Prozess in München Lebenszeichen von Ex-Wirecard-Vorstand Marsalek
Im Wirecard-Prozess geht es um Betrug in Milliardenhöhe: Geklärt werden soll, wer dafür verantwortlich war. Ex-Vorstand Marsalek meldete sich nun erstmals seit seiner Flucht über seinen Anwalt - bleibt aber weiter untergetaucht.
Der flüchtige ehemalige Wirecard-Vorstand Jan Marsalek hat sich laut Medienberichten über seinen Verteidiger schriftlich an das Landgericht München I gewandt. Demnach bestätigten Sprecher von Staatsanwaltschaft und Gericht den Eingang eines solchen Schreibens bei der 4. Großen Strafkammer, die über den mutmaßlichen Milliardenbetrug bei Wirecard verhandelt.
Zum Inhalt sagten beide aber nichts. Zuvor hatte die "Wirtschaftswoche" über den Brief berichtet. Der Nachrichtenagentur AFP sagte Marsaleks Anwalt: "Wir haben uns zu verschiedenen Facetten und verschiedenen Personen geäußert."
Offenbar Stellungnahme zum Drittpartnergeschäft
Dem Bericht der "Wirtschaftswoche" zufolge ging der Österreicher nicht konkret auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe ein. Er äußerte sich demnach aber zum Drittpartnergeschäft in Asien, das im Mittelpunkt des Prozesses gegen den ehemaligen Vorstandschef Markus Braun und zwei weitere ehemalige Manager steht. "Er soll zu verstehen gegeben haben, dass dieses - anders als von der Staatsanwaltschaft behauptet - doch existierte", heißt es in dem Bericht ohne Angabe von Quellen.
Marsalek, der für das Asien-Geschäft verantwortlich war und sich kurz nach der Pleite des Zahlungsabwicklers vor drei Jahren abgesetzt hatte, würde damit Brauns Position stützen. Dieser hat in dem Prozess mehrfach beteuert, dass Wirecard in Asien tatsächlich Geschäfte für Drittpartner abgewickelt habe und das daraus erlöste Geld beiseite geschafft worden sei.
Anschuldigungen gegen Ex-Geschäftsführer
Die Staatsanwaltschaft hält die angeblichen Milliardengeschäfte für eine Fälschung und die daraus erzielten Gewinne für erfunden. Der ebenfalls angeklagte ehemalige Wirecard-Vertreter in Dubai, Oliver Bellenhaus, hat den milliardenschweren Betrug als Kronzeuge eingeräumt. Marsalek habe in dem Schreiben seines Anwalts zu verstehen gegeben, dass Bellenhaus in mehreren Punkten nicht die Wahrheit sage, heißt es in dem Bericht des Magazins.
Bellenhaus' Anwalt Florian Eder sagte der "Wirtschaftswoche" dazu: "Man kann viel schreiben und viel sagen, man muss aber nicht alles glauben." Auch Insolvenzverwalter Michael Jaffe hat keine Spuren der Transaktionen gefunden und hält es für erwiesen, dass diese Geschäfte erfunden waren.
Anklage wegen bandenmäßigen Betrugs
Braun und die zwei Mitangeklagten stehen unter anderem wegen bandenmäßigen Betrugs vor Gericht. Ihnen drohen lange Haftstrafen. Seit einigen Monaten bereits wird am Landgericht München I in Sachen Wirecard verhandelt. Die Wirecard-Insolvenz ist einer der größten Wirtschaftsskandale der Bundesrepublik. Braun soll zusammen mit der restlichen Wirecard-Chefetage über Jahre Scheingeschäfte in Milliardenhöhe verbucht und so hohe Kredite erschwindelt haben. Er bestreitet die Vorwürfe und macht Marsalek verantwortlich.
Der frühere Wirecard-Vorstand hatte sich im Sommer 2020 ins Ausland abgesetzt, als sich der Kollaps des einstigen Dax-Konzerns abzeichnete. Verschiedenen Medienberichten zufolge soll Marsalek nach Russland geflohen sein. Der Brief liefert zumindest ein Indiz, dass Marsalek den Prozess aus der Ferne verfolgt.
Der Prozess wird an diesem Mittwoch fortgesetzt. Im Zeugenstand Platz nehmen soll Brauns und Marsaleks ehemalige Vorstandskollegin Susanne Steidl, die ehedem bei Wirecard für die Produktentwicklung verantwortlich war. Die Managerin - auch sie wie Braun und Marsalek aus Österreich stammend - soll nicht in die kriminellen Geschäfte der Wirecard-Bande eingeweiht gewesen sein.