Vorläufige Bilanz fürs erste Halbjahr Deutsche Rüstungsexporte erneut gestiegen
Das selbst auferlegte Verbot von deutschen Waffenlieferungen in einem laufenden Krieg ist seit 2022 passé. Schon ein Jahr später erreichten die Rüstungsexporte einen neuen Höchstwert - und der könnte 2024 übertroffen werden.
Im vergangenen Jahr verzeichnete Deutschland bereits einen Rekord bei den Rüstungsexporten - nun sind die Ausfuhrgenehmigungen erneut gestiegen. Das zeigt die vorläufige Bilanz für das erste Halbjahr 2024. Grund sind vor allem die Waffenlieferungen für die Ukraine.
Vom 1. Januar bis zum 18. Juni erlaubte die Bundesregierung die Lieferung militärischer Güter im Wert von mindestens 7,48 Milliarden Euro ins Ausland. Im Vergleich zum gesamten ersten Halbjahr 2023 bedeutet das ein Plus von gut 30 Prozent. Fast zwei Drittel der Exporte (65 Prozent oder 4,88 Milliarden Euro) sind für die Ukraine bestimmt, die von Deutschland in ihrem Abwehrkampf gegen Russland unterstützt wird. Das geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hervor, die dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt.
Saudi-Arabien zurück unter den wichtigsten Kunden
Unter den fünf wichtigsten Empfängerländern ist erstmals seit langem wieder Saudi-Arabien mit Exportgenehmigungen im Wert von 132,48 Millionen Euro. Für das mit harter Hand geführte Königreich galt wegen seiner Beteiligung am Jemen-Krieg und der brutalen Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Generalkonsulat in Istanbul über mehrere Jahre ein weitgehender Rüstungsexportstopp. Diesen hat die Bundesregierung jedoch inzwischen gelockert.
Auch die Blockade für die Lieferung von Eurofighter-Kampfjets durch Großbritannien wurde aufgegeben. Das Wirtschaftsministerium weist in seiner Antwort aber darauf hin, dass die Genehmigungen ausschließlich für oder im Zusammenhang mit Gemeinschaftsprojekten mit anderen EU- oder NATO-Partnern erteilt wurden.
Außerdem sind unter den Top-5-Empfängerländern Singapur (1,21 Milliarden Euro), Indien (153,75 Millionen Euro) und Katar (100,0 Millionen Euro). Bei Indien geht es auch darum, die Abhängigkeit des Landes von russischen Waffenlieferungen zu schmälern.
Dagdelen wirft Ampel Bruch von Wahlversprechen vor
Da eine Reduzierung der Waffenlieferungen in die Ukraine nicht absehbar ist, könnte beim Gesamtumfang der Rüstungsexporte am Ende des Jahres wieder ein Rekordwert erreicht werden. Im vergangenen Jahr wurden mit 12,2 Milliarden Euro so viele Rüstungsgüter exportiert wie nie zuvor. Nach nicht einmal sechs Monaten sind nun schon mehr als 60 Prozent dieses Werts erreicht. Unter den genehmigten Exporten sind Kriegswaffen im Wert von 5,52 Milliarden Euro und sonstige Rüstungsgüter für 1,96 Milliarden Euro.
BSW-Politikerin Dagdelen kritisierte den anhaltenden Anstieg scharf: "Die massive Steigerung der Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete, nicht nur in die Ukraine, sondern auch in Länder wie Saudi-Arabien, ist verantwortungslos und ein erneuter Bruch von Wahlversprechen durch die Ampel-Parteien."
Ukraine-Krieg brachte Zeitenwende
SPD, Grüne und FDP hatten sich in ihren Koalitionsverhandlungen eigentlich vorgenommen, die Rüstungsexporte einzudämmen und dafür ein Kontrollgesetz auf den Weg zu bringen. Dann kam mit dem Ukraine-Krieg die Kehrtwende in der Rüstungspolitik. Das selbst auferlegte Verbot von Waffenlieferungen in einem laufenden Krieg wurde von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in seiner "Zeitenwende"-Rede am 27. Februar 2022 einkassiert.
Im ersten Kriegsjahr 2022 wurden nach der offiziellen Regierungsstatistik Waffenlieferungen für 2,24 Milliarden Euro für die Ukraine genehmigt, darunter Flugabwehrsysteme und schwere Artillerie. 2023 kamen unter anderem Kampfpanzer vom Typ "Leopard 2" hinzu, die die Bundesregierung nach langem Zögern bereitstellte. Die Exportgenehmigungen für die Ukraine stiegen auf 4,4 Milliarden Euro. Schon in den ersten knapp sechs Monaten dieses Jahres ist dieser Wert wieder übertroffen worden. Deutschland ist der zweitgrößte Waffenlieferant der Ukraine nach den USA.