Die PCK-Raffinerie in Schwedt

PCK-Raffinerie Schwedt Was macht die Stadt ohne Öl?

Stand: 10.03.2025 10:30 Uhr

Seit Beginn des Embargos auf russisches Öl bastelt das brandenburgische Schwedt an Zukunftsvisionen. Doch viel mehr als ein paar neue Gebäude gibt es bislang nicht.

"Der Wandel beginnt jetzt", verkündet ein Schild direkt am Eingang von Schwedts jüngstem Vorzeigeprojekt. "Neues Camp" heißt das frisch modernisierte Betonbauwerk, gebaut noch zu DDR-Zeiten für Gastarbeiter. Später wechselten die Nutzungen: Jugendclub, Irish Pub, Gaststätte. Nun soll von hier aus die Zukunft von Schwedt gestaltet werden.

Rund zwei Millionen Euro hat die örtliche Wohnungsbaugesellschaft in das "Neue Camp" investiert. An einem lauen Märznachmittag lädt die Stadt Schwedt hierher zur "Schwedter Zukunftswerkstatt". Es ist bereits die dritte. Im vergangenen Sommer gab es auch schon eine große "Zukunftskonferenz", die nächste ist bereits geplant.

Die Geschäftsführerin der Wohungsbaugesellschaft leitet durch den zweigeschossigen Zweckbau. 400 Tonnen Bauschutt habe man entsorgt, 8.000 Meter Kabel verlegt und einen Kilometer Rohrleitungen. Entstanden sind zwei Etagen mit viel Glas und Büros, verbunden über eine Wendeltreppe. Alles wirkt ein bisschen wie ein Co-Working-Space. Bürger könnten nun jederzeit herkommen und das freie WLAN nutzen. Es gibt Applaus. Irgendwann kommt die Gruppe auf der Terrasse an. Auf Sitzsäcken ist zu lesen: "Platz für Ideen". Die Geschäftsführerin erklärt: "Wer hier nicht kreativ ist, dem kann man auch nicht mehr helfen."

Neues Camp Schwedt

Viel Platz für neue Ideen: Das "neue Camp" in Schwedt soll kreative Köpfe anlocken.

Hohe Kosten seit Beginn des Ölembargos

Kreativität und gute Ideen: Darauf setzt Schwedt seine Hoffnungen. Denn bislang fehlt ein klarer Plan, wie die Zukunft der Stadt aussehen könnte. Im Grunde lautet die Frage: Was würden sie hier ohne Erdöl machen? Wenn es die PCK-Raffinerie, den weit und breit größten Arbeitgeber, irgendwann einmal nicht mehr geben sollte. Wenn 1.200 direkt angestellte Fachkräfte ohne Aufgabe dastehen. Wenn die in der Vergangenheit üppigen Steuereinnahmen dauerhaft ausbleiben.

Denn seit Beginn des Öl-Embargos gegenüber Russland steht das Geschäftsmodell der Stadt - und des größten Arbeitgebers, der Raffinerie - in Frage. Das PCK wurde bis Ende 2022 mit russischem Erdöl beliefert. Seit Beginn des Embargos wird der Rohstoff aus unterschiedlichsten Quellen angekauft.

Damit aber steigen die Kosten für das Erdöl selbst und dessen Transport nach Schwedt. Zudem ist die Raffinerie für russisches Öl und dessen chemische Zusammensetzung optimiert. Das aber gibt es nun nicht. Und der auf dem Weltmarkt zusammengekaufte Mix an Rohölsorten lässt sich weniger effizient verarbeiten.

Wasserstoff ist nicht wirtschaftlich

Die Folge: Die Raffinerie ist weniger wertvoll als vor Beginn des Embargos und damit weniger interessant für Übernahmeinteressenten. Mehr als die Hälfte der Anteile am PCK hält der russische Konzern Rosneft. Derzeit werden sie von der Bundesrepublik treuhänderisch verwaltet. Gerade erst hat die Bundesregierung die Treuhandschaft bis September verlängert. Großinvestitionen können also de facto durch die Eigentümer derzeit nicht beschlossen werden.

