Skepsis und Ungeduld wachsen Bei Schwarz-Gelb hat Athen kaum noch Kredit
In der schwarz-gelben Koalition schwindet die Geduld mit Griechenland - und zwar nicht nur bei den bekennenden Kritikern der Milliardenhilfen. Die Stimmung scheint zu kippen. Schluss mit dem "Griechenland-Bashing" ruft dagegen ein Polit-Rentner aus dem Griechenland-Urlaub.
Von Christoph Grabenheinrich, SR, ARD-Hauptstadtstudio Berlin
Athen will mehr Zeit zur Umsetzung der Sparvorgaben seiner internationalen Geldgeber. Die griechische Regierung strebt Medienberichten zufolge eine spürbare Fristverlängerung von zwei auf vier Jahre an.
In Berlin stößt das auf durchwachsene Reaktionen. Zwar zeigt sich Außenminister Guido Westerwelle offen für eine zeitliche Streckung. Mit der in den griechischen Wahlkämpfen verloren gegangenen Zeit müsse umgegangen werden, argumentiert er. Substantielle Änderungen an den Reformvereinbarungen dürfe es aber nicht geben.
Parteifreund und Wirtschaftsminister Philipp Rösler pocht hingegen auf strikte Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen. "Es kann keine Rabatte auf Reformen geben. Die sind vereinbart worden, das gehört zu unserem Regelsystem mit dazu: Haushaltsdisziplin und Reformen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, damit die Staaten durch eigenes Wachstum aus ihren Schulden auch selber wieder herauskommen können. Und es ist wichtig, auch für die Glaubwürdigkeit des Systems nach außen hin, dass wir auf die Einhaltung der Regeln pochen."
Ähnliche Töne kommen aus der CSU. Deren parlamentarischer Geschäftsführer Stefan Müller will von einem zeitlichen Aufschub nichts wissen.
Die Stimmung in der schwarz-gelben Koalition scheint zu kippen. Selbst Abgeordnete, die allen bisherigen Rettungspaketen zugestimmt haben, sind längst skeptisch. "Nach meiner Erkenntnis gibt es im Deutschen Bundestag nicht die Bereitschaft, jetzt in Anbetracht der schwierigen Situation ein zusätzliches, drittes Finanzierungspaket für Griechenland zu beschließen", sagt FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms.
Zunächst geht es aber noch nicht um ein drittes Rettungspaket, sondern erst einmal um die Auszahlung der nächsten Hilfstranche, ohne die Griechenland wohl aus dem Euro ausscheiden müsste. Die Auszahlung setzt einen entsprechend positiven Bericht der Troika voraus. Der steht allerdings noch aus.
Schröder: "Schluss mit Griechenland-Bashing"
Aus dem Urlaub in Griechenland meldet sich unterdessen ein Polit-Rentner zu Wort. Altkanzler Gerhard Schröder wirft Rösler Parteitaktik vor und kritisiert auch die Kanzlerin. Das "Griechenland-Bashing müsse aufhören. "Ich würde mir wünschen, dass die Bundeskanzlerin sagt: 'So geht das nicht. Das gefährdet den Zusammenhalt Europas.'"
Die so Gescholtene weilt zum Staatsbesuch in Kanada. Merkel pocht dort generell auf Haushaltsdisziplin. Kanada lebe nicht auf Pump und setze klar auf Wachstum, das sei auch für Europa die richtige Lösung. Merkel weiß um die wachsende Skepsis im Regierungslager. Sie will zunächst hart bleiben. Regierungssprecher Steffen Seibert: Für sie gilt weiterhin, wie für die gesamte Bundesregierung: Die Grundlage der Zusammenarbeit der Hilfe an Griechenland ist das abgeschlossene Memorandum of Understanding. In dem ist niedergelegt, was die griechischen Leistungen sein müssen und dieses gilt für uns." Der griechische Regierungschef Antonio Samaras darf also nicht auf allzu viel Verständnis hoffen, wenn er Ende nächster Woche ins Kanzleramt kommt.
"Wir für Europa"
Das Außenministerium will sich unterdessen mit einer ungewöhnlichen parteiübergreifenden Initiative gegen die wachsende Europa-Skepsis stemmen. Unter dem Motto "Wir für Europa" will Außenminister Westerwelle gemeinsam mit seinen Amtsvorgängern Hans-Dietrich Genscher, Klaus Kinkel, Joschka Fischer und Frank-Walter Steinmeier vor einer durch die Schuldenkrise ausgelösten Abkehr von Europa warnen.