Mit einem Traktor wird Düngemittel auf einem Feld ausgebracht.

Exporte in die EU Wie Putin mit Dünger seine Kriegskasse füllt

Stand: 28.04.2025 06:38 Uhr

Russland drängt mit Mineraldüngern in den EU-Markt und umgeht so das europäische Gasembargo. Dabei wird die deutsche Landwirtschaft von russischen Importen zunehmend abhängig.

Von Peter Kreysler, NDR

Wenn im Frühling die Temperaturen steigen, beginnen die Landwirte ihre Felder zu bestellen. Bevor Weizen, Gerste oder Roggen richtig zu wachsen beginnen, bringen viele Landwirte Mineraldünger aus. Besonders Weizen braucht viel Kunstdünger, denn das verbessert seinen Proteingehalt und damit seine Klebequalität. Für ausreichend gedüngte Weizen mit einem hohen Proteingehalt bekommen die Landwirte die besten Preise.

Doch Kunstdünger ist inzwischen teuer - zu teuer. Bauern, die Weizen anbauen, stehen besonders ökonomisch unter Druck, weil die Weizenpreise im vergangenen Jahr an den Terminbörsen noch weiter eingebrochen sind. Landwirt Bernhard von Weichs macht klar, welche konkreten Folgen das schwierige Preisgefüge für seinen Betrieb hat: "Aktuell sind die Düngerpreise um circa 30 Prozent gestiegen, alleine das verursacht auf meinem Hof Mehrkosten von etwa 30.000 Euro." Doch leider seien die Weizenpreise gleichzeitig nicht gestiegen. Im Gegenteil: Sie seien gefallen.

Kunstdünger besteht zu 90 Prozent aus Erdgas

Von Weichs, der bei Kassel einen mittelgroßen Hof führt, macht sich Sorgen: "Werden wir bald hier kein eigenes Mehl aus deutschen Weizen herstellen können?" Eine wirtschaftliche Zwangslage, die besonders konventionelle Landwirte betrifft: Weizen ist in Deutschland immer noch die wichtigste Feldfrucht und wird am meisten in Deutschland angebaut - 2024 auf 2,62 Millionen Hektar, so das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL).

Besonders die Düngerpreise sind mit Ausbruch des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022 in Deutschland in die Höhe geschossen. Kunstdünger besteht zu über 90 Prozent aus Erdgas und ist in Zeiten steigender Energiepreise für deutsche Produzenten extrem teuer geworden. In den ersten Wochen nach Kriegsbeginn schoss der Mineraldüngerpreis von einst 250 auf bis zu 1.000 Euro pro Tonne hoch, ist seitdem hochvolatil und folgt stetig dem Gaspreis.

Die Notlage der Landwirtschaft in Europa macht sich Kreml-Chef Wladimir Putin zunutze und drängt mit russischen Kunstdüngern in den europäischen Markt. Gleichzeitig kann er so das europäische Gasembargo unterlaufen, indem Russland veredeltes Gas in Form von Stickstoffdünger nach Europa bringt. Der russische Düngerimport ist seit dem Ukraine-Krieg sprunghaft angestiegen, alleine im Jahr 2024 stieg er um weitere 33 Prozent, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Russland ist inzwischen der wichtigste Düngerimporteur für die Europäische Union (EU) und führt seit dem Beginn des Ukraine-Krieges circa 6,2 Millionen Tonnen in den Euroraum ein, so die EU-Kommission.

Europäische Düngerhersteller werden unterboten

Auch weil Erdgas in Russland die Mineraldünger-Produzenten scheinbar fast nichts kostet, könnten sie mit Dumpingpreisen die deutschen Hersteller leicht in den Ruin treiben, so die Sorge des größten deutschen Düngerherstellers SKW-Piesteritz. Das Unternehmen aus Sachsen-Anhalt leidet neben den teuren Gaspreisen darunter, dass der Markt mit billigem Dünger geflutet wird, so der Geschäftsführer Carsten Franske: "Seit dem Ukraine-Krieg haben wir eine Auslastung von 50 bis zu 60 Prozent im Vergleich zu der Situation vor dem Ukraine-Krieg. Der Wettbewerber aus Russland kann zu einem weitaus geringeren Preis Dünger herstellen. Wir vermuten, dass es teilweise das Erdgas dort für die Produzenten fast zum Nulltarif gibt", so Franske.

