António Guterres (Archivbild vom 18.04.2024)
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Krieg in Nahost ++ Guterres fordert mehr Hilfen für Palästinenser ++

Stand: 12.07.2024 23:30 Uhr

UN-Generalsekretär Guterres fordert mehr Mittel für das Palästinenserhilfswerk UNRWA. Israels Militär meldet den Tod eines Soldaten bei Gefechten an der Grenze zum Libanon. Die Entwicklungen vom Freitag zum Nachlesen.

12.07.2024 • 23:30 Uhr

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Ein Palästinenser ist bei einer Auseinandersetzung mit israelischen Soldaten im Westjordanland erschossen worden. Die Soldaten hätten das Feuer eröffnet, als sie aus einer Gruppe heraus mit Ziegelsteinen und Sprengsätzen beworfen worden seien, teilte das israelische Militär mit. Später veröffentlichten die Streitkräfte ein Foto von einer selbst gebauten Rohrbombe, die dort gefunden worden sein soll.

Das palästinensische Gesundheitsministerium im Westjordanland teilte mit, bei dem Toten handle es sich um einen 26-Jährigen. Der Zwischenfall ereignete sich bei einem israelischen Militäreinsatz in dem Dorf Abwein, nördlich von Rammallah. Seit Beginn des Gaza-Krieges ist es auch im israelisch besetzten Westjordanland immer wieder zu Auseinandersetzungen gekommen. Hunderte Palästinenser kamen ums Leben.

Reportage aus dem Westjordanland: Härte gegen Palästinenser nimmt zu

Sophie von der Tann, ARD Tel Aviv, tagesthemen, 12.07.2024 21:45 Uhr

Die Hamas besteht bei den Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gazastreifen weiter auf schriftlichen Garantien Israels für ein dauerhaftes Ende der Kämpfe. Die militant-islamistische Palästinenserorganisation habe in einigen Punkten Flexibilität an den Tag gelegt, sagte der Leiter des politischen Büros der Hamas im Libanon, Ahmed Abdul-Hadi. Man beharre aber auf einer Formulierung, die Israel davon abhalte, seinen Militäreinsatz etwa nach der Freilassung erster Geiseln einfach wieder aufzunehmen.

Die beiden Seiten sind sich in groben Zügen einig, wie das Waffenruheabkommen aussehen soll. Der größte verbliebene Streitpunkt ist aber der des dauerhaften Waffenstillstands. Im Moment heißt es in dem Entwurf, die Feuerpause solle so lange gelten, wie über einen Waffenstillstand verhandelt werde. Abdul-Hadi sagte, die Formulierung solle lauten: "Die Verhandlungen für einen dauerhaften Waffenstillstand sollen weitergehen, bis ein dauerhafter Waffenstillstand erreicht ist".

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hatte betont, dass er keinem Abkommen zustimmen werde, das es seinem Land nicht möglich mache, den Kampf wieder aufzunehmen, um die erklärten Kriegsziele zu erreichen.

Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag will kommende Woche sein Gutachten zur Rechtmäßigkeit der israelischen Besatzungspolitik in den Palästinensergebieten vorstellen. "Am 19. Juli wird im Friedenspalast in Den Haag eine öffentliche Sitzung stattfinden, in der Richter Nawaf Salam das Gutachten verlesen wird", teilte der IGH mit. Eine Entscheidung des IGH wäre nicht bindend, könnte jedoch mit Blick auf den Krieg im Gazastreifen den Druck auf Israel weiter erhöhen.

Der IGH hatte im Februar auf Ersuchen der Vereinten Nationen eine einwöchige Sitzung abgehalten, bei der Anhörungen zu den Auswirkungen der Besatzung seit 1967 stattfanden. Die UN-Generalversammlung hatte vom IGH bereits 2022 ein unverbindliches "Gutachten" zu den "rechtlichen Konsequenzen" gefordert, "die sich aus der Politik und den Praktiken Israels in den besetzten palästinensischen Gebieten, einschließlich Ost-Jerusalems, ergeben".

Israels Außenminister Israel Katz hat mit scharfen Worten auf die Äußerungen des türkischen Präsidenten reagiert, denen zufolge Recep Tayyip Erdogan Kooperationen zwischen der NATO und dem Partner Israel künftig nicht zustimmen wolle. "Zunächst einmal, Erdogan, du entscheidest gar nichts", schrieb Katz auf der Plattform X. "Ein Land wie die Türkei, das die Mörder und Vergewaltiger der Hamas und die iranische Achse des Bösen unterstützt, sollte kein NATO-Mitglied sein."

Erdogan hatte, ebenfalls auf der Plattform X, im Anschluss an den NATO-Gipfel in Washington geschrieben: Das NATO-Mitglied Türkei werde entsprechende Initiativen so lange nicht akzeptieren, "bis in den palästinensischen Gebieten ein umfassender und nachhaltiger Frieden geschaffen ist". Israel ist kein Mitglied des Verteidigungsbündnisses, aber ein Partner, mit dem weitreichende Zusammenarbeit besteht.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat zu mehr Unterstützung und besseren Sicherheitsvorkehrungen für das Palästinenserhilfswerk UNRWA aufgerufen. "Palästinensische Flüchtlinge verlieren ohne die nötige Unterstützung und Finanzierung von UNRWA eine wesentliche Stütze und den letzten Hoffnungsschimmer für eine bessere Zukunft", sagte Guterres bei einer Geberkonferenz in New York. 

