Hintergrund

Bundesbank sticht BaFin bei Bankenaufsicht aus Balsam für geschundene Bundesbanker-Seelen

Stand: 08.10.2009 18:40 Uhr

Bei der Bundesbank dürften die Sektkorken knallen: Die Bankenaufsicht wird künftig unter ihrem Dach konzentriert. Diese musste sie sich bisher mit der Finanzaufsicht BaFin teilen. Der Beschluss der Koalitionäre in spe ist Balsam für geschundene Bundesbanker-Seelen, die mit der BaFin nie ihren Frieden machen konnten.

Von Klaus-Rainer Jackisch (HR)

Seit Monaten tingelt Axel Weber durch das Regierungsviertel in Berlin. Wo es ging, traf sich der Bundesbank-Präsident mit maßgeblichen Politikern und warb auch in Finanzkreisen für seine Pläne. Im Gepäck hatte er stets einen Sechs-Punkte-Plan, mit dem der oberste deutsche Währungshüter die Bankenaufsicht neu regeln wollte.

Die schweren Verwerfungen in der Finanzwelt, die Beinahe-Pleiten führender Geldhäuser und das rücksichtlose Verhalten vieler Banker hätten deutlich gezeigt, dass die gegenwärtige Aufteilung der Aufsicht zwischen Bundesbank und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ein schwerer Fehler war.

Wo es keine klare Kompetenzverteilung gebe, so die Logik Webers, würde die Aufsicht versagen. Andere Länder hätten mit seinem Modell gute Erfahrungen gemacht: "In zwölf der 13 Euro-Länder, in denen die Zentralbank für die Bankenaufsicht zuständig ist, wurde die Aufsicht voll in die Zentralbank integriert", so Weber in einem Zeitungsinterview. Die geldpolitische Unabhängigkeit der Banken habe das nicht geschwächt.

Zermürbendes Kompetenz-Gerangel

Vor allem bei der FDP rannte der agile Notenbanker damit offene Türen ein, doch auch in der Union gibt es viele Befürworter. Und selbst an den Finanzmärkten freundete man sich gerne mit den Ideen an, denn das zermürbende Kompetenz-Gerangel zwischen beiden Institutionen gefällt auch vielen Bankern und Börsianern nicht.

Wie die neue Struktur künftig im Detail aussieht, ist noch unklar. Fest steht nur, dass die Bundesbank die oberste Kontrolle für die Bankenaufsicht erhalten soll und damit als Gewinner aus der Neuregelung geht. Tatsächlich ist diese Grundsatz-Entscheidung Balsam für die geschundenen Seelen der Bundesbanker. Denn die Währungshüter, die zu Zeiten der D-Mark vor Hochmut und Arroganz nur so strotzten, fielen nach der Übernahme der Geldpolitik durch die Europäische Zentralbank vor zehn Jahren in eine schwere Sinnkrise. Seit Zinsentscheidungen nicht mehr im Betonklotz der Bundesbank im Frankfurter Nordwesten, sondern im nicht minder hässlichen Eurotower der EZB in Frankfurts City entschieden werden, schwanden die Befugnisse der einst mächtigsten Notenbank Europas dramatisch.

Geburtsfehler der BaFin

Besonders schwer traf die Bundesbank auch der schleichende Bedeutungsverlust einer ihrer Kernkompetenzen - der Bankenaufsicht. Denn im Mai 2002 wurde die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit Hauptsitz in Bonn aus der Zusammenlegung der Bundesaufsichtsämter für das Kreditwesen (BAKred), den Wertpapierhandel (BAWe) und das Versicherungswesen (BAV) aus der Taufe gehoben. Die neue Super-Behörde sollte die drei Aufsichten bündeln und so Kompetenzüberschneidungen und Lücken beseitigen. Doch von Anfang an gab es einen Geburtsfehler, der sich in Krisenzeiten als fatal herausstellen sollte: Während die BaFin für Wertpapierhandel und Versicherungen ausschließlich zuständig war, wurden die Befugnisse bei der Bankenaufsicht zwischen BaFin und Bundesbank geteilt.

