Stillgelegte Trassen Zu wenige Bahnstrecken werden reaktiviert
Dem VDV und der Allianz pro Schiene zufolge werden zu wenige stillgelegte Bahnstrecken wieder reaktiviert - in den vergangenen zwei Jahren nur 21 Kilometer. Dabei könnten Millionen wieder an den Verkehr angeschlossen werden.
Oft sind die stillgelegten Bahnstrecken in Deutschland nur wenige Kilometer lang - doch durch ihre Reaktivierung bekämen vor Ort Tausende Menschen wieder Zugang zum Bundesschienennetz. Eine aktuelle Liste solcher einstigen Trassen, die für eine Wiederinbetriebnahme infrage kämen, haben der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und die Allianz pro Schiene (ApS) vorgelegt. Sie umfasst inzwischen mehr als 320 Strecken mit einer Gesamtlänge von mehr als 5.400 Kilometern.
Verbände fordern mehr Tempo bei Reaktivierungen
Innerhalb von zwei Jahren wurden lediglich 21 Streckenkilometer wiederbelebt, erklärten die beiden Verbände heute in Berlin. Danach könnten durch die erneute Nutzung stillgelegter Gleise Millionen von Menschen wieder an den Schienenverkehr angeschlossen werden. Eine Reaktivierung dieser Trassen könnte die Wirtschaft auf regionaler Ebene erheblich stärken, sagte VDV-Fachmann Martin Henke. "Der Anschluss an das bundesweite Schienennetz ist ein Mittel gegen das Abgehängtsein und damit ganz klar ein Politikum."
Rund 3,8 Millionen Menschen in knapp 380 Städten bekämen durch die vorgeschlagenen Reaktivierungen wieder einen direkten Zugang zum Bahnnetz, hieß es. Und auch die regionale Wirtschaft könne profitieren. Zu den Strecken, von denen besonders viele Menschen profitieren würden, gehören danach die Bottwartalbahn zwischen Heilbronn und Marbach in Baden-Württemberg oder die Brexbach- beziehungsweise Holzbachtalbahn zwischen Engers-Siershahn-Selters-Altenkirchen in Rheinland-Pfalz.
Im laufenden Jahr rechnet Dirk Flege von der Allianz pro Schiene mit insgesamt 30 Kilometern, die wieder nutzbar gemacht werden. "Angesichts dieses Schneckentempos müssen Bund und Länder dringend mehr tun, um Initiativen vor Ort zu unterstützen", betonte er. Die beiden Verbände plädieren deshalb für deutlich mehr Tempo bei der Wiederinbetriebnahme. Im vergangenen Jahr wurde danach kein einziger Kilometer reaktiviert. Für 2025 rechnet Henke immerhin mit rund 200 Kilometern.
Aufstockung der Fördermittel hätte "extreme Hebelwirkung"
Von der Politik forderten die Branchenvertreter, Planungsverfahren zu vereinfachen und Fördermittel aufzustocken. Der Bund refinanziert bis zu 90 Prozent der Reaktivierungskosten über das sogenannte Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG). Die dafür zur Verfügung stehenden Mittel wurden kürzlich auf rund zwei Milliarden Euro verdoppelt. Voraussetzung für die Unterstützung des Bundes ist unter anderem eine aufwendige Machbarkeitsstudie, die die Wirtschaftlichkeit der Reaktivierung belegen muss.
Eine Aufstockung der Gelder im GVFG auf drei Milliarden Euro jährlich ab 2025 hätte nach Ansicht des VDV "eine extreme Hebelwirkung, um unsere Infrastrukturen schneller ausbauen zu können". Gleichzeitig sei aber auch klar, dass die großen ökonomischen und verkehrstechnischen Herausforderungen in Deutschland nicht allein mit Reaktivierungen von Bahnstrecken bewältigt werden könnten.
Alle zwei Jahre veröffentlichen die Verbände eine Liste mit Strecken, die sich für eine Reaktivierung eignen. In diesem Jahr kamen 74 davon mit insgesamt 949 Kilometern hinzu. Damit "warten wir inzwischen bei 325 Strecken mit 5.426 Kilometern Länge auf die Umsetzung der Reaktivierung", erklärte Henke vom VDV.