Er forderte außerdem Israel und die militant-islamistische Hamas erneut zu einer anhaltenden Waffenruhe und der Freilassung israelischer Geiseln auf. "Nichts rechtfertigt die fürchterlichen Hamas-Attacken vom 7. Oktober. Und nichts rechtfertigt die kollektive Bestrafung des palästinensischen Volks", so Guterres. Das Chaos in Gaza betreffe dort jeden Palästinenser und all diejenigen, die ihnen verzweifelt versuchen zu helfen. 

UNRWA-Generalkommissar Philippe Lazzarini bezifferte das nötige Budget für das UN-Hilfswerk bis Ende des Jahres auf rund 1,2 Milliarden Dollar. Derzeit seien nur 20 Prozent der Finanzierung gesichert.

Nach dem Bericht über die Bergung zahlreicher Leichen hat das israelische Militär laut der Nachrichtenagentur AP mitgeteilt, die Lage in Tel al-Hawa nicht kommentieren zu können. Nach Kämpfen in der Stadt Gaza sind nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Zivilschutzes etwa 60 Leichen aus dem Viertel geborgen worden. Neben Toten seien auch Verletzte in das Al-Ahli-Krankenhaus gebracht worden, in dem der Betrieb nach einer Evakuierung wegen der Gefechte gerade erst wieder aufgenommen worden sei, sagte Direktor Fadel Naem AP. Zivilschutzdirektor Mahmud Bassal sagte, unter den Toten seien ganze Familien, die offenbar Artilleriefeuer und Luftangriffen zum Opfer gefallen seien. "Es gibt Häuser, die wir nicht erreichen können und es gibt diejenigen, die in ihren Häusern verbrannt wurden", so Bassal. Viele der Getöteten hätten ihre Unterkünfte verlassen, nachdem sie zur Evakuierung aufgefordert worden seien.

Ein israelischer Soldat ist nach Militärangaben im Norden des Landes bei einem grenzübergreifenden Gefecht mit der Hisbollah im Libanon getötet worden. Zu Einzelheiten um die Tötung des 33-jährigen Feldwebels machte das israelische Militär keine Angaben.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die Bundesregierung hat Berichte dementiert, wonach die Aufnahme von Kindern aus dem Gazastreifen aufgrund von Sicherheitsbedenken gescheitert sei. Als Grund nannte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Freitag in Berlin hingegen die seit dem 6. Mai geschlossenen Grenzen zwischen dem Gazastreifen und Ägypten. Deshalb sei derzeit "gar keine Evakuierung verletzter Kinder möglich". Wenn dies wieder möglich sei, "werden wir auch daran arbeiten, dass Kinder mit einer Begleitperson nach Deutschland kommen können".

Ein Sprecher des Bundesinnenministerium betonte den "guten Kontakt" mit dem Auswärtigen Amt in dieser Sache - "um da auch gemeinsam zu handeln". Der Sprecher des Innenressorts erläuterte, dass "derzeit theoretisch, wenn die Grenze offen wäre, zunächst mal die Einreise ohne Begleitperson möglich wäre". Zusammen mit dem Auswärtigen Amt werde daran gearbeitet, "dass es auch mit Begleitperson möglich wird".

Mehrere Hilfsorganisationen und Kliniken hatten sich dafür eingesetzt, verletzte Kinder aus Gaza in Deutschland zu behandeln und die Kosten dafür zu übernehmen. Unter Berufung auf Regierungskreise meldete die tagesschau, Sicherheitsbedenken der Ministerien gegenüber den Begleitpersonen stünden der Einreise im Wege.

Nach einer einwöchigen Militäroffensive in Gaza-Stadt und schweren Kämpfen berichten Einwohner und Rettungskräfte von zahlreichen Toten sowie zerstörten Wohnhäusern und Straßen in diesen Gebieten und warnten vor israelischen Scharfschützen, die auch nach dem Rückzug von Panzern einige Bereiche kontrollierten.

Ein von der Hamas kontrollierter Rettungsdienst erklärte, im Laufe der vergangenen Tage seien in den Stadtteilen Tel Al-Hawa und Sabra rund 60 Leichen geborgen worden. Darunter seien auch ganze Familien, erklärte ein Sprecher der Zivilverteidigung palästinensischen Medienberichten zufolge. Von israelischer Seite lag am Freitag zunächst keine Stellungnahme vor.

Die militant-islamistische Hamas hat in den Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gazastreifen die Bildung einer unabhängigen Regierung für die Palästinensergebiete vorgeschlagen. Nach dem Ende des Gaza-Kriegs solle "eine parteiunabhängige Regierung mit nationaler Kompetenz den Gazastreifen und das Westjordanland" verwalten, so der hochrangige Hamas-Vertreter Hossam Badran. Er bezeichnete die Verwaltung Gazas als "interne Angelegenheit der Palästinenser", die man nicht mit "externen Parteien" diskutieren werde.

