Aus für UN-Mandat in Mali Naht das Ende der großen UN-Missionen?
Zehn Jahre hat die UN-Mission MINUSMA versucht, Mali zu stabilisieren. Auf Druck Malis hat der UN-Sicherheitsrat nun das Aus der Mission bis Ende dieses Jahres beschlossen. Das betrifft auch die Bundeswehr - und auch andere UN-Missionen?
Von Anfang an stand die Mission unter keinem guten Stern: Unzureichend ausgerüstet und ohne effektive Eigensicherung wurde das UN-Personal schnell Ziel muslimischer Extremisten. Bis heute starben mehr als 300 UN-Soldaten - die Mission ist damit eine der verlustreichsten der UN seit dem Koreakrieg.
Vor allem starben aber Malier, denn die 13.000 UN-Kräfte schafften es nicht, die Zivilbevölkerung zu schützen. Allein in den vergangenen zwölf Monaten sollen in Mali mehr als 3800 Menschen getötet worden sein.
Nach Putsch Hinwendung zu Wagner
Es ist ein endloser Krieg, der die Bewegung zwischen vielen Städten gefährlich macht, vor allem im Osten und Norden des Landes. Der Unmut in der Bevölkerung wurde über die Jahre größer, auch auf die demokratisch gewählten Regierungen, die zuletzt nur noch durch schlechte Regierungsführung samt Korruption von sich reden machten.
Es folgten Militärputsche. Seit dem jüngsten im Mai 2021 wird das Land von einer militärischen Übergangsregierung geführt, heftig kritisiert vom Westen. Der neue starke Mann, Oberst Assimi Goita, knüpfte Kontakte zu Russland und holte bis heute geschätzt 1000 Wagner-Söldner für den Kampf gegen islamistische Terrorgruppen ins Land. Die französische Militärmission wurde dagegen aus dem Land gedrängt.
Als die UN vor wenigen Wochen einen Bericht über ein Massaker veröffentlichten, nach dem mehr als 500 Menschen unter mutmaßlicher Beteiligung russischer Söldner getötet wurden, ließ Goita seinen Außenminister vor dem Sicherheitsrat klarmachen: "Die Mission ist Teil des Problems geworden." Sie müsse unverzüglich enden.
Neue Ungewissheit nach gescheiterter Wagner-Revolte
Das war noch vor dem Aufstand der Wagner-Truppe in Russland. Nun bangt man in Malis Hauptstadt Bamako um die Militärhilfe. Denn Goita und seine Regierung haben mit Wagner alles auf eine Karte gesetzt. Wird es Wagner weiter geben? Werden sich die Bedingungen für die militärische Hilfe ändern?
Offiziell diskutiert wird das nicht, Pro-Regierungsstimmen wie Cheick Tidiane Diarra bringen die Sorgen in den sozialen Medien aber auf den Punkt: "Wenn Russland nicht mehr in der Lage sein sollte, uns mit Munition und Ersatzteilen zu beliefern, wären mehr als 90 Prozent der malischen Militäroperationen betroffen", twittert Diarra.
Beschwichtigende Worte aus dem Moskauer Außenministerium, man werde die Alliierten in Afrika weiter unterstützen, haben die Unsicherheit nicht nehmen können.
Die Folgen für die Zivilgesellschaft
Unklar ist auch, was der Abzug der UN-Mission für die malische Zivilgesellschaft bedeutet. Mali ist ein Land, das reich ist an Kultur, reich an Bodenschätzen, und doch lebt etwa die Hälfte der Menschen unterhalb der Armutsgrenze. Die UN-Mission, so mangelhaft sie doch im militärischen war, hat immerhin eine begrenzte Zahl an Arbeits- und Ausbildungsplätzen gebracht.
Und: Sie hat Entwicklungshilfe in einigen Regionen erleichtert. "Die Entwicklungszusammenarbeit wird deutlich schwieriger werden", sagt Ulf Laessing, Leiter des Regionalprogramms Sahel der Konrad-Adenauer-Stiftung: "Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und andere haben immer den Bundeswehrstandort in Gao genutzt, um da zu übernachten und von dort aus dann Projekte anzusehen. Das wird künftig nicht mehr möglich sein."
Eine Spirale aus Armut und Gewalt
Dabei wäre mehr Hilfe nötig. Nach UN-Recherchen haben die Dschihadisten-Gruppen - nicht nur in Mali - Zulauf, weil die sozialen Probleme wie Arbeitslosigkeit und Armut immer größer werden, auch auf Grund der zunehmenden Gewalt. Von Glaubenskriegern kann bei den meisten kaum noch die Rede sein.
Eine Spirale ist in Gang gesetzt, die 1000 skrupellose Wagner-Söldner nicht stoppen werden, wenn das schon 5000 Soldaten Frankreichs und 13.000 der UN nicht gelang.
Wahrscheinlicher ist, dass die Zahl der Toten weiter steigt - und die Zahl der Flüchtlinge, von denen viele schon über die Grenzen des Landes drängen. Das bekommt bereits das Nachbarland Niger zu spüren, das nächste Ziel deutscher Militärhilfe.
Den Westen lässt das vorzeitige Ende der Mali-Mission ratlos zurück. Nach dem Scheitern der internationalen Gemeinschaft ist die Frage: Was bleibt? Ulf Lessing glaubt: "Es ist ein bisschen der Anfang vom Ende dieser großen Friedensmissionen. Das ist schon eine Ära, die zu Ende geht."