Schriftzug "Fresenius Medical Care" an einem Rednerpult

Fresenius Medical Care Ende einer merkwürdigen Rechtsform

Stand: 14.07.2023 16:27 Uhr

Aus dem Dialysespezialisten Fresenius Medical Care wird eine normale Aktiengesellschaft. Für den Mutterkonzern ist das Unternehmen inzwischen zur Last geworden. Nun soll es die Bilanz nicht mehr belasten.

Das börsennotierte Großunternehmen Fresenius Medical Care (FMC) wird eine ordentliche Aktiengesellschaft. Heute Mittag hat die Hauptversammlung in Frankfurt am Main fast einstimmig Umbau von der ungewöhnlichen Rechtsform "Kommanditgesellschaft auf Aktien" (KGaA) in eine reguläre AG beschlossen. 85 Prozent des Aktienkapitals waren vertreten. FMC betreibt weltweit mehr als 4000 Dialysezentren, wo 345.000 Patienten behandelt werden. Ein Geschäft, das fast 20 Milliarden Euro Jahresumsatz einbringt. Mit der neuen Rechtsform wird der Mehrheitsaktionär ein Problem los, und die übrigen Aktionäre haben künftig mehr Einfluss.

Beliebt, wenn Aktionäre nicht reinreden sollen

In Deutschland gibt es nur 564 KGaA. Das ergibt sich durch Auswertung der amtlichen Seite handelsregister.de, die die lokalen Handelsregister zusammenfasst. Wie funktionieret eine KGaA? Sie hat mindestens einen Gesellschafter, der für das Unternehmens vollständig haftet. Im Fall der Pleite muss dieser "persönlich haftende Gesellschafter" also seinen letzten Cent rausrücken. Die Aktionäre haften dagegen nur mit dem Wert ihrer Aktie. Voll haftende Gesellschafter tragen also höheres Risiko. Dafür dürfen sie allein die Geschäfte führen und müssen sich nicht von Aktionären reinreden lassen.

Die Rechtsform ist beliebt, wenn Eigentümer Kapital von Aktionären einsammeln, aber die Macht im Unternehmen nicht teilen wollen. Das ist der Fall, wenn Unternehmen Familien oder Stiftungen gehören. Auch bei Fußballvereinen, die ihr Profigeschäft auslagern, ist die KGaA verbreitet. Die Praxis zeigt aber, dass die von geschäftlichen Amateuren geleiteten Vereine ihren professionellen Aktionären mitunter nicht gewachsen sind. Trotz formaler Machtlosigkeit bestimmen Aktionäre informell mit. In der Privatwirtschaft ist das regelmäßig anders.

Ein ganz besonderer Konzern

Bei der bisherigen "Fresenius Medical Care KGaA" gibt es Besonderheiten. Der persönlich haftende Gesellschafter ist seinerseits eine Aktiengesellschaft, die "Fresenius Medical Care Management AG". Diese Management AG ist ein kleines Unternehmen mit noch nicht einmal fünf Millionen Euro Eigenkapital (Stand: 31.12.2021). Damit ist die persönliche Haftung eng begrenzt und im Grunde ausgehebelt.

FMC ist Mitglied des DAX, dem Index der 40 bedeutendsten deutschen Börsenunternehmen. Laut amtlicher Datenbank der Finanzaufsicht gehören knapp 36 Prozent der Aktien-Stimmrechte einem anderen Unternehmen. Dieses Mutterunternehmen ist der Bad Homburger Gesundheitskonzern Fresenius. Die Konzernmutter ist auch Eigentümerin der Management AG und kann damit bei FMC allein bestimmen. Fresenius ist seinerseits eine KGaA mit einer kleinen Aktiengesellschaft als Haftungsgesellschafter und gehört auch dem DAX an. Die Verhältnisse sind kompliziert, von außen schwer durchschaubar und für ausländische Investoren verwirrend.

Schlechtes Geschäft

Beherrschender Einfluss führt nicht immer zu überzeugenden Ergebnissen. Die Konzernmutter hatte für FMC Carla Kriwet als neue Chefin ausgewählt, die zum 1. Januar 2023 anfangen sollte. Da sie schon ein Vierteljahr vorher konnte, bekam Kriwet zusätzlich 100.000 Euro "Antrittsprämie".

Doch obwohl die Verantwortlichen sich zuvor "ein umfassendes Bild von ihrer Qualität, ihrer Erfahrung und ihrer Eignung" gemacht hatten, war schon nach zwei Monaten klar, dass "möglicherweise nachhaltiger Schaden" drohe. Der Vertrag wurde aufgelöst, bevor die ausgemachte Laufzeit begonnen hatte. Für 66 Tage im Amt gab es einschließlich der Antrittsprämie 1.326.000 Euro.

Dazu kommen 1,8 Millionen Abfindung und weitere 1,8 Millionen, weil Kriwet einstweilen nicht in der Gesundheitsbranche arbeiten darf. Ob auch noch 1,3 Millionen zum Ausgleich entgangener Entlohnung aus früherer Beschäftigung fällig werden, lässt FMC im Unklaren. Jedenfalls gibt es noch zwei Jahre lang einen Dienstwagen.

Eine Rechtsform für gute Tage

Zu Beginn hatte das Management den unternehmerischen Durchgriff der Konzernmutter noch begeistert begrüßt. "Wir schaffen die KGaA des 21. Jahrhunderts", hieß es vor 18 Jahren, als Fresenius aus seiner Tochter FMC, damals noch ordentliche Aktiengesellschaft, eine KGaA machte. Die sei leicht verständlich und die ideale Rechtsform. Bei der Aktionärsversammlung an diesem Freitag argumentierte das Management mit Überzeugungskraft umgekehrt. "Rolle rückwärts", kommentierte Klaus Nieding von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz. Bei der künftigen "FMC AG" werden die Aktionäre wieder mehr mitentscheiden dürfen.

Die ehemals strahlende Tochter ist der Konzernmutter mittlerweile zur Last geworden. Die Mutter musste bisher den vollen Umsatz der KGaA-Tochter in ihre Bilanz übernehmen. Als Minderheitsaktionärin bekam sie aber nur rund ein Drittel des FMC-Gewinns überwiesen. Die Risiken des Dialysegeschäfts sind gestiegen, die Gewinne bröckeln. In Zukunft werden die Geschäftszahlen einer "FMC AG" die Bilanz von Fresenius nicht mehr belastet.