ESM-Urteil wird morgen verkündet Verfassungsrichter lassen sich nicht beirren
Das Verfassungsgericht hält an seinem Fahrplan fest: Morgen verkünden die Richter ihr Urteil über den Rettungsschirm ESM. Dann entscheiden sie auch über den Eilantrag des CSU-Politikers Gauweiler, der den ESM stoppen will, bis die EZB den Beschluss zum Anleihenkauf zurücknimmt.
Von Christoph Grabenheinrich, SR, ARD-Hauptstadtstudio
Das Gericht ließ sich vom neuesten Eilantrag nicht beeindrucken und wird morgen sein Urteil zum europäischen Rettungsschirm verkünden. Damit konnte sich CSU-Mann Peter Gauweiler nicht durchsetzen.
Er hatte moniert, Bundesverfassungsgericht und Bundestag seien durch die Entscheidung der EZB, Staatsanleihen von Krisenstaaten in unbegrenzter Höhe aufkaufen zu wollen, völlig überrascht, wenn nicht überfallen worden.
Hassemer: "Urteil steht wohl schon fest"
Bevor die "undemokratische Entscheidung der EZB" nicht zurückgenommen werde, dürfe der Euro-Rettungsschirm ESM nicht in Kraft treten, Karlsruhe müsse den Urteilsspruch solange verschieben. Der dürfte dabei schon feststehen, weiß der ehemalige Vizepräsident des Gerichts, Hassemer: "Normalerweise steht ein Urteil fest, mindestens einige Tage, bevor es verkündet wird."
Gauweiler hatte auf den letzten Metern indirekte Rückendeckung aus den eigenen Reihen bekommen. CSU-Chef Horst Seehofer kritisiert einen "Paradigmenwechsel der EZB". Nun müsse dafür gesorgt werden, dass das Budgetrecht des Parlaments nicht verletzt werde und wie bisher auch Konditionalitäten für die Hilfe für Euro-Schuldenländer gelten würden.
"Wir dürfen das Erreichte nicht kaputtreden"
Die CSU-Landesgruppe fordert eine Umstrukturierung der EZB zugunsten eines größeren deutschen Einflusses. Die CDU schaut der Entscheidung hingegen entspannt entgegen. Finanzstaatsekretär Steffen Kampeter: "Wir dürfen jetzt das Erreichte nicht kaputtreden. Der europäische Stabilitätsmechanismus ist keine Bedrohung für irgendjemanden, sondern ist ein Stabilitätsmechanismus, der dazu beiträgt, dass die Spekulanten es gegen Europa nicht mehr so leicht haben."
CDU-Fraktionsvize Michael Meister fordert die Skeptiker auf, nicht immer neue Ängste zu schüren. Er hält die deutsche Haftung für Hilfsgelder aus dem ESM für begrenzt, die Parlamentsbeteiligung für gesichert. Das sieht auch die grüne Haushälterin Priska Hinz so: "Ich weiß schon langsam nicht mehr, wo wir eigentlich noch mehr beteiligt werden sollten, weil wir in jeder Phase als Gesamtparlament und als Haushaltsausschuss eingebunden sind."
Ohne Zustimmung des Bundestages dürfe die Regierung keine neuen Hilfsprogramme des ESM beschließen. Linksfraktionschef Gregor Gysi ist der gegenteiligen Auffassung, spricht von einer Selbstentmachtung des Bundestages. Spannend bleibt somit, wie Karlsruhe morgen urteilt.
Gericht könnte "Ja, aber" zum ESM sagen
Beobachter gehen von einem "Ja, aber" aus. Das Gericht könnte darauf drängen, die entsprechende Gesetzgebung so zu gestalten, dass der Rettungsschirm keine Ewigkeitsgarantie bekommt und die deutschen Haftungsobergrenzen beschränkt werden. "Ich könnte mir vorstellen, dass das Verfassungsgericht eine Grenzziehung macht bei der absoluten Höhe von Kreditermächtigungen, die wir ausgeben können", sagt die grüne Hauhälterin Prinz.
Ex-Verfassungsrichter Hassemer weiß zwar auch nicht, wie die Richter entscheiden werden, aber sehr wohl, wie sie ticken. "Die Richter haben zuerst das Gesetz auszulegen, das ist in diesem Fall das Grundgesetz. Aber sie führen immer im Hinterkopf auch die Frage mit: 'Was wird denn passieren, wenn wir das so und so machen?'" Ein "Nein" zum europäischen Rettungsschirm wäre also eher eine Überraschung.