Ein Hamas-Vertreter sagte der Nachrichtenagentur AFP jedoch, dass der Vorschlag für eine überparteiliche Regierung "mit den Vermittlern" abgesprochen sei. Diese solle in der Anfangsphase nach dem Krieg die Regierungsgeschäfte führen und den Weg für Wahlen ebnen. Die Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Freilassung von Hamas-Geiseln unter Vermittlung von Katar, den USA und Ägypten werden derzeit in Doha und Kairo geführt.

Karte: Gazastreifen, dunkle Flächen: besiedelte Gebiete, Schraffur: militärische Aktivitäten Israels

Dunkle Flächen: besiedelte Gebiete, Schraffur: militärische Aktivitäten Israels

Die israelische Regierung hat einem Medienbericht zufolge eine Verlängerung der Wehrpflicht für Männer von derzeit 32 auf 36 Monate beschlossen. Die neue Regelung soll für die kommenden acht Jahre gelten, berichtete das Nachrichtenportal Ynet. Diese Entscheidung sei bei einer Sitzung des Sicherheitskabinetts am Donnerstagabend gefallen. Das gesamte Kabinett solle am Sonntag darüber abstimmen.

Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben am Donnerstag einen Militärposten im Süden Syriens angegriffen. Es handele sich um einen Vergeltungsangriff, teilte das Militär mit. Zuvor sei aus Syrien ein Geschoss auf die Golanhöhen abgefeuert worden. Israel hat diese strategisch wichtige zu Syrien gehörende Hügelkette 1967 im Sechstagekrieg besetzt und 1981 annektiert, was international nicht anerkannt ist.

Nach Angaben des israelischen Militärs ist ein Soldat bei Gefechten im Grenzgebiet zum Libanon getötet worden. Es handele sich um einen 33-jährigen Unteroffizier. Die Tageszeitung Haaretz berichtete, er sei bei einem Drohnenangriff ums Leben gekommen.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Nach Angaben des britischen Unternehmens für Sicherheit auf See, Ambrey, hat es im Roten Meer zwei Explosionen gegeben. Ein Handelsschiff habe den Vorfall etwa 21 Seemeilen westlich der jemenitischen Hafenstadt Mocha am frühen Freitag gemeldet. Genauere Informationen lagen zunächst nicht vor.

Bei den Verhandlungen über eine Vereinbarung zwischen Israel und der militant-islamistischen Hamas zur Beendigung des Kriegs im Gazastreifen gibt es nach Angaben von US-Präsident Joe Biden Fortschritte. "Die Vereinigten Staaten arbeiten seit Monaten daran, eine Waffenruhe in Gaza zu erreichen, die Geiseln nach Hause zu bringen und den Weg für Frieden und Stabilität im Nahen Osten zu ebnen", sagte Biden bei einer Pressekonferenz auf dem NATO-Gipfel in Washington.

"Das sind schwierige, komplexe Fragen", fuhr Biden fort. Es gebe noch einige Lücken zu schließen. "Wir machen Fortschritte. Der Trend ist positiv und ich bin entschlossen, dieses Abkommen abzuschließen und diesen Krieg zu beenden, der jetzt aufhören sollte", sagte Biden. Nach dem Ende des Krieges solle Israel den Gazastreifen nicht besetzen. Er unterstütze Israels Vorhaben, die militant-islamistische Hamas zu besiegen, es sei aber an der Zeit, den Krieg zu beenden. Biden sprach sich erneut für eine Waffenruhe aus.

Joe Biden während der NATO-Pressekonferenz in Washington

Es gebe noch einige Lücken zu schließen, aber der Trend sei "positiv": US-Präsident Biden zu den Verhandlungen über eine mögliche Vereinbarung zwischen Israel und der Hamas.

Eines der größten Krankenhäuser in der Stadt Gaza hat den Betrieb teilweise wieder aufgenommen. Die Mitarbeiter öffneten die Notaufnahme des Al-Ahli-Krankenhauses und nahmen neue Patienten auf, der Rest der Einrichtung war jedoch weiterhin nicht funktionsfähig. Die Klinik wurde am Montag geräumt, nachdem das israelische Militär vor einer Offensive Evakuierungsanordnungen herausgegeben hatte. Die Mitarbeiter brachten die Patienten in das Indonesische Krankenhaus in einem anderen Teil des nördlichen Gazastreifens.

Das israelische Militär erklärte später, es habe den Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen in Gaza mitgeteilt, dass eine Evakuierung nicht nötig sei. Mit der Wiedereröffnung des Krankenhauses sind nach Angaben der Vereinten Nationen 14 der 36 Krankenhäuser im Gazastreifen teilweise funktionsfähig.

Israel will die seit Monaten laufenden Verhandlungen über ein Geisel-Abkommen fortsetzen. Israels Armee hat eigenen Angaben zufolge zwei wichtige Mitglieder der Hamas getötet. Der Liveblog vom Donnerstag zum Nachlesen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 12. Juli 2024 um 10:30 Uhr.