Richter des Internationalen Gerichtshofs in den Haag äußern sich zum Antrag Südafrikas gegen den israelischen Militäreinsatz.
hintergrund

Israel-Offensive in Rafah Wie ist die IGH-Entscheidung umsetzbar?

Stand: 24.05.2024 17:43 Uhr

Was der Internationale Gerichtshof urteilt, ist rechtlich bindend. Das gilt auch für die Anordnung zum sofortigen Stopp der Rafah-Offensive. Aber kann Israel dazu gebracht werden, die Entscheidung zu befolgen?

Von Max Bauer, ARD-Rechtsredaktion

Der Internationale Gerichtshof (IGH) entscheidet über Streitigkeiten zwischen Staaten. Die Urteile, die er spricht, sind endgültig. Das heißt: Es gibt keine zweite Instanz. Und die Urteile sind auch rechtlich bindend. Das hat der Präsident des IGH, Nawaf Salam, bei der heutigen Verkündung extra betont. Ein Staat, der verurteilt wird, muss sich also an das Urteil halten.

Allerdings hat Den Haag keine Zwangsmittel zur Hand, mit denen ein Staat dazu gebracht werden kann, seine Urteile zu befolgen. Es gibt also keine Art von "Gerichtsvollzieher". Das Völkerrecht - als Recht für gleichberechtigte Staaten auf Augenhöhe - setzt erst einmal darauf, dass alle in der Staatengemeinschaft die Urteile des IGH aus Prinzip anerkennen. In der Praxis ist das aber nicht immer der Fall.

Israel beruft sich auf Selbstverteidigungsrecht

Wenn ein Staat sich weigert, ein Urteil aus Den Haag umzusetzen, gibt es theoretisch noch eine zweite Möglichkeit: Der UN-Sicherheitsrat, mit seinen fünf ständigen Vetomächten und zehn wechselnden Mitgliedern, könnte eine Resolution beschließen, derzufolge der Inhalt eines IGH-Urteils umgesetzt werden muss.

Eine solche Resolution wäre ebenfalls rechtlich bindend. Sie könnte auch mit Zwangsmitteln - wie UN-Sanktionen oder notfalls sogar Waffengewalt - durchgesetzt werden. Im Fall Israels ist das aber kaum denkbar. Die USA und andere Staaten des Westens würden Israel nie das Recht absprechen, gegen die Terrororganisation Hamas militärisch vorzugehen.

Politisch ebenfalls ausgeschlossen sind Zwangsmittel, um Israels Operation im Gazastreifen vollständig zu stoppen. Zumal sich Israel wegen des Angriffs der Hamas vom 7. Oktober 2023 auch auf sein Recht auf Selbstverteidigung beruft. Es darf grundsätzlich gegenüber der Hamas militärisch tun, was erforderlich ist, um eine andauernde Bedrohung durch die Terrororganisation zu beseitigen.

"Israel nutzt Interpretationsspielraum", Sophie von der Tann, ARD Tel Aviv, zur Reaktion Israels auf IGH-Urteil

tagesthemen, 24.05.2024 21:45 Uhr

Ausdrückliche Anordnung, Menschen zu schützen

Die Offensive in Rafah müsse jetzt aber gestoppt werden, so der Internationale Gerichtshof. Denn: Israel sei bei seiner Operation stets an das humanitäre Völkerrecht gebunden. Und der IGH sieht die Gefahr, dass durch die Rafah-Offensive die Völkermord-Konvention verletzt wird.

Wie schon in den letzten Entscheidungen ordnet der Gerichtshof ausdrücklich an: Israel müsse Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung im Gazastreifen ergreifen - vor allem zum Schutz des Lebens der Bewohner des Gazastreifens, für ihre Versorgung mit Nahrungsmitteln und ausreichender medizinischer Behandlung.

Karte mit Gazastreifen, Rafah und Israel

Max Bauer, SWR, tagesschau, 24.05.2024 16:45 Uhr