Reaktionen auf den Tod Sinwars Rückt das Kriegsende näher?
Nach der Tötung des Hamas-Chefs Jihia Sinwar hoffen Politiker weltweit, dass ein Ende des Krieges im Gazastreifen nähergerückt sein könnte. Doch es gibt einiges, was dagegenspricht.
Nach der Tötung von Hamas-Chef Jihia Sinwar hat der israelische Regierungschef Benjamin Netanyahu von einem "Anfang vom Ende" des Gaza-Krieges gesprochen. Sinwar sei von den "mutigen Soldaten" der israelischen Armee getötet worden, so Netanyahu weiter. "Das ist zwar nicht das Ende des Krieges in Gaza, aber der Anfang vom Ende", sagte er in einer Videobotschaft.
Auch US-Präsident Joe Biden hat die Tötung Sinwars begrüßt. Es sei ein guter Tag für Israel, für die Vereinigten Staaten und für die Welt, so Biden in einer vom Weißen Haus veröffentlichten Stellungnahme. US-Geheimdienste hätten das israelische Militär dabei unterstützt, Sinwar und andere Hamas-Anführer ausfindig zu machen, heißt es darin weiter.
Als Anführer der Terrorgruppe sei Sinwar für den Tod Tausender Israelis, Palästinenser, Amerikaner und Menschen aus aller Welt verantwortlich. Er sei der Drahtzieher der Massaker, Vergewaltigungen und Entführungen vom 7. Oktober 2023 in Israel gewesen. Nun sei die Hamas nicht mehr in der Lage, ein weiteres Massaker wie am 7. Oktober zu verüben, so Biden.
Moment nutzen, um Krieg zu beenden
Stattdessen gebe es nun die Chance auf einen "Tag danach" im Gazastreifen ohne die Hamas an der Macht, erklärte Biden weiter. Es gebe auch eine Chance auf eine politische Lösung, die Israelis und Palästinensern gleichermaßen eine bessere Zukunft biete. Sinwar sei dafür ein Hindernis gewesen, das es jetzt nicht mehr gebe. "Aber es liegt noch viel Arbeit vor uns", mahnte er.
Biden telefonierte mit Netanyahu, um ihm zu der Militäroperation gegen Sinwar zu gratulieren, wie das Weiße Haus im Anschluss an das Gespräch mitteilte. Die beiden hätten auch darüber gesprochen, "wie dieser Moment genutzt werden kann, um die Geiseln nach Hause zu bringen und den Krieg zu beenden, so dass Israels Sicherheit gewährleistet ist und die Hamas nie wieder den Gazastreifen kontrollieren kann".
Scholz zeigt sich verhalten
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sieht in der Tötung von Sinwar ebenfalls eine Chance. Sinwar sei ein Terrorist gewesen, der ein Hindernis zu der dringend benötigten Waffenruhe und der Freilassung aller Geiseln dargestellt habe, so Borrell auf der Plattform X.
Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich skeptischer. Er wisse nicht, ob die Tötung Sinwars die Befreiung der Geiseln im Gazastreifen leichter mache. "Wer weiß das? Ich nicht", so Scholz am Donnerstag in Brüssel. Die Geiseln seien einer sehr unmenschlichen Situation ausgesetzt. Er wies weiter auf die von Sinwar begangenen Verbrechen hin: "Hier hat jemand, der schlimmste Verbrechen begangen hat, jetzt offenbar das Leben verloren". Israel habe das Recht, sich gegen die Angriffe der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas zu verteidigen.
Forderungen nach Waffenruhe werden lauter
Der britische Premierminister Keir Starmer sagte, seine Gedanken gelten den Familien der Opfer der militant-islamistischen Hamas. Großbritannien werde den Tod Sinwars jedoch nicht betrauern. In einer Erklärung bezeichnete er Sinwar ebenfalls als den Strippenzieher "hinter dem tödlichsten Tag in der jüdischen Geschichte seit dem Holocaust". Starmer sagte, die "Freilassung aller Geiseln, eine sofortige Waffenruhe und eine Zunahme der humanitären Hilfe sind lange überfällig, damit wir uns auf einen langfristigen, nachhaltigen Frieden im Nahen Osten zubewegen können".
Auch die australische Außenministerin Penny Wong sieht im Tod von Sinwar eine Gelegenheit, den Krieg im Gazastreifen zu beenden. "Sinwar war ein Terrorist, der so vielen Menschen unsägliches Leid zugefügt hat, und seine Gewalt gipfelte im schlimmsten Verlust an jüdischem Leben an einem einzigen Tag seit dem Holocaust. Sinwars Tod ist eine Chance, diesen Krieg zu beenden", so Wong in Adelaide. "Wir rufen erneut zu einer Waffenruhe auf, wir rufen erneut dazu auf, dass die Geiseln nach Hause zurückkehren, und wir rufen erneut dazu auf, dass humanitäre Hilfe nach Gaza geliefert wird", so die Außenministerin.
Sinwar als Vorbild für Jugendliche
Anders sieht es die iranische Mission bei den Vereinten Nationen. Sie schrieb in einem Beitrag auf X: "Der Geist des Widerstands wird gestärkt werden." Sinwar werde "ein Vorbild für die Jugend und die Kinder sein, die seinen Weg zur Befreiung Palästinas fortsetzen werden".
"Solange es Besatzung und Aggression gibt, wird der Widerstand fortbestehen, denn der Märtyrer bleibt lebendig und eine Quelle der Inspiration", gab die iranische UN-Mission weiter an. Der Iran ist Unterstützer der militant-islamistischen Palästinenserterrorgruppe Hamas.
"Von Tag zu Tag weiter eskalieren"
Die Hisbollah-Miliz im Libanon kündigte eine neue Eskalationsstufe in ihren Kämpfen gegen Israel an. Die mit der Hamas verbündete Organisation erklärte am Donnerstag, sie kündige "den Übergang zu einer neuen und eskalierenden Phase in der Konfrontation mit dem israelischen Feind an, die sich in den Entwicklungen und Ereignissen der kommenden Tage widerspiegeln wird".
Die Erklärung erwähnte Sinwar zwar nicht, doch sie folgte auf dessen Tod. So seien "Hunderte Kämpfer darauf vorbereitet, jeden israelischen Bodenangriff auf südlibanesische Dörfer abzuwehren". Die Raketenangriffe der Hisbollah würden von Tag zu Tag weiter eskalieren, dabei kämen nun auch erstmals präzisionsgelenkte Raketen zum Einsatz.