Mit dem Dumpingdünger können europäische Produzenten kaum konkurrieren. Wenn dieser Trend sich so fortsetzt, besteht die Gefahr, dass die Ammoniakproduktion in Europa bald am Ende ist und Deutschland vom russischen Dünger abhängig ist. Das befürchtet auch der norwegische Konzern Yara - global einer der größten Ammoniakproduzenten, der in Brunsbüttel eine Düngerproduktion betreibt. "Die Produktion von Mineraldünger in Deutschland und Europa ist Teil unserer kritischen Infrastruktur. Es muss strategisches Ziel sein, auch im Bereich der Lebensmittelproduktion unsere Unabhängigkeit von autokratischen Staaten zu wahren", so der Geschäftsführer von Yara Deutschland, Marco Fleischmann.

Mineraldünger kommt täglich über die Ostsee

Doch wie kommen die Dünger hierher? Deutsche Agrarimporteure wollen sich gegenüber Plusminus nicht dazu äußern. Sie geben keine Auskunft über die Warenströme aus Russland - obwohl das Geschäft mit russischem Dünger nicht illegal ist. Stickstoffdünger steht bisher auf keiner der Sanktionslisten der EU.

Recherchehinweise zu den wichtigsten Düngeproduzenten führen nach Sankt Petersburg. Das im schweizerischen Zug registrierte Unternehmen EuroChem betreibt dort seit einigen Jahren eine hochmoderne Mineraldüngerfabrik. Eine Bewegungsanalyse von Frachtschiffen zeigt, dass Düngefrachter regelmäßig über die Ostsee pendeln und so den Kunststoffdünger in den europäischen Binnenmarkt bringen. In Bremen beispielsweise wurden im Rahmen der Plusminus-Recherche die Transponderdaten überprüft. Dabei stieß man auf den Frachter "Kalin", der im letzten März 5.500 Tonnen Mineraldünger aus dem russischen Wyborg nach Bremen transportierte.

Der Mineraldünger hatte einen berechneten Marktwert von circa 2,5 Millionen Euro. Wer hinter den Importen steckt und den Dünger nach Deutschland eingeführt hat, ist der Hafenbehörde unbekannt. "Der Zoll kann bei dieser Ladung nichts beanstanden, da das Schiff, der Inhaber oder die Fracht auf keiner Sanktionsliste stehen", sagt Joachim Buthe vom Bremer Hafenamt. Die deutschen Auftraggeber, sowie Reeder, die mit der billigen Düngerware aus Russland hohe Profite machen, wollten sich nicht äußern.

Politik möchte Zölle verhängen

In Brüssel bei der EU, aber auch in der deutschen Politik regt sich nun Widerstand, weil die massiven Düngerimporte auch Russlands Kriegskasse mit Milliardenbeträgen füllen. Aber auch, weil neueste Recherchen ergeben, das russische Düngefabrikanten direkter an der Kriegsproduktion beteiligt sind als bisher bekannt. So lieferte der russische Düngerproduzent EuroChem laut Reuters 38.000 Tonnen Salpetersäure an russische Munitionsfabriken, um daraus Artillerie-Munition herzustellen.

Deutsche Politiker erkennen die Gefahr und plädieren inzwischen für eine Ausweitung des Sanktionsregimes der EU, so auch der Energieminister Schleswig Holsteins,Tobias Goldschmidt: "Es ist Zeit für ein entschiedenes Vorgehen gegen Düngemittelexporte aus Putins Petrostaat. Die Bundesregierung muss Druck machen, dass nun schnell ein wirksames Sanktionsregime ohne Hintertür auf europäischer Ebene ins Werk gesetzt wird."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 06. März 2025 um 06:43 Uhr.