Übernahmekampf um Commerzbank Pro und Contra einer Banken-Fusion
Krisentage bei der Commerzbank: die UniCredit lässt nicht locker. Die italienische Großbank will mit der Commerzbank fusionieren. Was spricht dafür, was dagegen?
Verglichen mit den US-Banken sind die deutschen und europäischen Banken Zwerge. Während die Commerzbank auf eine Bilanzsumme von 560 Milliarden Euro kommt, stehen bei den größten US-Banken Billionen-Beträge in den Büchern. Auch die Marktkapitalisierung der Commerzbank - also der Börsenwert - ist verhältnismäßig klein: mit 17 Milliarden Euro. JP Morgan, Amerikas größte Bank, ist an der Börse 540 Milliarden wert - und damit mehr als das Dreißigfache.
Der Finanzmarkt will eine Banken-Fusion in Europa
Aus Sicht der Finanzmärkte wäre eine Fusion der Commerzbank mit der UniCredit sinnvoll, um endlich einen europäischen Bankenriesen zu schaffen: "Hier gibt es ein Entwicklungspotenzial, vielleicht in Richtung einer europäischen Großbank, von denen es perspektivisch mehrere in Europa geben wird. Jedenfalls ist das die Hoffnung derer, die an einen integrierten europäischen Bankenmarkt glauben", meint Jan-Pieter Krahnen, Senior Fellow am Leibniz Institut für Finanzmarktforschung. "Und auf diesem Weg ist jetzt die Commerzbank möglicherweise eine der Ersten, die dabei sind."
Seit Jahren gilt die Commerzbank wegen ihres schwachen Börsenwerts als potenzielle Übernahmekandidatin - und das italienische Geldhaus als Hauptinteressent. Die UniCredit ist mit fast 60 Milliarden Euro an der Börse gut dreieinhalb Mal so viel wert wie die Commerzbank. Dass Bundeskanzler Olaf Scholz nun von einer "unfreundlichen" Übernahme spricht, hält der emeritierte Professor für Kreditwirtschaft für unangemessen: "Das 'unfreundlich' würde ich auf die Art und Weise beziehen, wie die Bundesregierung damit umgeht; die sich stark positioniert für einen rein nationalen Finanzmarkt und die europäische Öffnung nicht mitgehen will."
Commerzbank - der Mittelstandsfinanzierer in Deutschland
Doch nicht nur die Bundesregierung unterstützt die Commerzbank auf ihrem Weg, eigenständig zu bleiben. Auch aus Sicht vieler Wirtschaftsvertreter ist die Eigenständigkeit der Bank mit dem gelben Logo extrem wichtig, gilt sie doch als der Mittelstandsfinanzierer in Deutschland. TUI-Chef Sebastian Ebel hat die Commerzbank sogar als Teil der kritischen Infrastruktur bezeichnet. Gerade in schwierigen Zeiten sei sie eine der wichtigsten Banken, die deutschen Firmen eine Finanzierung bereitstelle, so der Chef von Europas größtem Reiseanbieter TUI gegenüber dem Handelsblatt. Es gebe viele internationale gute Banken, aber bei ihnen fielen wichtige Entscheidungen im Zweifel in der Zentrale im Ausland. In guten Zeiten sei das vielleicht kein Problem, aber in schwierigen Zeiten seien Nähe und Entscheidungen vor Ort von wichtiger Bedeutung, so der TUI-Manager gegenüber der Zeitung.
Christoph Schalast, Rechtsanwalt und Professor für Wirtschaftsrecht an der Frankfurt School of Finance and Management, sieht eine Übernahme der Commerzbank ebenfalls kritisch: "Da würde ein wichtiger Player für den Mittelstand verloren gehen." Der Spezialist für Banken, Finanzmärkte und Fusionen glaubt, dass der Finanzplatz Frankfurt durch eine mögliche Übernahme geschwächt werde. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein betont, dass die gesamte deutsche Wirtschaft von einem souveränen Finanzplatz Frankfurt profitiere und warnt vor einem "Ausverkauf der deutschen Flagschiffe".
Lässt sich eine "feindliche Übernahme" noch verhindern?
Wie ließe sich eine feindliche Übernahme noch verhindern? Aus Sicht der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger dürfte das schwierig werden. Da der Bund selbst nur noch zwölf Prozent der Anteile hält, könnte er höchstens durch Einschalten der Monopolkommission oder durch die Anforderung behördlicher Stellungnahmen den Übernahmeprozess in die Länge ziehen und erheblich verteuern.
Die Gewerkschaft ver.di fordert von der Bundesregierung, dass sie die Commerzbank zum Teil der kritischen Infrastruktur in Deutschland erklärt. "Eine Übernahme würde die Commerzbank zerstören", warnte Gewerkschaftssekretär Stefan Wittmann bei einer Kundgebung vor der Zentrale des Frankfurter Geldhauses. Als Beispiel nannte er den Fall der Hypovereinsbank, die im Jahr 2005 von der UniCredit übernommen wurde. Dort wurde ein Großteil der Filialen und der Arbeitsplätze abgebaut. Andererseits hat die HVB ihre Kosteneffizienz deutlich gesteigert, seit die Mailänder Zentrale das Sagen hat.
Too big to fail?
Noch ist nichts entschieden. Die EZB hat das letzte Wort - sie muss erst noch genehmigen, ob die UniCredit ihre Anteile auf bis zu 29,9 Prozent aufstocken darf. Den Antrag haben die Italiener wohl bereits gestellt. Sollte die italienische Bank danach noch weiter gehen wollen, dann muss sie den übrigen Aktionären offiziell ein Übernahmeangebot unterbreiten. So ist es ab einem Schwellenwert von 30 Prozent der Anteile an einem Unternehmen gesetzlich geregelt.
Die Frage ist, ob man mit einer Fusion nicht am Ende einen europäischen Bankenriesen schaffen würde, der "too big to fail" ist: Nach der Banken- und Schuldenkrise 2008/ 2009 wollte man verhindern, dass die Bilanzsummen einzelner Geldhäuser zu groß werden und die Verflechtungen untereinander zu stark wachsen, so dass die Abwicklung einer Bank im Krisenfall zum Problem wird. Bei einem Zusammenschluss kämen beide Geldhäuser auf eine Marktkapitalisierung von gut 76 Milliarden Euro und würden damit zur zweitgrößten Bank in Europa aufsteigen - hinter der britischen HSBC.
Für eine Übernahme weitere Aktien der Commerzbank hätte die UniCredit aus Sicht von Experten die nötigen finanziellen Mittel. Und UniCredit-Chef Andrea Orcel gilt als Stratege mit Weitblick. Die Commerzbank dürfte versuchen, sich mit allen Mitteln dagegen zu stellen. Mit dem Wechsel an der Spitze hat das Geldhaus neue Fakten geschaffen. Finanzvorständin Bettina Orlopp soll Manfred Knof "zeitnah" ablösen. Aufsichtsratschef Jens Weidmann, der ehemalige Bundesbankpräsident, hält sie für die ideale Nachfolgelösung. "Gerade in der jetzigen Phase der Bank sind klare Verantwortlichkeiten entscheidend."
In einer ersten Version des Textes war von einer gemeinsamen Bilanzsumme von 76 Milliarden Euro die Rede. Gemeint war aber die Marktkapitalisierung der beiden Banken. Wir haben dies geändert.
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