Gerangel und Gemaule zwischen den Institutionen

Kein Wunder, dass es von Anfang Gerangel und Gemaule zwischen der alt-ehrwürdigen Notenbank und der neuen Behörde gab. Auch wurde die BaFin von der damaligen rot-grünen Bundesregierung gehätschelt und konnte so ihren Einfluss immer stärker ausweiten. Große Freunde wurden die beiden Institutionen deshalb nie.

BaFin lässt kein Fettnäpfchen aus

Nicht ohne Häme schauten viele Notenbanker daher zu, wie sich die BaFin im Zuge der Banken- und Finanzkrise einen Patzer nach dem anderen leistete und kein Fettnäpfchen ausließ. Denn obwohl die Bonner Behörde rund 1700 Mitarbeiter beschäftigt, zog keiner die Notbremse, als die Branche auf den Abgrund zuraste. Die BaFin habe keine der zahlreichen Schieflagen deutscher Banken erkannt, monierte etwa der FDP-Finanzpolitiker Frank Schäffler. Die entscheidenden Hinweise seien "immer von den Vorständen oder den Marktteilnehmern gekommen". Außerdem sei zwischen BaFin und Bundesbank immer viel zu viel hin- und hergeschoben worden. Dass sich auch die Bundesbank im Vorfeld der Finanzkrise nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat, verschweigen die Befürworter der neuen Regelung freilich gerne.

Wer übernimmt die Wertpapieraufsicht?

Was nun aus der BaFin wird, ist noch unklar. Denn noch haben sich die Koalitionspartner auf die genaue Aufteilung der Kompetenzen nicht geeinigt. Viele Finanzexperten wünschen sich, dass auch die Wertpapieraufsicht unter das Dach der Bundesbank schlüpft. Überlegt wird in Koalitionskreisen auch, ob gar die dritte Säule, das Versicherungswesen, von der Bundesbank gleich mitüberwacht werden soll. Ein solches Szenario würde aber das Aus für die BaFin bedeuten.

Dazu wird es wahrscheinlich nicht kommen. Denn die Versicherungsbranche läuft schon Sturm gegen solche Ideen. "Nur weil es in der Bankenaufsicht Schwierigkeiten gab, muss man nicht die gesamte Aufsichtsstruktur infrage stellen", sagt der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, Jörg von Fürstenwerth. Dort sieht man einen Interessenskonflikt, wenn es zum Beispiel um die Rettung von Kreditinstituten geht. Schließlich haben die Versicherer rund 60 Prozent ihrer Anlagen bei den Banken investiert: "Wir sind der größte Gläubiger der Banken", so von Fürstenwerth. "Entweder die Bundesbank schützt die Gläubiger oder die Bank - oder sie macht einen faulen Kompromiss."

Bankhäuser in Frankfurt am Main

Neue Wege bei der Bankenaufsicht: Das ist das erste Ergebnis der Koalitionsverhandlungen.

Verschiedene Modelle der Arbeitsteilung auf dem Tisch

Diskutiert wird auch noch eine andere Variante: Danach erhält die Bundesbank die sogenannte Solvenz-Aufsicht, ist also für die Sicherung des Banken- und Versicherungssystems in ihren Strukturen zuständig. Die Marktaufsicht, also das tägliche Geschäft und der damit verbundene Anlegerschutz, würde bei der BaFin bleiben. Fachleute sehen schwarz: An der jetzigen schlechten Struktur würde sich dann nicht viel ändern.

Schwere Zeiten für die BaFin

Wie auch immer die neue Regelung am Ende im Detail aussieht: Für die BaFin brechen schwere Zeiten an, weil sie an Bedeutung verliert, während bei der Bundesbank schon einmal die Sektkorken fliegen dürften. Allerdings bringt der dortige Machtgewinn nicht nur Segen mit sich: Wenn die Notenbank ihre Aufsichts-Kompetenzen deutlich ausweitet, gleichzeitig aber ihre garantierte Unabhängigkeit wahren will, sind Konflikte mit der Politik bereits programmiert. Für Axel Weber dürften die Reisen nach Berlin dann weiter gehen - und auch das Tingeln durch das Regierungsviertel.