Ein Plakat der AfD
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Gefahr für Wirtschaftsstandort Wie Ost-Firmen das AfD-Hoch bewerten

Stand: 04.08.2023 08:27 Uhr

Wirtschaft und Handwerk haben sich kürzlich alarmiert gezeigt angesichts der hohen Umfragewerte der AfD. Besonders in Ostdeutschland hat die Partei Zuspruch. Was bedeutet das für die dortige Wirtschaft?

"Fremdenfeindlichkeit gab es schon immer, auch vor der AfD, und sie war noch nie gut", sagt Phillip Scheffel, Gründer und Geschäftsführer der APUS Group. Die APUS Group im brandenburgischen Strausberg will die Luftfahrtbranche revolutionieren, zumindest auf Zubringerstrecken von 500 bis 800 Kilometern: Mit so genannten "Null-Emissions-Flugzeugen", die elektrisch fliegen. Die Energie dafür soll aus grünem Wasserstoff kommen.

Den Markt für solche Flieger sieht Scheffel in Nordamerika, Südostasien oder Nordeuropa. 67 Mitarbeiter hat APUS in Strausberg derzeit, zehn davon kommen aus dem Ausland: aus Polen, Russland, Indien und der Republik Moldau, aus Albanien und Frankreich. Man sei auf ausländische Fachkräfte angewiesen, sagt Scheffel, "und wir bekommen diese auch."

Ein Trugschluss - und der Einfluss der AfD

Das Erstarken der AfD also kein Problem für den Wirtschaftsstandort Deutschland? Wäre kommenden Sonntag Bundestagswahl, käme die AfD auf 21 Prozent, nochmal einen Prozentpunkt mehr als im Juli. Das hat der aktuelle ARD-DeutschlandTrend ergeben. APUS-Chef Scheffel glaubt, das allein halte niemanden davon ab, nach Deutschland zu kommen. Anderes sei entscheidend: Gehälter, soziale Absicherung, Rechtssicherheit, wenig Kriminalität und Aufstiegschancen an einem Technologiestandort.

Schwierigkeiten für ausländische Arbeitskräfte kämen aus anderen Richtungen: Einreisegenehmigung, Aufenthaltserlaubnis, Anerkennung von Abschlüssen und Wohnungssuche. Und da brauche es an den entscheidenden Stellen die nötige Einsicht, dass Arbeitskräfte aus dem Ausland nötig seien, um die Wirtschaftskraft Deutschlands zu stärken, überlegt Scheffel. Es sei ein Trugschluss, dass das Deutschland schade, auch wenn die AfD das gerne heraufbeschwöre.

Wirtschaft braucht internationale Perspektiven

Im sächsischen Chemnitz sitzt die FDTech GmbH. Das Unternehmen arbeitet an der Zukunft von autonomer Mobilität, entwickelt Software und Konzepte dafür. Nationalismus und Abschottung? Für FDTech abwegig. "Wir können nicht im deutschen Kosmos so eine Technologie denken", sagt Marcus Wilsdorf, einer der Firmengründer. Man stehe im internationalen Wettbewerb. Und dafür brauche man internationale Perspektiven: "Was braucht denn eine Region Asien? Was braucht denn eine Region Nord- oder Südamerika in der Technologieentwicklung?"

Unter den 150 Mitarbeitern bei FDTech arbeiten Leute aus dem europäischen Ausland, aus Indien, Syrien oder China zum Beispiel. Insgesamt 16 Nationen haben sie "an Bord", so erzählt Wilsdorf das. Dabei sei es oft immer noch viel zu kompliziert, benötigte ausländische Fachkräfte nach Deutschland zu holen: "Das ist ja ein Punkt, der manchmal von der AfD nach vorne geführt wird: 'Wir machen die Tore auf, und hier kann jeder kommen, wie er will' - das ist eigentlich, wenn ich auf den Arbeitsmarkt schaue, definitiv nicht der Fall."

Mahnung an die Politik

"Ich erlebe in unserer Unternehmerschaft und deren Mitarbeiterschaft eine tiefe Verunsicherung (…) sowie eine fehlende Wertschätzung für die Wirtschaft, die die Stimmungslage in Richtung AfD eher noch verstärken dürfte", warnt Dieter Bauhaus. Er ist Präsident der IHK Erfurt, der Industrie- und Handelskammer, die in Nord-, Mittel-, und Westthüringen die Interessen von rund 59.000 Unternehmen vertritt, vor allem aus den Branchen Automotive, Maschinen-, Anlagen und Werkzeugbau. IHK-Präsident Bauhaus hält die Pläne der AfD, die Europäische Union zurückzubauen, für "katastrophal". Das hat er vergangene Woche dem ARD-Mittagsmagazin erzählt. Man habe eine große Unternehmerschaft, die ausländische Absatzmärkte habe, nicht nur im EU-Bereich.

In Thüringen käme die AfD bei Landtagswahlen derzeit auf 34 Prozent, das zeigt eine Umfrage von Anfang Juli im Auftrag des mdr. Die Thüringen-AfD um Landesparteichef Björn Höcke wird vom Landesverfassungsschutz seit 2021 als "erwiesen rechtsextremistisch" eingestuft. Dass die AfD nicht nur in Thüringen derzeit im Umfrage-Hoch ist, kreidet Bauhaus auch der Bundesregierung an: "Die Art und Geschwindigkeit der Ampel-Vorhaben und wie diese kommuniziert werden, haben vorrangig zu dieser Stimmungslage im Land beigetragen." Bundesregierung und der Kanzler müssten vor allem bei Energie-, Migrations- und Wirtschaftspolitik besser werden.

Schnellere Integration in den Arbeitsmarkt

Nochmal zurück nach Brandenburg, diesmal zur Baumschule Lorberg in Ketzin, westlich von Berlin. Die Baumschule beliefert Kunden in mehr als 30 Ländern. Auch hier beschäftigen sie Saisonarbeiter und Fachkräfte aus dem Ausland: aus Polen, Rumänien der Ukraine und Russland, aus Spanien oder England - Leute, die sie so auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht fänden, erzählt Geschäftsführer Stefan Lorberg. Noch spürt er nicht, dass das Umfrage-Hoch der AfD für seinen Betrieb Folgen hat.

Doch er ist besorgt, dass gegen bestimmte Minderheiten oder gegen Ausländer gehetzt werde. Jeder Unternehmer sollte für Respekt und gegen jegliche Art von Rassismus plädieren. Aber auch die Politik sieht Lorberg in der Pflicht. Geflüchtete und Asylsuchende müssten schneller wissen, ob sie bleiben dürfen - und dann schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden. Das würde auch helfen, die Umfrageerfolge der AfD zu senken, glaubt Lorberg: "Wenn einer arbeiten geht und Geld verdient, dann liegt er ja dem Steuerzahler nicht mehr auf der Tasche und hilft, unser Land voranzubringen."

Das AfD-Hoch ist für die Wirtschaft also eher Symptom von Problemen, so scheint es, als das Problem selbst. Sorgen macht es trotzdem.