Reaktion in Israel "Wir haben die Rechnung mit Sinwar beglichen"
Feiernde Menschen in den Straßen, neue Hoffnung für die Geisel-Angehörigen - Israel hat erleichtert auf den Tod des Hamas-Anführer Sinwar reagiert. Doch dass sich dadurch am Krieg etwas ändern wird, ist unwahrscheinlich.
Israels oberster Militär, Generalstabschef Herzi Halevi steht im Gazastreifen inmitten einer Trümmerwüste und spricht mit seinen Soldaten. Er hat eine kurze Botschaft an sie: "Wir haben die Rechnung mit Jihia Sinwar beglichen. Mit dem Mann, der für den 7. Oktober verantwortlich war."
Eher zufällig von Drohne entdeckt
Wie die Armee inzwischen bekannt gab, soll Sinwar in Rafah im Süden Gazas, eher zufällig von einer Drohne entdeckt worden sein, zusammen mit zwei weiteren Terroristen. Nachdem das Gebäude, in dem er sich verschanzt hatte, von schwerem Panzerfeuer getroffen wurde, entdeckten israelische Soldaten seine Leiche.
Die Todesumstände Sinwars - für Israels Premier Benjamin Netanyahu eine Gelegenheit, sich direkt an die Bewohner des Gazastreifens zu wenden: "Sinwar hat euer Leben ruiniert. Er sagte euch, er sei ein Löwe, aber in Wirklichkeit versteckte er sich in einer dunklen Höhle - und er wurde getötet, als er in Panik vor unseren Soldaten floh. Seine Eliminierung ist ein wichtiger Meilenstein im Niedergang der Schreckensherrschaft der Hamas. Klar ist: Die Hamas wird Gaza nicht mehr regieren."
Viele Palästinenser sehen ihn als Märtyrer
Dass Israels Premier bei den Menschen in Gaza damit Gehör findet - nach einem Jahr Krieg, mit einem weitgehend zerstörten Gazastreifen und mehr als 40.000 Toten -, ist eher unwahrscheinlich.
Für viele wie den 65-jährigen Ziyad Baghdad aus Chan Yunis war Sinwar ein Held im Kampf gegen den Feind: "Wenn er wirklich tot ist, bedeutet das eine große Ehre für diesen großen Anführer. Wenn die Israelis den Wunsch hätten, mit dem Krieg aufzuhören, wäre das vielleicht eine Grundlage, aber wenn sie mehr Grausamkeiten anrichten wollen, wird sie das nicht abhalten. Sie können das als Bild des Sieges betrachten, aber für uns Muslime ist der Märtyrertod ein Sieg."
Geiseln als menschliche Schutzschilde
Sinwar war der meistgesuchte Mann im Gazastreifen. Über Monate soll er sich in dem weitverzweigten Tunnelsystem versteckt haben. Um nicht gefasst zu werden, vermied er es, mit Mobiltelefonen zu kommunizieren.
Boten überbrachten seine Nachrichten, etwa zu den Geiselverhandlungen. Er soll sich meist mit Geiseln als menschliche Schutzschilde umgeben haben. Bei seiner Tötung waren jedoch keine Geiseln bei ihm.
Neue Hoffnung für Geisel-Angehörige
In Israel stieß die Nachricht von Sinwars Tod auf Genugtuung. In vielen Städten versammelten sich die Menschen, sie jubelten von ihren Balkonen. Neue Hoffnung schöpfen auch die Angehörigen der Geiseln. Etwa Einav Zangauker, deren Sohn Matan immer noch in der Hand der Hamas ist.
"Gerade heute, wo das Land aufatmet, ist es wichtig, daran zu erinnern, dass die Rückkehr der Geiseln ein Kriegsziel ist. Es wird keinen vollständigen Sieg geben, wenn wir nicht ihre Leben retten und sie alle zurückbringen. Wenn Netanyahu diese Dynamik nicht ausnutzt und jetzt nicht eine neue Initiative ergreift, selbst um den Preis der Beendigung des Krieges, bedeutet das, dass er sich entschieden hat, meinen Matan und die anderen Entführten im Stich zu lassen."
Gesamte Führung der Hamas eliminiert
Dass der Tod Sinwars den Kurs der Regierung im Gazastreifen ändert - auch das ist unwahrscheinlich. Zuletzt wurden die Kämpfe gerade im Nordteil des Küstenstreifens wieder intensiver, noch ist die Hamas nicht besiegt.
Unklar ist auch, wie nun die Hamas reagieren wird. Sinwar galt als unangefochtener Führer der Terrororganisation, als Symbolfigur des Widerstandes. Mit ihm wurde nun die gesamte Führung der Hamas eliminiert. Wer nun seine Stelle einnimmt, ist vorerst nicht bekannt.