Pläne der Ampel Städte kritisieren neues Baurecht für Solarparks
Künftig sollen Solarparks an Autobahnen und Bahntrassen ganz ohne Genehmigung der Gemeinden gebaut werden dürfen. Das soll den Ausbau der Solarenergie voranbringen. Doch Städte und Kommunen sind wenig begeistert.
Eichenzell liegt idyllisch im Tal des Flusses Fulda. Allerdings durchschneidet die Autobahn 7 die hessische Gemeinde der Länge nach. Am Rand der Straße wird auf zwölf Hektar ein Solarpark gebaut. Das war von der Gemeindeverwaltung gewollt und geplant. Doch eine neue Regel im Baugesetzbuch schaltet Städte und Gemeinden künftig aus, wenn Photovoltaikanlagen an Autobahnen und entlang großer Bahntrassen gebaut werden. "Wir sind verstimmt", sagt Bürgermeister Johannes Rothmund.
Die Ortschaft ist besonders betroffen. Das Autobahndreieck Fulda liegt mitten in Eichenzell. Es gibt zwei Autobahnauffahrten, eine dritte ist geplant. Diese Verkehrsverbindungen sind Fluch und Segen zugleich: Segen, weil die Gemeinde für Pendler ins aufblühende Fulda und für Gewerbe attraktiv ist. Fluch, weil die Autobahnen Lärm bringen und hässliche Brücken das hübsche Fuldatal verschandeln. Dazu kommt nun der neue Fluch des Baurechts.
"Ungeordnete Situation droht"
Theoretisch sechs Prozent des Gemeindegebietes können in Zukunft mit Solaranlagen bebaut werden, ohne dass die Gemeindeverwaltung mitzureden hätte. Wo kein Wald entlang der Autobahnen und längs von zwei Schnellbahnlinien steht, können genehmigungsfrei Solaranlagen gebaut werden. Insgesamt sind noch gut 340 Hektar offen, wobei nicht jede Fläche praktisch in Frage kommt. Nordhänge sind ungeeignet, und die Grundstücke müssen mehrere Hektar groß sein.
Strom zu verkaufen, ist in Eichenzell kein Problem: Es gibt Großabnehmer am Ort, dicke Kabel und ein Umspannwerk. "Wir haben die Befürchtung, dass da einer um die Ecke kommt und 40 Hektar zubaut", sagt Bürgermeister Rothmund. Das gehe auf Kosten der Flächen, die heute noch von den verbliebenen Bauern unterm Pflug gehalten würden.
Sven Brodt vom Hessischen Städte- und Gemeindebund bestätigt: "Das Problem ist, dass es Gemeinden gibt, die sehr stark betroffen sind". Es drohe "eine ungeordnete, das Landschaftsbild beeinträchtigende Situation", sagt Bernd Düsterdiek vom Deutsche Städte- und Gemeindebund.
Was tun mit den Autobahnrändern?
Das neue Baurecht will den Ausbau von Solarkraftwerken beschleunigen und Schluss machen mit dem Klein-Klein der Kommunalpolitik. "Aus Sicht des Bundesgesetzgebers ist das eine sehr effektive Regelung", sagt Brodt.
Bundesbauministerin Klara Geywitz stellt das neue Baurecht als vorteilhaft auch für die Kommunen dar. "Indem wir Flächen nutzen, an denen es durch Autobahnverkehr und Zugfahrten keine Nutzungsansprüche auf Wohnraum, Landwirtschaft und Naherholung gibt, können Windräder, Photovoltaikanlage und Wasserstoffumwandler gebaut werden", sagte die SPD-Politikerin.
Das sei "eine Win-Win-Situation für das Klima und strukturschwache Regionen", so Geywitz. Nur dass Eichenzell nicht strukturschwach ist, sondern lieber Landwirtschaft erhalten und steuerreiches Gewerbe ansiedeln möchte, statt flächenverschlingender Solarparks.
Gegenwehr ist schwer
Die Gemeindevertreter von Eichenzell haben beschlossen, einen Flächennutzungsplan aufzustellen. Der soll ungeplante Bebauung durch Solarparks verhindern. Zwei Prozent der Gemeindefläche, das sind 110 Hektar, würden für Photovoltaik vorgesehen, berichtet der Bürgermeister.
Diese Flächen seien nicht schematisch an Autobahnen und Bahntrassen vorgesehen, sondern auf minderwertigen Böden und alten Mülldeponien. Sven Brodt vom Gemeindebund gibt zu bedenken, dass Flächennutzungspläne enorm aufwändig seien. Ihr Erfolg im Kampf gegen das Baurecht des Bundes sei unklar. "Abwehr gegen das neue Recht ist problematisch, da eine reine Verhinderungsplanung unzulässig ist", sagt er.
Entscheidet am Ende ein Gericht?
Bürgermeister Rothmund rechnet mit einem Rechtsstreit. Er deutet an, dass das Verwaltungsgericht Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des neuen Bundesrechts hegen und den Fall dem Verfassungsgericht vorlegen könnte. Denn der Grundgesetz-Artikel 28 schreibt vor, dass Gemeinden "die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung" zu regeln haben.
Bevor sich die 11.000-Einwohner-Gemeinde Eichenzell auf diesen schmalen und teuren Rechtsweg begibt, seien aber noch politische Entscheidungen der Gemeindevertretung nötig, sagt der Bürgermeister.