bundesinnenministerin Nancy Faeser verlangte ebenfalls "eine schnelle und vollständige Aufklärung", wie ein Ministeriumssprecher sagte. Faeser hatte dazu am Dienstag mit ihrem polnischen Amtskollegen Mariusz Kaminski telefoniert. Zuvor war außerdem der polnische Botschafter Dariusz Pawlos zu einem Gespräch ins Bundesinnenministerium gebeten worden.
Die Bundesregierung erwartet laut dem Ministeriumssprecher Informationen über Zeitpunkt und Zahl der vergebenen Visa sowie über die Staatsangehörigkeiten der Empfänger. Ebenso sei nach Gegenmaßnahmen der polnischen Regierung gefragt worden. "Die Gespräche dazu werden auch weiterhin laufen", betonte der Sprecher.
Netzwerk zur Schleusung über Konsulate?
Im Zentrum des Skandals steht nach polnischen Medienberichten das Außenministerium in Warschau. Ein Vize-Minister wurde deshalb suspendiert. Er soll ein illegales Netzwerk zum Einschleusen von Migranten aus Asien und Afrika über die polnischen Konsulate aufgebaut haben. Externe Unternehmen sollen für die Schleusung bezahlt worden sein.
Mit Hilfe von Schengen-Visa könnten die eingeschleusten Menschen theoretisch auch nach Deutschland oder in andere Mitgliedsländer gelangen. Die Bundespolizei hatte nach Regierungsangaben zuletzt ihre Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze intensiviert.