Nach den Warnstreiks Zug- und Flugverkehr laufen wieder normal
Es rollt wieder auf den Schienen und Straßen. Einen Tag nach den bundesweiten Warnstreiks läuft der Zug- und Flugverkehr wieder weitgehend normal. Die Strategie der Gewerkschaften sei nicht ganz aufgegangen, so die Meinung von Experten.
Einen Tag nach dem großen Warnstreik bei ver.di und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat sich der Bahn-, Flug- und Schiffsverkehr weitgehend normalisiert.
Bei der Deutschen Bahn fahren die meisten Züge wieder nach Plan. Lediglich im Fernverkehr seien am Morgen noch einzelne wenige Fahrten ausgefallen, teilte ein Sprecher mit. Der Regional- und S-Bahn-Verkehr laufe ohne streikbedingte Ausfälle.
Auch im Güterverkehr hätten bereits in der Nacht alle versorgungsrelevanten Züge wieder fahren können. Der streikbedingte Rückstau an den Rangierbahnhöfen sollte im Laufe Tages vollständig aufgelöst sein.
Einige Flugausfälle und verschobene Abflüge
Auch die Flughäfen, darunter Deutschlands größter Airport in Frankfurt, nahmen den Betrieb wieder auf. Insgesamt waren in Frankfurt 1118 Flugbewegungen mit rund 157.000 Passagieren geplant, darunter knapp 3800 Passagiere, die streikbedingt zuvor nicht hätten fliegen können, sagte eine Sprecherin des Betreibers Fraport. Am Morgen waren rund 40 Flugannullierungen bekannt, teils seien diese auf Streikfolgen zurückzuführen.
Am Flughafen Köln/Bonn gab es ebenfalls noch Streikauswirkungen. Frühe Flüge wurden laut Abflugplan auf den späteren Vormittag verlegt und vereinzelt auch annulliert. Der Streik am Flughafen dauerte bis 7 Uhr, sagte eine Sprecherin.
Am Airport Düsseldorf lief der Flugverkehr dagegen nach Angaben eines Sprechers normal an.
"Strategie der Gewerkschaften nicht ganz aufgegangen"
Die geringsten Auswirkungen hatte der Warnstreik auf den Straßenverkehr - ein Verkehrschaos blieb aus. Mobilitätsforscher Andreas Knie sagte dem Radiosender WDR 5, dass die Strategie der Gewerkschaften seiner Ansicht nach nicht ganz aufgegangen sei.
Große Streiks im öffentlichen Verkehr wie am Montag hätten wegen der größeren Flexibilität der Beschäftigten im Berufsleben seit Corona nicht mehr die Wirkung wie noch in den 70er-, 80er- und 90er-Jahren. "Das, was wir früher hatten, wo wirklich die Republik stillsteht, das wird es so nicht mehr geben", betonte der Wissenschaftler.
Etwa 40 Prozent der Beschäftigten quer durch alle Branchen führen an etwa 2,5 Tagen nicht mehr ins Büro, so Knie. Die Menschen seien schon vor dem Streik flexibel gewesen. Auch die Arbeitgeber hätten gelernt, dass sie keine Verluste hätten, wenn die Menschen teils im Homeoffice arbeiteten.
Überschaubare gesamtwirtschaftliche Folgen
Auch gesamtwirtschaftlich dürfte der Arbeitskampf nur geringe Kosten verursacht haben. Viele Menschen hätten sich auf den Streiktag eingestellt und mobil gearbeitet, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, der "Rheinischen Post".
Gleichzeitig betonte er, dass aus seiner Sicht die Beschäftigten inzwischen mehr Einfluss hätten: "Durch den großen Fachkräftemangel gewinnen Beschäftigte an Macht und damit die Möglichkeit, höhere Lohnabschlüsse durchzusetzen."
Deutsche Bahn drängt auf zügige Verhandlungen
Während die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst weitergehen, kündigte die EVG an, nach Ostern die Gespräche mit der Deutschen Bahn fortsetzen zu wollen. Die DB kritisiert den Zeitplan als zu langwierig. "Wir müssen jetzt verhandeln und keine Osterpause machen", sagte ein Bahnsprecher. "Wir müssen zügig am Verhandlungstisch zu einer Lösung kommen."
EVG-Tarifvorstand Kristian Loroch wies die Kritik der Bahn von sich. "Wir haben Verhandlungen rund um Ostern von vornherein ausgeschlossen." Erneut betonte er, dass somit auch keine weiteren Warnstreiks über die Feiertage geplant seien. Die EVG forderte für die nächste Runde von allen Unternehmen deutlich bessere Angebote oder überhaupt eine erste Offerte.
Die EVG fordert bei ihren Verhandlungen mit 50 Bahn-Unternehmen mindestens 650 Euro mehr pro Monat für alle Beschäftigten oder zwölf Prozent mehr Geld für die oberen Lohngruppen. Die Deutsche Bahn hatte im laufenden Tarifkonflikt unter anderem angeboten, die Löhne der betroffenen Beschäftigten in zwei Schritten um insgesamt fünf Prozent anzuheben. Zudem wurden Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 2500 Euro in Aussicht gestellt.
Die EVG lehnte dies ab. Bei der DB betreffen die Verhandlungen rund 180.000 Beschäftigte. Die nächsten Gespräche stehen Ende April an. Zuvor trifft sich die EVG mit einigen kleineren Unternehmen zu Tarifgesprächen.
Dritte Tarifrunde bei ver.di und dbb
Ver.di und der Beamtenbund dbb verhandeln für rund 2,5 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen. Seit gestern läuft in Potsdam die dritte Runde. Für heute erwarten Gewerkschaftsvertreter nur eine kurze Spitzenrunde mit den Arbeitgebern. Sie bereiten sich auf längere anschließende Beratungen über ein mögliches Angebot vor.
Die Gewerkschaften fordern 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Arbeitgeber bieten fünf Prozent mehr in zwei Schritten bei einer Laufzeit von 27 Monaten. Einen Mindestbetrag lehnen Kommunen und Bund ab, bieten aber Einmalzahlungen von zunächst 1500 und später noch einmal 1000 Euro.
Faeser zuversichtlich, dass Kompromiss gelingt
Offen ist, ob in der bis Mittwoch angesetzten dritten Runde ein Kompromiss erzielt werden kann. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte sich zum Auftakt am Montag "sehr zuversichtlich" gezeigt, dass es in dieser Woche eine Lösung gibt.
Aus Verhandlungskreisen hieß es hingegen, die Tarifparteien seien in ihren Positionen noch weit voneinander entfernt. Am Vortag hatten sie ihre Gespräche hinter verschlossener Tür unterbrochen.
Gelingt kein Durchbruch, könnte eine Urabstimmung bei den Gewerkschaften über Erzwingungsstreiks folgen. Betroffen sein könnten erneut der öffentliche Verkehr und zahlreiche weitere Bereiche wie Kitas, Kliniken oder die Müllabfuhr. Doch muss es nicht in neue Streiks münden, wenn beide Seiten ohne Kompromiss auseinandergehen. Bereits am Vortag hatte Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach Spekulationen über eine mögliche Schlichtung angestellt.