Kolumne Euroschau Die EZB dreht wieder an der Zinsschraube
Eigentlich war eine Leitzins-Erhöhung erst im Herbst erwartet worden, doch jetzt kommt sie wohl bereits heute - voraussichtlich von 1,25 Prozent auf 1,5 Prozent. Grund ist die hohe Inflation, die den Währungshütern keinen Spielraum lässt.
Von Klaus-Rainer Jackisch, HR
Währungshüter sind extrem vorsichtig bei der Formulierung ihrer Aussagen: Jeder Satz wird mehrmals abgewogen. Selten bringen sie etwas auf den Punkt, lieber reden sie verklausuliert. Deshalb lauschen die Beobachter jeden Monat auf der routinemäßigen Pressekonferenz der Europäischen Zentralbank (EZB) ganz gespannt, ob bestimmte Schlüsselwörter fallen. Daraus lassen sich Rückschlüsse über den weiteren Kurs der Währungshüter ziehen – und über das, was sie überhaupt meinen und wollen.
Das Schlüsselwort zur Erhöhung fiel bereits
Vergangenen Monat fiel so ein Schlüsselwort: Der EZB-Rat lasse "hohe Wachsamkeit" walten, sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet. Das Fach-Chinesisch ist ein deutliches Zeichen, dass in diesem Monat eine Zinserhöhung ansteht. Und so dürften am Donnerstag die Zinsen in der Eurozone um einen Viertel Prozentpunkt auf 1,5 Prozent steigen.
Für viele Beobachter ist dieser frühe Zeitpunkt überraschend. Denn die meisten hatten erst im Herbst mit einem weiteren Zinsschritt gerechnet, quasi als Paukenschlag für Trichet-Nachfolger Mario Draghi. Doch die weiter hohe Inflation lässt den Währungshütern keinen Spielraum. Im Juni lag sie in der Eurozone bei 2,7 Prozent und damit weit über den von der EZB selbst gesteckten Ziel von knapp unter zwei Prozent. Auch in Deutschland liegt sie mit 2,3 Prozent darüber.
Hohe Preise für Rohstofffe und Lebensmittel
Ursache sind die galoppierenden Preise für Rohstoffe und Energie, die Lebensmittel, Benzin, Heizöl und Transportkosten deutlich verteuern. Mit einer Zinserhöhung kann man theoretisch diese Tendenzen eingrenzen, weil Unternehmen bei höheren Zinsen weniger investieren und Verbraucher weniger konsumieren. Das führt dann zu rückläufigen Preisen, so die Theorie.
Der jetzige Zinsschritt dürfte nicht der letzte in diesem Jahr sein. Im Herbst steht vermutlich der nächste an. Spätestens Mitte nächsten Jahres werden die Zinsen voraussichtlich bei zwei Prozent liegen. Für die Unternehmen ist das kein großes Drama – denn bislang haben die Banken die höheren Zinsen für Kredite kaum weiter gegeben. Die brummende Konjunktur wird der Zinnschritt hierzulande also nicht abwürgen.
Für die Verbraucher könnte die gegenwärtige Situation kaum besser sein: Während die Banken die Zinserhöhungen bei Tages- und Festgeldern weitergegeben haben, also höhere Zinsen zahlen, hat sich der Zinsanstieg etwa bei Baugeld noch nicht ausgewirkt. Hypotheken-Zinsen sind weiterhin relativ gering.
Ein Zeichen für die Rückkehr der Normalität
So kann man mit dem jetzt erwarten Zinsschritt also gut leben – zumal er auch ein Zeichen für die Rückkehr zur Normalität nach der Finanzkrise ist. Die Politik des billigen Geldes geht in Europa damit endgültig zu Ende – übrigens nicht nur in der Eurozone. Auch Schweden erhöhte diese Woche seine Zinsen auf jetzt zwei Prozent. Und in Australien liegen sie sogar bei 4,75 Prozent.
Gut, dass die EZB wenigstens bei dieser zentralen Aufgabe zu ihren Statuten steht und Verlässlichkeit bewahrt. Das hätte man sich in der Schuldenkrise mit dem dramatischen Fauxpas des Aufkaufs griechischer Staatanleihen auch gewünscht.
Klaus-Rainer Jackisch schreibt bei tagesschau.de regelmäßig seine Kolumne Euroschau, in der er einen Blick auf die monatliche EZB-Ratssitzung wirft.