Weitere 37,5 Prozent gehören dem Shell-Konzern, der seinen Anteil eigentlich verkaufen wollte. Das ist in Anbetracht der derzeitigen Lage aber alles andere als einfach und lähmt die Zukunftspläne am Standort.

Eigentlich soll aus Schwedt eine "Wasserstoffdrehscheibe" werden, mit einem großen Elektrolyseur, der den Energiespeicherstoff herstellt. Doch viel mehr als Pläne dafür gibt es nicht. Hinzu kommt, dass es bisher so gut wie keine Abnehmer für Wasserstoff gibt.

Ende des Embargos?

Im "Neuen Camp" schaut auch Ralf Schairer, Geschäftsführer des PCK, vorbei. Angesprochen auf die Zukunftspläne sagt er: "Im Moment ist das regulatorische Umfeld so, dass es keine Wirtschaftlichkeit für unseren großen Elektrolyseur gibt." Aber aufgeschoben sei nicht aufgehoben.

Um das PCK attraktiver zu machen, wäre ein Ende des Ölembargos hilfreich. Wenn die Raffinerie wieder mehr Geld verdient, würde das auch die Aussichten auf den Einstieg von neuen Eigentümern verbessern. Und diese würden dann womöglich Geld in die Hand nehmen, investieren in Dinge wie Wasserstoff.

Stadt mit Haushaltssperre

Schwedts Bürgermeisterin Annekathrin Hoppe (SPD) hatte kurz nach der Bundestagswahl ein Ende des Öl-Embargos ins Spiel gebracht. Die Schwedter könnten nicht nachvollziehen, dass Deutschland "freiwillig ein Öl-Embargo" ausgesprochen habe. 

An diesem Nachmittag im "Neuen Camp" gibt sie sich etwas konzilianter. "Natürlich verurteile ich den Angriffskrieg auf das Schärfste", stellt sie vorneweg. Sie wolle auch nicht, dass Russland Öleinnahmen in seine Kriegsindustrie investiere. Andererseits sei die derzeitige Situation eben wirtschaftlich auf Dauer nicht tragbar. Auch in der Stadtkasse fehlt Geld. Nachdem jahrelang Millionen an Gewerbesteuereinnahmen flossen, muss Schwedt nun sparen. Eine Haushaltssperre ist bereits ausgerufen worden.

Bürgermeisterin Hoppe geht davon aus, dass es einen Umstieg auf Wasserstoff nur mit einer funktionierenden Raffinerie geben könne: "Wir brauchen beides." Und: Eine Umstellung könne Jahre oder Jahrzehnte dauern. Hoppe betont deshalb: "Es darf nicht passieren, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre oder zehn Jahre die Rohölversorgung zusammenbricht."

 

Fördermittel in Millionenhöhe für Investitionen

Andernfalls würde das Ende für Schwedt als Industriestandort drohen. Dagegen kämpfen Stadt und Region an - auch mit Fördermitteln. In Zusammenarbeit mit einer benachbarten Hochschule wurde eine "Start-up Challenge" für junge Unternehmen ausgerufen. Die sollen "innovative Lösungen" vor allem im Bereich Energiewirtschaft liefern. Rund 50 Bewerbungen seien eingegangen, sagt Hoppe.

Bis zu zehn Gewinner werden in einer Pilotphase mit bis zu 25.000 Euro Fördermitteln bedacht. Fünf von ihnen dürfen ihre Projekte dann in Schwedt in die Praxis umsetzen, gefördert mit bis zu 300.000 Euro.

Und auch im Schwedter Stadtbild soll sich etwas ändern. Gegenüber vom gerade fertig gestellten "Neuen Camp" soll ein Transformationszentrum, kurz "Trafo" genannt, entstehen. Dieses soll laut Stadt Platz bieten "für neue Technologien, Ideen und Netzwerke zur Transformation des Industriestandortes Schwedt". Auch dafür fließen Fördermittel: 18,4 Millionen Euro aus dem EU-eigenen "Just Transition Fund".

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete rbb24 Inforadio am 27. Februar 2025 um 17:45 Uhr.